Dienstag, 30. November 2010

Zick und Zack

Alle, die uns auf dem Spot-Tracker zuschauen, werden sich wundern über unsere Richtungswechsel. Der Grund: Wir haben wenig Wind und der bläst ausgerechnet von dort, wo wir hin müssen. Ergo müssen wir schrläg zum Wind segeln, kreuzen wie man sagt. Doch genau das tut Miranda nicht gerne. Sie hat einen Schwenkkiel, der zu wenig Hebelwirkung aufbringt, um nahe an den Wind zu gehen. So haben wir in zwei Tagen ganze 90 Seemeilen in die richtige Richtung gemacht. Der Rest war Zickzack-Kurs - und dies eben mit sehr flachen Zicks und Zacks. Nun motoren wir ein bisschen in der Hoffnung, weiter westlich bessere Winde anzutreffen.

Montag, 29. November 2010

1. Quartalsbericht der Miranda AG

Wäre Miranda eine Aktiengesellschaft und deren Aktien an der Börse kotiert, hätte es heute den folgenden Quartalsbericht der Nachrichtenagentur Reuters gegeben:

Zürich, 28. November. – Das Transport- und Logistikunternehmen Miranda II hat am Montag enttäuschende Zahlen des ersten Quartals (von Samstag zu Samstag) bekannt gegeben . Mit 675 Meilen haben Miranda II die Erwartungen der Analysten /(700 Meilen) klar verfehlt. Die Geschäftsleitung begründet dies mit schlechten Windverhältnissen am Freitag und Samstag. In seinem Ausblick auf das zweite Quartal sagte CEO Bat Ovni: "Wir sind für die kommenden Herausforderungen in einem schwierigen Umfeld gut aufgestellt und erwarten ein befriedigendes Ergebnis." Und Finanzchef Jean-Claude Trichet liess sich mit dem Satz zitieren: "Wir werden die Wetterverhältnisse auch weiterhin im Auge behalten."

Die Börse reagierte enttäuscht. Besonders zu denken gibt, dass auch das zweite Quartal mit 158 Meilen in zwei Tagen (bis Montagmittag) verhalten begonnen hat. Von Analystenseite hiess es, entscheidend für das Jahresergebnis (eine Ankunft um den 20. Dezember) seien das 3. und 4. Quartal, wenn gute Passatwinde erwartet werden. Diese Entwicklung sei aber im Aktienkurs längst eingepreist. Die ZKB bewertet den Titel weiter mit Outperform; das Unternehmen habe Meteoorologie, Segeltrimm und – wechsel im Griff und verfüge über ein Boot mit hervoragenden Leichtwindeigenschaften, um auch schwierige Zeiten zu überstehen. Skeptisch zeigte sich das Analyseteam der Bank Bär: "Segelboote gelten als Geldverbrennungsmaschinen und sind nur für Investoren mit starken Nerven geeignet."

Sonntag, 28. November 2010

A Happy Boat

Pizza gegessen, Zopf gebacken - und einen Mahimahi gefangen, der uns für zwei Tage ernähren wird. Das beste: die Flaute ist zu Ende und ein guter Wind schiebt uns Richtung Kapverden.

Freitag, 26. November 2010

Von Möwen und andern Angestellten

Wir haben keinen Fisch gefangen gestern, dafür einen Vogel. Das Biest flatterte wie wild, tauchte immer wieder unter, während wir die Leine einrollten. Kam auch wieder hoch – ein Drama. Auf Youtube hätte das Video einen Spitzenplatz erreicht. Endlich an Bord packte Jean-Pierre die Mega-Möwe und dann gingen wir daran, ihren linken Flügel vorsichtig von der Leine zu befreien. Nichts schien gebrochen und so liessen wir den Vogel sofort wieder frei. Mit kräftigem Flügelschlag flog er davon – diese Fischer, Hunderte von Meilen vom Land entfernt auf Nahrungssuche, haben ganz offensichtlich einen robustes Knochengerüst. Als Mensch hätte die Möwe Anrecht gehabt auf psychologische Betreuung, um mit dem Schock fertig zu werden. Als Vogel jedoch wird sie den unfreiwilligen Besuch auf Miranda II wohl bald vergessen haben.

Im weiteren Verlauf des Tages kam noch ein Nachfalter auf Besuch. Und ich kann nur sagen, er war genau so lästig wie die Nachtfalter, die man im Schlafzimmer einfängt. Allerdings habe ich grossen Respekt vor diesen Insekten, denen der Schöpfer weite Seereisen (wozu auch?) aufgebürdet hat.

Schliesslich Delfine. Wir sehen sie so oft, dass wir nur noch aus Höflichkeit hingucken, wenn ein Crew-Mitglied "Delfine!" ruft. Wenn sie aber ganz nahe am Boot sind, versuchen wir sie mit hohen Pfeifftönen zu einem Sprung aus dem Wasser zu bewegen. Denn normalerweise ist nicht viel zu sehen, die Sprünge produzieren die Delfine mit einiger Zuverlässigkeit nur in der Delfin-Show, sozusagen als Angestellte. In der Freiheit, wo sie freischaffend arbeiten, lassen sie sich nicht zu Gratis-.Sprüngen verleiten, weil sie wissen, dass dafür nix zu kriegen ist. Ist auch klar. Mal ehrlich: Würden Sie auch nur ein Mail Ihres Chefs beantworten ("Erwarte Feedback. Danke P."), wenn er nicht jener wäre, der Ihnen den Lohn zahlt. Sehen Sie! Die Delfine sind genau so. Das Delfin-Prinzip eben.

Ein Nachtrag noch: Während ich dies schreibe, brummt der elektrische Autopilot aufs schönste. Wir haben aus den zwei kaputten Geräten erfolgreich ein Funktionierendes zusammen gebastelt – und ernten nun den Lohn dafür: beide Hände frei zum Schreiben statt zum Steuern, während die Batterien geladen werden. Später segeln wir dann wieder mit der Windsteuerung weiter, die auch bei den vorherrschenden leichten Winder hervorragend arbeitet. Ohne Lohn, aber mit täglichem Dank.

Donnerstag, 25. November 2010

Happy Thanksgiving

Happy Thanksgiving to all of you. Ich werde immer leicht sentimental an dem Feiertag, dieses Jahr ganz besonders, wo wir auf hoher See feiern und auf ein Gastmahl des Meeres hoffen. Geschichtsbewusste erinnern sich, dass eine Ladenkette in der untergegangenen Deutschen Demokratischen Republik so geheissen hat. Die Läden - einer davon nahe beim "Alex" in Berlin, andere gabs in Rostock, aber auch in Leipzig - waren nach meiner Erinnerung nie offen, wohl deshalb weil die Versorgung der Bevölkerung mit Garnelen nicht zuoberst im 5-Jahres-Plan des Zentralkomitees der Sozialistsichen Einheitspartei fungierte. Aber irgendwan in einem Plan die Einrichtung von solchen Etablissements beschlossen worden war. Und so ist den Besuchern vor allem die grosse blaue, versale Schrift über den Läden in Erinnerung geblieben: "Gastmahl des Meeres". Ein treffender Name, erfunden von einem Parteigenossen, der wusste: Gegenüber dem Meer soll man nicht fordernd auftreten und forsch Fische fordern. Denn das Meer gewährt uns seine kulinatrischen Schätze und bietet sie uns zum Mahle an. Und darauf, auf die Grosszügigkeit des Meeres, warten wir am diesjährigen Thanksgiving, gut 400 Meilen nördlich der kapverdischen Inseln.

Soviel zum Feiertag des Erntedankfestes. Der Tag hat heute Morgen bei leichten Winden begonnen und einer ruhigen See, gerade richtig, um den elektrischen Autopiloten auseinander zu nehmen und dann festzustellen, dass Rädli aus Plastik, die die volle Kraft übertragen sollten, vermantschte Zähne haben und deshalb das Maschinchen hustete und stotterte. Keine Chance einer Reparatur der Teilchen.

Es ist immer ärgerlich, zu realisieren, dass ein Hersteller (Autohelm) eine Abkürzung genommen und Billigmaterial eingebaut hat, was sich früher oder später dann beim Kunden rächen müsste. Nun überlegen wir uns, ob wir aus den zwei an Bord vorhandenen Geräten eins machen sollen; aus den beiden Geräten zusammen sollten wir nämlich mit etwas Glück neun intakte Plastikrädli zusammen bekommen.

Mittwoch, 24. November 2010

Auf der Welle

Wir sind mit der Welt über ein Satellitentelefon verbunden, das als Modem auch Mails schickt und empfängt und diesen Blog speist. Internet haben wir keines und Kollegen sagten mir vor der Abreise, die tägliche Dosis Webseiten-News würde mir unterwegs am meisten fehlen. Stimmt nicht: Es ist, als hätte ich Internet nie gekannt und ergo fehlen mir die Stories über Missen, Kachelmann und Raser gut 500 Meilen nördlich der Kapverden auch nicht. Nur die Fussballresultate lasse ich mir extra liefern, auch die unerfreulichen. Und natürlich die Kommentare von Euch Lieben auf Facebook, welches meine Webmanagerin in den USA betreut. Für den Abstimmungssonntag habe ich einen Kollegen, dessen Urteil mir viel wert ist, gebeten, mir einen Kommentar zu schicken.

Mit der Welt sonst verbunden sind wir auf altmodische Weise: Wir hören Deutsche Welle auf 6075MhZ. Das Radio informiert akkurat über Krisen, Kriege und Gipfeltreffen. Und wenn es nichts zu berichten gibt, dann treten in unserem Boot am Abend Frau Merkel und Herr Westerwelle auf und bekräftigen, betonen und erklären. Niemand kann sagen, was deutsche PolitikerInnen vor 14 Tagen oder irgendwann gesagt haben. Dennoch reden sie dauernd - und die Deutsche Welle bläst die Sprechblasen in die Welt hinaus - als einer der letzten Newssender auf Kurzwelle.

Dienstag, 23. November 2010

Ein gewöhnlicher Segeltag

Der Segeltag beginnt für mich um Mitternacht, wenn ich meine Wache antrete. Jean-PIerre übergibt mir immer ein perfekt getrimmtes Boot und eine gut eingestellte Windsteuerung, sodass es eigentlich nichts zu tun gibt. Ausser alle 15 Minuten einmal nautisch rundherum blicken, ob Frachter auf Kollisionskurs sind und wenn ja (wie gestern) ihren Kurs korrigieren (was sie jeweils tun). Kurz vor drei Uhr koche ich einen Tee und wecke Agnes; sie hat dann bis 6 Uhr Wache. Ich schlafe bis kurz nach 8 Uhr, und zwar im Salon, um als Skipper-Allzeitbereit immer in der Nähe zu sein, wenn was wäre. Am Vormittag dann, heute, habe ich fast drei Stunden gesteuert, weil wir viel Wind hatten und unter Spi fuhren - kein Fall für die Windsteuerung. Der Nachmittag geht mit dem Laden der Batterien und dem Herunter-Laden der neusten Wettermodelle und den Mails rasch vorbei. Ueberhaupt: Irgendwie habe ich immer das Gefühl, ich hätte viel zu tun, obschon dies objektiv gar nicht so ist. Der Grund für dieses Gefühl, dauernd beschäftigt zu sein, ist, dass der Lebensrhythmus auf See sich verlangsamt. Das wichtigste am Tag ist jeweils das Abendessen und die Happy hour davor, die wir heute aber schon am Mittag vorgeholt haben als Belohnung für den erfolgreichen Segelwechsels (Spi herunternehmen ging super). Nach dem Abendessen geniessen wir jeweils den Sonnenuntergang - und dann gehe ich "vorschlafen", damit ich um Mitternacht, für die neue Schicht, wieder zwäg bin.

Montag, 22. November 2010

Richtung Kapverden

Mit leichten Winden sind wir unterwegs Richtung Kapverden. Wir versuchen m glichst s dlich zu segeln, um einer Flaute westlich von uns zu entgehen. Andere Boote haben die gleiche Idee gehabt. Wir segeln sozusagen in einem Ragatta-Feld. Die Spitze der ARC-Boote hat uns in der Nacht eingegholt, das sind Crews, die am Atlantic Rallye for Cruisers teilnehmen, mehrere hundert insgesamt, die untereinander ausmachen, wer am schnellsten in St. Lucia ist. Wir nehmen es eher gem tlich und geniessen die Sonne und die ruhige See. Gerade hat Agnes ein Poulet gekocht, das tiefgefroren in de nletzten zwei Tagen im K hlschrank Dienst hatte und selbigen beim Auftauen etwas kalt hielt. Zum Poulet gibt es Kartoffelstock - das perfekte Abendessen kurz vor Sonnenuntergang.

Donnerstag, 18. November 2010

Von Bier, Mehl, Rüebli und Pringles

Eine Atlantiküberquerung ist nichts anderes als ein Lehrstück, was man in einem einzigen Monat zusammenfrisst – und trinkt. 72 Dosen Bier sind zum Beispiel eingekauft worden. Ich bitte Euch! Wer kann soviel in sich hineinschütten in 30 Tagen? Weiter natürlich Unmengen Coci und Mineralwasser – zu den 375 Litern Süsswasser, die in zwei Alu-Tanks lagern. Dann Gemüse – frisch und in Gläsern bzw. Dosen, letzteres weil Rüebli und Bohnen eine ausserordentlich kurze Halbwertszeit haben. Da lernt man die Konservenindustrie wieder schätzen, welche jahrzehntelang von der Migros-frisch-Ideologie diskreditiert worden ist. Am besten halten sich noch Kürbisse, für ein feines Risotto. Auch die sogenannten Grundnahrungsmittel sind vorhanden: Teigwaren und Mehl. Reichen 10 kg Weissmehl für den ganzen Trip? Eine überschlagsmässige Kopfrechnung ergibt 30 mal 300 gr für ein täglich frisch zu backendes Brot. Ergibt 9000 Gramm gleich 9 kg, behalte 1. Sehr gut! Es gibt natürlich auch Dinge, die nicht die Wichtigkeit haben von – sagen wir – Zitronen (Skorbut!) , Pringles zum Beispiel. Vier Dosen kommen mit und verbrauchen soviel Stauraum wie 10 kg Mehl. Auch ein Lehrstück. Es gibt weiter Schoggi, Zwiebeln und Saucenwürfel, Konfitüre und Couscous (auch Harissa dazu), dann Klopapier, 170 Liter Diesel und 4 Liter Motorenöl. Einfach alles. Am meisten stolz bin ich auf etwas, das wir hier in einem kleinen Dorf gekauft haben: 1kg Cochenilles. Das sind Läuse, die auf Lanzarote von Kakteen geerntet und getrocknet werden und die man seit Jahrhunderten zum Färben von Stoffen braucht. Wir nehmen den wertvollen Rohstoff mit nach Amerika, um ihn dort einer Mitfärberin von Agnes zum Tausche anzubieten. Insofern - so darf ich, glaub ich, sagen - sind wir mehr ein Handelsschiff als ein Segelboot - und das erklärt eigentlich erst richtig die Unmengen an Food, die wir im Schiffsbauch gebunkert haben.

Sonntag, 14. November 2010

Die To-do-Liste

Die Überquerung des Atlantiks hat etwas Definitives – in der Hinsicht mindestens, dass alles für rund 30 Tage liegen bleiben wird, was bis dahin nicht erledigt worden ist. Wir führen deshalb eine To-do-Liste, die je näher der Abfahrtstermin kommt, immer länger wird.
Seit Tagen schiebe ich zum Beispiel die Kontrolle der Anode am Propeller vor mir her. Das ist ein Stück Zink, das korrodiert. Die Korrosion am Billigmetall sorgt dafür, dass die Korrosion nicht am teuren Alu einsetzt und aus dem Boot mit der Zeit ein überdimensioniertes Salatsieb entsteht. Eine wichtige Sache also und allenfalls müsste die zerfressene Anode am Propeller ausgewechselt werden. Dann wären Batterien zu besorgen für einen kleinen, im Fernglas eingebauten Kompass, keine schlechte Sache ein beleuchteter Kompass, wenn man nachts Frachter peilt. Die Batterien haben den Namen „350 Renata“. Seit wann haben Batterien weibliche Vornamen?

Zu meinen Gunsten kann ich sagen, das es auch ein paar durchgestrichene Items gibt auf der Liste: Einen Reffpunkt habe ich versetzt, damit das Segel eine glattere, weniger bauchige Form bekommt, ein Vorschlag von Jean-Pierre. Und dann sind auch die Camping-Gas-Flaschen bereits an Bord, ein Stück pro Woche plus zwei in Reserve. Nieten habe ich auch schon gekauft für allfällige Reparaturen. Nieten tragen ihren Namen („Du Niete!“) völlig zu Unrecht. Die Niete ist eine schlicht geniale Erfindung und der helle Knall einer erfolgreichen – was ? – „Nietung“ ist jedes Mal ein handwerkliches Glücksgefühl.

So gehen die Tage vorbei. Die lange To-do-Liste hat mindestens den Vorteil, dass ich nicht auf der Strandpromenade spazierend die Zeit totschlagen muss wie die vielen Briten und Deutschen, die hier in den Aparthotels Ferien machen. Und noch ein Vorteil hat die To-do-Liste, wie ich von einem erfahrenen Segler unter der Hand vernommen habe: Am Schluss wirft man sie einfach weg und legt los – egal, was durchgestrichen ist und was nicht.

Donnerstag, 11. November 2010

Christbaum

Es fällt nicht leicht, bei den unweihnachtlich-sommerlichen Temperaturen am 29. Breitengrad an Weihnachten zu denken. Doch weil wir im Dezember während mindestens 30 Tagen an keinem Christbaummarkt vorbei kommen mitten im Atlantik, haben wir uns einen Ruck gegeben und uns auf die Suche nach einem passenden Laden gemacht. Und siehe da: in Arecife in einem China-Shop, wo es schlicht alles gibt – aufzählen hat keinen Sinn, es gibt einfach ALLES -, in einem dieser vollgestopften etwas dunklen Lokale also, wo die Verkäuferinnen untereinander auf Kantonesisch parlieren, fanden wir unseren Christbaum – und zwar einen bootstauglichen: die 12V-Lichter lassen sich direkt ans Bordnetz anschliessen. Und - für die Zeit bis Weihnachten besonders praktisch - der Baum lässt sich mühelos zusammenklappen und bis zum Fest in der Backskiste bei den Fendern und Festmacherleinen verstauen. Weil die Chinesen in dem Laden wirklich alles haben, leisteten wir uns noch schönen Christbaumschmuck. Das Schmücken des Baumes erhöht traditionell die Vorfreude auf den Heiligabend. Ein Test an Bord am Abend verlief erfolgreich, allerdings öffnete ich das Ding nicht, aus Furcht, es nicht mehr schirmmässig zusammenklappen zu können. Das Foto sieht deshalb nicht gerade festlich aus, muss es aber auch nicht. Item: wir können nun Weihnachten gelassen entgegen sehen.

Dienstag, 9. November 2010

Leck

Ein berufliches Leben lang hatte ich von Lecks profitiert, also von Informationen, die irgendwo heraus- und bei mir hinein gesickert waren. Ich hatte mir nie Gedanken gemacht über die wahre Natur des Lecks. Erst jetzt auf Lanzarote wurde ich der Brisanz bewusst. Gut 30 Liter Salzwasser hatten sich nämlich in der Bilge unseres Bootes angesammelt. Irgendwo im Apparat, so die messescharfe Schlussfolgerung, musste es eine undichte Stelle geben.

Nach Prüfung der üblichen Verdächtigen – Stopfbuchse, Ventile – einigten wir uns darauf, dass das Leck in der Ankerkiste zu finden sein müsste, dort wo wir vor drei Jahren schon einmal abgedichtet hatten. Um der Sache auf den Grund zu gehen, spritzte ich mit Hochdruck Wasser an die vermuteten Stellen. Vor allem die Kabeleinlässe der Ankerwintsch schienen uns suspekt. Agnes prüfte derweil die Unterwelt der vorderen Kabine auf frische Tropfen, mengenmässig hielt sich das ja alles im Rahmen mit den 30 Litern, aber genau das ist jeweils das Problem: Je kleiner das Leck, desto schwieriger ist es zu entdecken. Doch wir hatten Glück: beim zweiten Anlauf der Spritztour offenbarte sich klar eine Nässe im Alurumpf, die vorher nicht da gewesen war.

Im Bundeshaus wird jeweils die Bundesanwaltschaft beauftragt, die entstandenen Lecks zu stopfen. Auf unserem Boot mussten wir selber Hand anlegen. In mühseliger Arbeit habe ich zunächst die Kabeleinlässe für die Ankerwintsch neu gefasst. Da Agnes als kleinere Person gerade noch knapp in die Ankerkiste hinein steigen konnte, übernahm sie den Job des Dichtens mit Sikaflex 291, dem weltweit absolut besten Mittel, den es für diesen Zweck gibt.

Nun sind wir gespannt, ob wir in der Zukunft eine trockene Bilge haben. Wenn nicht, haben wir wenigstens die dort gelagerten Konserven mit wasserfestem Filzstift angeschrieben. Wasser löst nämlich die Etiquetten ab und unbeschriftete Konservendosen – egal ob mit Erbsli oder mit Schoggicreme gefüllt – sehen dann mitten auf dem Atlantik plötzlich alle gleich aus.

Samstag, 6. November 2010

Kochen und abwaschen

Grosse Frage nun: Ist die Wetterrechnung aufgegangen? Hat es sich gelohnt, hart am Wind zu segeln, damit wir möglichst östlich der Ideallinie bleiben würden?

Antwort: Es hat. Am Donnerstagnachmittag gab es für unseren Kurs noch immer einen guten Wind, nix von gegen uns drehend, sondern schön für uns. Noch besser: Die Wellen waren nun noch knapp 2 m, eine Höhe (und Länge), die unsere "Miranda" mit Grazie bewältigt. So hat sich dann die Stimmung an Bord sehr rasch gebessert. Man sass wieder zusammen im Cockpit und verkroch sich nicht sofort nach der Wache in die Koje, damit die Zeit im Schlafe vergehen würde.

Am Abend gab es wieder Tuna, den ich in einer Tomatensauce kochte und mit Teigwaren servierte, vielleicht nicht grad das hochkulinarischste Menu, aber: In der Küche stehen war wegen der Schräglage des Bootes (Krängung) immer noch anspruchvoll. Und wer sich bei solcher Kocherei nicht verkeilt oder wenigstens mit einer Hand festhält beim Hantieren, risikiert immer noch unschöne Verschüttszenen bis hin zu Verbrennungen. Das ärgste war dann der Abwasch. Es gibt unter erschwerten Umständen zwei Methoden: Entweder jedes Stück einzeln ergreifen, abwaschen, abtrocknen und versorgen, was zeitaufwändig ist. Oder dann alles abwaschen und in einem zweiten Becken zum trocknen und versorgen zwischenlagern. Nicht meine Lieblingstätigkeit muss ich sagen. Und manchmal beneide ich Leute, die an Bord eine Geschirrwaschmaschine haben und sich auf ihren Booten wie zu Hause fühlen.

Am Freitag schliesslich konnten wir den Lohn unserer Plackerei ernten: Wir waren fast zu weit weg auf der guten Seite der Ideallinie und konnten nun Kompassgrade verschenken. Wir öffneten die Segel, das Boot hatte nun weniger Schräglage, man hätte geradezu komfortabel abwaschen können. Und so segelten wir, begleitet von einem Sonnenuntergang, in die warme, mondlose Nacht hinein. Kurz vor Mitternacht legten wir im Süden von Lanzarote im Hafen der Marina Rubicon an, gleich neben einer Bar, die noch offen war. Was für ein Glück - das ich allerdings am nächsten Morgen büssen musste.

Thunfisch macht Fehler seines Lebens

Die gesammelte Wetterweisheit lautete, dass wir am besten am Mittwoch Richtung Lanzarote starten sollten. Wir müssten möglichst weit östlich segeln, um dann im Verlaufe des Donnerstag und Freitags unser angesammeltes Ost-Guthaben aufbrauchen zu können, wenn der Wind mehr und mehr gegen uns drehen würde. Gesagt, getan. Wir gingen hart an den Wind, kämpften mit 3.5m hohen Wellen, von denen uns die eine oder andere im Cockpit immer wieder (warm) duschte. Und mitten in diesem Kampf der Elemente machte ein Thunfisch den Fehler seines Lebens und biss in unseren Köder.
Wie soll man in einem solchen Chop als Steuermann das Boot verlangsamen, damit Jean-Pierre die Nylon-Leine mit dem Fisch am andern Ende aufrollen könnte? Ich tat mein möglichstes – und schliesslich war der unglückliche Bonito am Haken und an Bord – geschätzter Barwert gemäss Migros-Fischstand ca 80 Franken.

Am Abend wurden die Tranchen kurz in Olivenöl gebraten, mit Pfeffer und ganz wenig Salz gewürzt und mit Brot serviert – mein bestes Tuna-Sandwich. Zu mehr reichte es nicht, da Kochen während des harten Ritts einigermassen schwierig war – und wohl am Ende auch vergeblich, weil unsere Magennerven schon ziemlich angegriffen waren von diesm Stop and go in den Wellen.

Montag, 1. November 2010

Wetter IV

Wir sind auf dem Sprung nach Lanzarote, knapp 300 Meilen von Madeira aus, und das schon seit ein paar Tagen. Aber die Wettermodelle von www.grib.us sind jeden Tag anders. Heute besonders ärgerlich: Wenn wir die Prognose von heute Morgen gestern gehabt hätten, dann wären wir sicher gegangen. Aber gestern waren entlang der nordafrikanischen Küste stärkere Winde vorausgesagt also heute, bzw. als gestern für heute und morgen. Nun scheint es, dass sich die Winde neu östlich und eher auf das marokkanische Festland konzentrieren. Auch die Wellen geben uns zu denken. 6 Meter muss es nicht gerade sein. Der allgemeine Konsens der Crews im Hafen von Quinta do Lorde ist: die zweite Wochenhälfte erscheint einigermassen verheissungsvoll. Weil heutzutage die Wettermodelle bis 7 Tage im voraus erhältlich sind, wissen wir, dass wir spätestens bis Sonntag in Lanzarote sein sollten. Dann kommt ein happiges Tief aus dem Norden in unsere Gegend