Samstag, 31. Juli 2010

Von Ribadeo nach Viveiro

Die Wetterprognose hat uns einen nordöstlichen Wind mit Bf 4 vorausgesagt, also ideal, um nordwestlich zu segeln. Doch nach zwei Stunden fällt auch der eh schon schwächliche Wind (Bf 1-2) zusammen und wir müssen motoren - das dirty secret vieler SeglerInnen. Man will halt unbedingt in der gewählten Zeit ans Ziel kommen, bevor die Läden zu sind, die Duschen geschlossen werden oder die Beizen. Auch uns fehlt (auf den kurzen Etappen) jeweils die Geduld, auf Wind zu warten. Gestern hätten wir ewig warten müssen; statt dessen reichte es dann mit sechs Stunden Motoren bestens zur happy hour im Hafen von Viveiro.

Lin und Larry Pardey sind mit ihrer "Taleizin" ohne Motor um die Welt gesegelt, was sie zum Betriebskapital machten für unzählige Berichte in Segelzeitschriften. Soweit werden wir es nie bringen. Wir sind zufrieden, wenn das Verhältnis segeln vs motoren auf den kurzen Etappen etwa 7:3 ist. Ein Cousin ist Frankreich - Shetlands retour gesegelt und erzählte uns, er habe ein Verhältnis von ca fiftyfifity hingekriegt. Auch nicht schlecht. Auf langen Etappen hingegen ist alles anders: da macht es absolut keinen Sinn, mitten auf dem Atlantik bei guter Wetterprognose 100 Meilen zu motoren, um zum Beispiel am 22. statt am 23. Tag auf den Azoren anzukommen.

Mittwoch, 28. Juli 2010

Tauchkurs

Wir hatten unseren französischen Nachbarn am Abend gesagt, dass wir ganz früh ("très tôt") ablegen würden und so staunten sie nicht schlecht, als wir um 9 Uhr noch immer an der Mooring Boye klebten. Grund: Beim Ablegen "très tôt" hatte sich ein Tau um den laufenden Propeller fest gewickelt. Zwei Stunden harte Arbeit waren die Folge, eine Mischung aus "waterboarding" und "Schnorcheln für Anfänger". Mit einem verlängerten Schnorchel und dem besten Messer, das es gibt (von Wichard, kurze harte feinstgeschliffene Klinge) gelang es dann, die Taus zu durchschneiden.

Super-Segeln nach Ribadeo war die Belohnung. Wir hatten achterliche Winde, rollten die Genua ein und hatten zeitweise immer noch 6.5 Knoten mit dem Gross allein (zugegeben: nicht gerade die ideale Segelführung, aber praktisch). Nach 8 Stunden und 41 Meilen (plus die 2 Std. Taucharbeit) kamen wir in Ribadeo an - "müde, aber glücklich", wie die Standardformulierung in Schulreiseberichten lautet.

Und die Lehren? Wenn möglich, von der Mooring ohne Motor weggleiten oder das Mooring-Geschirr mit einer Hilfsleine nach oben ziehen beim Ablegen. Und immer Schnorchelausrüstung und Neopren (gut gegen das Schlottern) bereit halten.

Freitag, 23. Juli 2010

Der Homunkulus


An der Strandpromenade von Gijon hat sich am Abend ein kleinwüchsiger Mensch eingefunden, ein Zwerg, hätte man früher gesagt. Gut ein Meter gross ist er, kleines Gesicht, übergrosse Hände und Füsse, die nur in Männerschuhen Platz haben. Auf dem Rücken trägt er einen schweren Rucksack, der auf vier kleinen Holzbeinen abgestützt scheint, um dem kleinen Wesen die Bürde etwas zu erleichern. Obendrauf ist eine Wolldecke gepackt, wohl für das Nachtlager dieses Armen, denkt man.

Schnell hat sich eine Menschenmenge um den Homunkulus versammelt, die Kinder im Halbkreis schauen angstvoll, denn der Kind-Mensch selbst grunzt mit tiefer Stimme immer wieder halb komische, halb furchterregende "Ojjejejejee, Hhaaaiii, Mmmmhhhh". Er bewegt dabei seinen Kleinkopf und wenn sich ein Kind zu nähern wagt, um ein Geldstück in ein Milchkesseli zu werfen, dann freut sich das Wesen und macht, wenn das Kind sich getraut, ein High-Five. Manchmal spielt er ein paar Töne auf seiner Flöte. Und wenn lange nichts gespendet wird, schubst er das Kässeli mit seinen übergrossen Füssen ein bisschen Richtung Umstehende. Er scheint absolut fest zu stehen, jedenfalls bewegt er seine Riesenfüsse weder nach vorn noch seitlich oder zurück.
Was ist sein Geheimnis, das sich nicht sofort erschliesst? Auch mich packt eine leichte Furcht, obschon ich weiss oder wissen müsste, dass ein Trick dahinter steckt eines Gauklers, des letzten bald, weil die Illusion ja nicht mehr echt dargestellt wird, sondern nur noch virtuell im Netz und digital. Diese altmodische, eben echte Illusion des Homunkulus wird einem entrissen, wenn man sich auf die Seite stellt und erkennt, dass der übergrosse Rucksack mit seinen vier Stützen nichts anderes ist als ein Stuhl, auf dem der Gaukler im Rucksack drin sich gesetzt hat, um seine stehende Figur im Sitzen zu bedienen und dabei seine "Ojjejejej"-Laute aus dem Inneren zu produzieren. Ein Meister seines Fachs.

Wolken

Auf dem Trip von Ile d'Yeu hat unser dritter Mann, Zephir, vorzüglich gesteuert. Er hatte neue Steuerleinen erhalten und eine bessere Leinenführung und so arbeitete er, oder besser gesagt sie, die Windsteueranlage, präzise und klaglos. Wir wollten unsern "Windpilot" erst Foerthmann nennen, weil ihr Erfinder so heisst, doch sahen dann davon ab und wählten einen weniger imposanten Namen. Auf allen Booten haben Windsteueranlagen Namen, persönlich kennen wir einen Hector auf einer Modelia 2000 und noch einen andern Zephir auf einer Bavaria 42.

Weil wir also nicht selber steuern mussten, hatten wir Zeit, in die Wolken zu gucken, wo sich nach dem Durchgang einer Front in der ersten Nacht nun am zweiten Tag dramatische Gesichter zeigten. Wir sahen Männer mit drastisch aufgeblasenen Wangen, zweiköpfige, Dampf speiende Hunde, die Queen mit Brille, auch Comic-Figuren traten auf in diesem Himmelstheater, darunter ein Riesenbär mit Glupschaugen und mit einem Prügel in seinen Pranken. Wen er wohl erschlagen wollte? Wahrscheinlich die Königin.

Nachts dann unterhielt uns der Mond, der sich immer wieder hinter Wolkenfetzen versteckte, wobei das Verstecken sich mehr als ein langsames Gleiten hinter Kulissen abspielte, schon nach ein paar Minuten trat er dann auf der andern Seite der schwarzen Wand wieder auf seine Himmelsbühne heraus, die er - kurz vor Vollmond - hell erleuchtete. Ich gehöre zu jenen Erwachsenen, die den "Mann im Mond" mit seinem Holzbündel nicht richtig sehen können, sondern wie Kinder eher ein Mondgesicht erkennen. Mir ist das aber recht so.

Es war zusammenfassend gesagt ein wunderbarer Trip nach Gijon. Negativ schlug zu Buche, dass ich eine Reffleine zerriss durch blödsinniges Wintschen, obschon doch jeder sehen konnte, dass sie irgendwo verklemmt war. Selber schuld! Peinlich! Unsäglich! Das schlimme ist, dass man für Fehler weder dem Autohersteller Toyota noch seinem Chef die Schuld geben kann. Im allgemeinen ist der Skipper für begangenen Blödsinn zu 150 Prozent selber verantwortlich. Das ist die Erklärung dafür, dass viele Skipper in ihrem langen Bootsleben allmählich zu Pedanten werden.

Ile d' Yeu nach Gijon

Nach 271 wunderbaren Meilen und 53 Stunden sehen wir die Quaimauer von Gijon und darauf ein wartendes Fernsehteam. Fantastisch, denke ich, dass Kollegen daran gedacht haben, unsere Ankunft zu melden. Ich bereite schon mal ein zwei Stichworte vor für das Interview. Als wir ein paar Minuten später angelegt haben, sehen wir, dass die TV-Crew nicht uns erwartet hat, sondern Berichte bastelt für die Einhand-Regatte des Figaro Solitaire, deren Gewinner aus Le Havre schon da sind. Es wird gerade ein Mann interviewt, der auf seinem T-Shirt mit Assistance Course angeschrieben ist. Henu, denke ich, es wäre eh nur das lokale Fernsehen gewesen.

Die paar Rennziegen der 40er Klasse sind vis-à-vis von uns, die Helden längst nicht mehr an Bord, sondern bei den Sponsoren oder ihren Frauen (manchmal identisch). Auf den Decks herrscht Drole de Guerre, also jene geschäftige Gemütlichkeit, die auf allen Booten zwischen zwei anstrengenden Etappen stattfindet. Der glückliche Interviewte von vorhin hat mittlerweile im Cockpit seines assistierten Bootes Platz genommen und einen Laptop auf den Knien, von dessen Bildschirm er mühselig Daten mit mehreren aneinander gehefteten Listen vergleicht, die er neben sich gelegt hat. Die Vision vom papierlosen Büro ist also auch hier nicht Wirklichkeit geworden.

Samstag, 17. Juli 2010

SPOT Tracker

Ein kleines oranges Gerät an Bord von Miranda II schickt alle 10 Minuten die GPS-Koordinaten via Inmarsat auf eine Google-Map und zeigt, wo wir sind und was wir machen: http://bit.ly/b5feTY

Auf dem Bild rechts zum Beispiel verläuft der Kurs nicht gerade von A nach B, sondern hat in der Mitte einen Knick: Kursänderungen wegen östlich gelegenen Untiefen. Weil es nur alle 10 Minuten eine Position meldet, "springt" die Linie über Hafenmauern, wenn man den Zielort einzoomt. So wars natürlich in Wirklichkeit nicht. Das kleine Gadget http://international.findmespot.com/ kostet unter 100 Dollar plus das Abo für das Tracking und kann auch auf Velotouren und Wanderungen nützlich sein. Es hat eine Alarm-Funktion und man kann OK drücken und damit ein SMS auslösen mit dem Inhalt, that all is well aboard.

Ile d' Yeu

Die Fährgesellschaft, die die Menschen von der Insel aufs Festland bringt, heisst "Compagnie Yeu-Continent" - ein gutes Beispiel für das Selbstbewusstsein der Insulaner, die sich mit dem Kontinent verbinden - und nicht umgekehrt, der Kontinent mit ihnen, den Insulanern, in Verbindung tritt.
Wie merken wir, dass wir auf einer Insel sind - und nicht auf einer Halbinsel, wie die nahegelegene presqu'ile de Noiremoutier zum Beispiel, eine Halbinsel? Erstens sind die Autos im Strassenbild älter als auf dem "continent", die Cars kürzer, die Strassen schmaler. Und zweitens man sieht Insulaner, die zu Fuss mit ihren Rollköfferchen zur Fähre gehen, die sie auf den Kontinent bringt.

Mittwoch, 14. Juli 2010

Quatorze Juillet

Weil die Geschäfte offen sind und irgendwie keine feiertäglich-revolutionäre Stimmung entstehen will, haben auch wir gearbeitet. Ich habe im Hafen von Pornichet die Entsalzungsanlage auseinander genommen, die unter dem Markennamen Surveyvor06 Trinkwasser liefern sollte, wenn wir in der Rettungsinsel Durst bekommen. Die Menge Süsswasser, die man in einer Stunde produziert, ist allerdings lächerlich klein. Und pumpen gibt auch Durst. Dennoch der gemeinsame Entschluss: der Surveyvor darf an Bord bleiben - schon aus psychologischen Gründen.

Freitag, 9. Juli 2010

Am Montag geht's endlich los

Am Montag, 7 Uhr am Morgen, ist es soweit: Miranda II wird zu Wasser gelassen, genauer in die Loire und dies zu einem Zeitpunkt, bevor der Ebbstorm einsetzt. Dieser spült dann in den folgenden Stunden mit eindrücklicher Stromgeschwindikeit grosse und kleine Boote in den Atlantik hinaus.

Noch ist es aber nicht soweit. Komischerweise sind wir nicht am Einrichten, sondern am Ausmisten. Wir haben viel zu viele Sachen mitgenommen und müssen nun genau überlegen, was den besten Platz bekommt im Boot und was irgendwo in der Bilge versenkt wird oder sogar Richtung Abfallkübel wandert. Als Regel gilt: Was immer wir nicht unter Zeitdruck suchen (und finden) müssen, kommt auf die hinteren Ränge. Was rasch gebraucht wird, hat einen Fensterplatz. Das Handfunkgerät hat also Glück gehabt und einen Superplatz gekriegt gleich rechts vom Navigationstisch, die Schwimmflossen hingegen müssen mit einer dunklen Doppelkabine in der Bilge zufrieden sein.

Und wie das eigene Leben sich doch ändert: Auf Schweizer Webseiten sehe ich, dass Moritz L. zurückgetreten ist. Und ich habe die Stories nicht mal angeklickt. Als L. - wegen seines langen Namens der Schrecken aller Zeitungslayouter - 1995 gewählt wurde, erfuhr ich die Nachricht in einem Hotel in Des Moines, Iowa. Ein paar Jahre später sass ich mit meiner Crew vom Tagi-Radio, einer Filiale von Radio Zürisee, in einem Zürcher Restaurant, als L. herein kam, uns begrüsste und scherzhaft sagte, er gebe uns hiermit seinen Segen als Medienminister. Ein paar Wochen später hat Tamedia das Radio geschlossen.

Mittwoch, 7. Juli 2010

Brütende Hitze

Bei brütender Hitze bereiten wir unser Boot auf die grosse Reise vor auf dem Trockenplatz von Port Lavigne bei Nantes. Die Sonne brennt derart, dass die Schrauben heiss geworden sind, mit denen ich den neuen Cockpit-Tisch zusammenbasteln wollte. Der Versicherungsmensch war da und gleichzeitig wurde am Schwenkkiel gearbeitet. Er bekommt als Startgeschenk eine neue Schot aus Spectra und Gummilippen, die ihn abschliessen. Nie mehr Pickel (= Muscheln) am Kiel, heisst die Devise. Weiter habe ich alle Reffs eingezogen und ausprobiert, damit es im entscheidenden Moment keine Aufregung gibt. Morgen holen wir den ersten Gast ab: einen Kobra-Anker, der nichts anderes kann, als das Boot dort festzuhalten, wo wir es pakiert haben. Aber das kann er exzellent.

Donnerstag, 1. Juli 2010

Regel Nummer 1 lautet: Wenn das Auto voll geladen ist, ist alles drin, was mit muss. Sextant, Seekarten, die Bohrmaschine, der Zapfenzieher, die Pfannen, der Schlafsack. Und was ist mit den Kleidern? Wir hatten doch vier Taschen mit Kleidern vorbereitet? Noch nicht drin? Hhmm, brauchen wir denn soviele T-Shirts? Und drei Paar Sandalen? Ok, wir laden jetzt mal alles rein - und dann knallen wir die Türen zu - einfach zuknallen.