Samstag, 19. Februar 2011

Auszeit bis Mitte März auf Guadeloupe

In 26 Stunden sind wir die gut 130 Meilen von St.Lucia nach Guadeloupe gesegelt, ein schöner Thörn mit gutem Wind - ausser entlang der Insel Dominica. Wir waren zu stark in die Abdeckung der gebirgigen Landschaft in unserem Osten geraten und so hat uns die Insel den Wind vorenthalten. Bei der Ankunft in der Bucht von Pointe-à-Pitre regnete es so heftig, dass die Landschaft hinter einem Wasservorhang verschwand. Der erste wirklich wüste Morgen im karibischen Insel-Paradies.

In Guadeloupe selbst ist alles französisch - und doch nicht: Strassennamen, Plätze, der Carrefour und was man sonst braucht zum Leben: Frankreich pur mit Baguettes und Paté. Aber die Menschen und lokalen Märkte sind karibisch inspiriert, auch gibt es die typischen Hütten-Siedlungen der Armen, die wir auf andern Inseln der Karibik gesehen haben.

Wir sind hier bis mindestens Mitte März. Und nehmen Ferien vom Bootsalltag. Das bedeutet auch, dass es im Blog erst in der zweiten Hälfte März wieder etwas Neues zu lesen gibt. Wir freuen uns deshalb über alle LeserInnen, die in der Zwischenzeit die Sachen der letzten Monate lesen, als seien sie gestern geschrieben worden.

Dienstag, 15. Februar 2011

"Wir beneiden Euch"

Oft schreiben uns Bekannte, dass sie das Leben auch mal so geniessen wollten wie wir auf unserem Boot hier in der Karibik - und dass sie uns beneiden würden. Auf den ersten Blick ist klar, was darunter zu verstehen ist: Tagsüber irgendwann durch einen lokalen Markt zu spazieren und die schönsten exotischen Früchte auswählen, abends dann im Cockpit des Bootes sitzen in einer ruhigen Ankerbucht und dem Sonnenuntergang zuschauen. Und anderntags mit gutem Wind und wenig Wellen weiter segeln.

Doch neben solchem offenkundigen Genuss gibt es eine weitere Kategorie, bei der nicht so offensichtlich ist, um was genau man uns beneiden sollte. Gestern musste ich mit unserem Lastrolli und leeren Bidons Diesel holen gehen, kurvte dann auf dem Heimweg entlang einer viel befahrenen Strasse mit den 60 Litern um Wasserpfützen herum und spürte meinen Tennis-Ellbogen sowie die Abgase der Lastwagen. Heute nun warten wir auf einen Handwerker, der unser Dinghy reparieren könnte. Falls die Kosten dafür einigermassen im Rahmen liegen. Sonst würde ich es selber versuchen.

Was ist bei diesen Beschäftigungen bzw. dem Warten nun der Lebensgenuss? Die Antwort ist nicht so offenkundig wie beim Sonnenuntergang. Zu beneiden bin ich beim Dieselschleppen vor allem deshalb, weil die Mühsal bei 25 Grad im Schatten stattfindet und nicht bei Schneegestöber und Glatteis. Das Warten auf den Handwerker überbrücke ich mit Lektüre über Reparaturen von Gummibooten und lerne Neues über Materialien, die ich bisher nicht kannte (Hyphalon). Das ist unterhaltend und interessant. Und weil der Handwerker immer noch nicht kommt, lese ich in einem Roman weiter, was ich mir an einem gewöhnlichen Nachmittag unter der Woche als Arbeitnehmer nicht hätte leisten können. Ueberhaupt: Zeit zu haben, ist vielleicht das beste. Früher hätte mich eine Wartezeit am Zoll aufgeregt. Heute setze ich mich in Soufriere auf die Treppe und gucke eine halbe Stunde lang, was alles abgeht auf der Strasse.

An diesen Beispielen wird vielleicht klarer, was der Lebensgenuss sein könnte: Wir tun alles, was wir tun, aus eigenem Antrieb, nicht weil wir müssen, nicht weil es zum Job gehört und wir einen Chef im Nacken haben. Dass wir nach mühseliger Seglerei und Stampfen in den Wellen oft erschöpft sind, ist natürlich kein Genuss. Auch Dieselschleppen nicht und irgendwelche Wartereien für sich genommen auch nicht. Aber alles zusammen ist Teil eines höchst abwechslungsreichen Alltags, den wir selber bestimmen und in welchem wir eigentlich keinem Druck und keinen Zwängen ausgesetzt sind. Das ergibt unter dem Strich jenes Leben, um das uns andere Menschen vielleicht manchmal beneiden.

Montag, 14. Februar 2011

Skype

Sie sitzen auf dem Vordeck oder im Cockpit ihrer Boote, an einsamen Tischchen in der Bar – oder sie stehen am Strand, den Laptop in der Hand und die Stöpsel im Ohr. Und sie reden. Das sind die Skyperinnen und Skyper, die via Wlan ihre Lieben zu Hause anrufen. Es macht halt einen Riesenunterschied, nicht nur Mails zu verschicken, sondern hin und wieder eine liebe Stimme auch zu hören – und zwangslos zu plaudern. Skype ist unter den Expats - mit und ohne Boot – längst zum Standard geworden.

Was ist so gut an Skype, dem Telefon via Internet? Erstens: Nicht alles ist gut. Oft hat man eine schlechte Verbindung; deshalb testen wir Skype immer zuerst mit versierten Skypern am andern Ende der Leitung. Und rufen erst dann die Gotte in Bern an, welche, noch an traditionelle Telephonie gewohnt, irritiert wäre, wenn die Stimme ihres Patenkinds während des Gesprächs immer mehr in einer Konservendose verschwindet. Der Fachausdruck dafür heisst offenbar Fading.

Wenn aber ein guter Wlan gefunden ist, kennt Skype keine Grenzen. Grösster Vorteil ist, dass man von jedem Ort aus jene speziellen Nummern anrufen kann, 0848er Anschlüsse in der Schweiz zum Beispiel oder 800er in den USA, die sonst aus dem Ausland unerreichbar oder teuer sind. Wie konkurrenzlos gut Skype ist, zeigt das folgende Beispiel: Der Anruf auf eine 800er Nummer in den USA von einem Pay phone aus in St. Lucia ist ohne weiteres möglich, aber kostenpflichtig. Letzteres wäre im Prinzip durchaus akzeptabel, doch leider gibt es für das Münztelefon nur Telefonkarten bis maximal 4 Dollar. Diese hatte ich im Fall einer Fluggesellschaft aufgebraucht, noch bevor sich eine Salesperon meldete, welche im Moment meines Anrufs gerade other customers bediente.

Es ist also nicht mal so sehr der Gratis-Aspekt, der bei Skype überzeugt, sondern ganz einfach, dass Skype alle Grenzen des Telefonierens überwunden hat – und für diesen Service eigentlich sehr viel mehr verlangen könnte als ein paar Cents für eine wirklich gute Verbindung zur Gotte in Bern oder zu einem Callcenter in den USA.

Dienstag, 8. Februar 2011

Der Teufel und seine Krallen

In unserer lockeren Serie "Farbige Begriffe des Segelns" haben wir bereits Schmetterling und Bullenstander behandelt und uns sogar schon in die französische Sprache ("ciseaux") gewagt. Weil wir gestern bei "Water World" in Rodney Bay (St. Lucia) eine Teufelskralle gekauft haben, erklären wir heute diesen Begriff.

Also: Bei der Teufelskralle handelt es sich nicht um die Blume, sondern um einen eisernen Haken, der an einer Leine festgebunden ist und die Ankerkette krallt. Zweck des Hakens ist, dass die Kette am Bug entlastet ist und jene Knallgeräusche ausbleiben, die einen nachts in der Ankerbucht hochschrecken lassen mit der bangen Frage "Jesses, was ist mit der Kette los!". Eine Leine hingegen macht - wie die LeserInnen einer Zeitung - keinen Lärm, weil sie keine Kettenglieder hat, die sich mit dem hin und her schwankenden (schwojenden) Schiff lautstark bewegen könnten.

Interessant ist jedoch meiner Meinung nach nicht eigentlich die Funktion, sondern der Begriff der Teufelskralle selbst, weil er davon ausgeht, dass der Teufel Krallen hat (zu den Hufen seiner Hinterbeine). Ich selbst sehe den Teufel jedoch nicht mit Krallen, sondern mit fein manikürierten Männerhänden. Ich würde unseren Haken deshalb eher Teufelshand nennen, wobei dann das kraftvolle im Begriff fehlt. Die Teufelskralle vermutet den Teufel irgendwie als einen starken Kerl. Ist er das? Mein Teufel ist eher ein bisschen ein gemeiner Schwächling, so eine Art Abteilungsleiter, der einem wortlos über seine Lesebrille hinaus anguckt. Und ich kann mir schwer vorstellen, dass mich dieser Chef krallen und meine Füsse näher ans Höllenfeuer ziehen würde. Aber solche Mutmassungen sind natürlich immer sehr individuell.

Samstag, 5. Februar 2011

Innovative Wassertaxis

Im Inselparadies der Tobago Cays haben wir ein interssantes Business-Modell kennen gelernt. Die Inhaber von Wassertaxis holen die Yachties am Abend von ihren Booten ab und fahren sie auf eine kleine Insel. Dort weisen sie ihren Gästen einen Tisch zu und servieren dann grillierten Fisch und Huhn mit Reis. Wohlverstanden: Die Wassertaxifahrer servieren, nicht die Betreiber des Grills, die etwas weiter entfernt von der improvierten Inselbeiz nur für die Zubereitung der Speisen zuständig sind. Am Ende der Mahlzeit bringt dann der Taxifahrer seine Gäste wieder zurück aufs Boot und kassiert dort einen Gesamtpreis - also Fahrt hin und zurück inkl Mahlzeit.
Man weiss bei dem Angebot nicht, was das Essen kostet in dem entrichteten Betrag und wie hoch die zwei Fahrten mit dem Dory veranschlagt worden sind. Ungewöhnlich? Ueberhaupt nicht: Die cleveren Unternehmer handeln nach dem gleichen Modell wie Fluggesellschaften. Auch beim Fliegen wird ein Transport von A nach B (und je nachdem zurück) angeboten. Und bei langen Flügen wird ein Essen serviert, dessen Preis man in der Holzklasse nur ahnen kann (8.50 Fr. für ein Lunchtablett?) und den auch der First-class-Passagier für sein üppiges Mahl nicht kennt. Er entrichtet dem Transporteur einen Gesamtpreis und der Transporteur selbst bezieht das Essen von einem Caterer - und bezahlt diesen.
Das Businessmodel der Wassertaxifahrer wäre doch eine Idee für das träge und teure Zürcher Taxigewerbe, das nicht gerade innovativ ist, sondern noch immer das exakt gleiche Produkt anbietet wie vor 50 und mehr Jahren. Wäre es nicht Zeit für neues Angebot? Hier ist es: Wir lassen uns künftig zu Hause per Taxi abholen und ins Restaurant fahren, dann nach drei Stunden geht's wieder zurück - zu einem Inklusiv-Preis von, sagen wir mal, 99 Franken pro Person innerhalb des Stadtgebiets. Wäre das nicht ein Versuch wert? Auf den Tobago Cays funktionierts.

Donnerstag, 3. Februar 2011

Bei Robert Righteous

Wir wollten nach Union Island, in Schweizer Kategorien gesprochen ist die Insel das Grindelwald der Karibik. Dort nämlich, im Hafen Clifton, sammeln sich alle, die aufs Jungfraujoch wollen – das sind karibisch betrachtet die Tobago Cays, der Inbegriff der karibischen Welt: Palmen, weisser Sand, türkisgrünes Meer und ein Riff, in dem man stundenlang schnorcheln kann. Doch unser Weg nach Grindelwald endete zunächst auf der Insel Carriacou, wo wir erschöpft den Kampf am Wind und gegen Wellen für den Tag aufgaben. Unser Boot ist nicht gern am Wind und das bekamen wir brutal zu spüren. Für den unverhofften Zwischenhalt im Dorf Hillsborogh wurden wir allerdings reich belohnt: wir entdeckten nämlich in einem modernen Take away ein feines Jerk Chicken für den Znacht und vergassen die Mühen des Motorens und Fightens. Am nächsten Tag dann tuckerten wir erholt nach Union Island, wo mindestens 50 Yachten ankerten.


Von dort wollten wir nicht die Südpassage nehmen, eine Diretissima zu den Cays, die in den Führeren als etwas riskant beschrieben wird. Wir motorten deshalb nach Meyreau. Und machten uns sofort auf zu Robert Righteous, dem Besitzer eines bunten Restaurants, wo den ganzen Tag Bob Marley läuft, weil der Rasta-Mann Robert ein lebenslanger Fan des Musikers ist. Aber Robert ist auch Unternehmer, hat seit unserem letzten Besuch bei ihm vor 10 Jahren die kleine Bar zu einem Restaurant umgebaut. Er zeigt uns stolz einen neuen VIP Dinning Room mit Flachbildschirm und Aussicht auf die Meeresbucht, die Küche und das DJ-Pult..

Ueberhaupt: Das Dorf Meyreau scheint in schnellem Aufstieg begriffen. Robert selbst baut in der Nähe ein zweites Cafe und ein Wohnhaus mit Fremdenzimmern, wie das in unseren Toursmusgebieten heisst. Ueberall sind neue Häuser entstanden. „Es gibt aber auch Probleme“, sagt Robert, „die Preise steigen.“ Meine Frage bei soviel Bauboom: Wie macht man das mit der Baueingabe? Robert sagt, Freunde von ihm in der Hauptstadt Kingston (auf der Hauptinsel des Staates St. Vincent) würden jeweils die von ihm gezeichneten Pläne einreichen – und er selbst telefoniere dann noch mit der Baukommission, wenn es etwas zu erklären gebe. „Du verlässt Meyreau nie mit der Fähre Richtung Hauptstadt?“ „Nein, ich bin immer hier“, sagt Robert, dessen Vater starb, als er 5 Jahre alt war. Die Mutter verliess die Kinder wenig später, um nach Trinidad arbeiten zu gehen. Die Kinder wuchsen bei Verwandten auf.

Robert ist selber Vater von vier Kindern und hat Grosskinder. Esrine, die älteste Tochter, ist Primarlehrerin im Dorf und kommt an dem Nachmittag schnell vorbei, weil die Schule mittlerweile zu Ende ist. Esrine unterrichtet die Kleinsten, wie sie sagt. Später sage ich zu Robert: „Wir haben in der ersten Klasse noch mit einer Schiefertafel begonnen“, Robert sagt lachend: „Wir auch. “ „Und auf Papier geschrieben haben wir später noch mit einer Feder, die man in ein Tintenfass eintauchte.“ – „Wie wir“, lacht Robert. Offenbar sind die Unterschiede der Schlsysteme nicht so gross, wie man das manchmal denken würde.


Wir verabschieden uns von Robert und machen uns auf den Weg Richtung Tobago Cays, ein Muss jeder Reise durch die Karibik, wie das Jungfraujoch für Touristen in der Schweiz. Aber eigentlich hat mich Robert Righteous mehr fasziniert als das Palmenparadies. Weil Roberts Geschichte eine Erfolgsgeschichte ist – und wegen der Schiefertafel – seiner und meiner.

Mittwoch, 2. Februar 2011

Husten und Schoggi


Gestern haben wir eine Kooperative gesucht, wo Gewürze und Heilkräuter anpflanzt und verkauft werden. Für 10 EC-Dollar bekamen wir eine Führerin, die sich mit dem schönen Vornamen Hazel-Anne vorstellte und die uns durch den Garten begleitete. Bei jeder Pfanze, die sie uns nahe brachte, gab sie jeweils den kulinarischen oder medizinischen Zweck an. Erstaunlich viele Blätter und Wurzeln aus dem Garten sind laut Hazel-Anne gut "gegen Husten". Das nahm mich nun doch sehr Wunder, weil ich dachte, wir seien den Breitengraden mit winterlichen Erkältungen erfolgreich entronnen. Dass Menschen in der Karibik den Pfnüsel haben und husten, kann ich mir schlicht nicht vorstellen. Doch Hazel-Anne sagte, besonders in der Regenzeit hätten auch auf Grenada viele Leute Erkältungen , besonders Kinder.

Einen Tag davor hatten wir eine andere Kooperative besucht, die als touristisches Oeko-Projekt in Prospekten aufgeführt ist. Es handelt sich um eine ehemalige Plantage, wo die Bauern heute ihre Kakao-Bohnen abliefern, damit sie getrocknet und dann exportiert werden. Wir guckten den Kakao-Bohnen beim Trocknen in der Sonne zu, bzw. den ArbeiterInnen, die in den Kakao-Bohnen wateten. "Walk the beans" lautet das kunstvolle Schlendern auf den Bohnen-Brettern, damit die Bohnen gleichmässig trocknen.
Die meisten der Emballage-Säcke mit der Aufschrift "Belmont" würden in die Schweiz geliefert, sagte man uns. Ein kleiner Teil jedoch geht in eine lokale Kleinst-Schokoladefabrik auf der Insel, wo eine feine, dunkle Schokolade hergestellt wird, die bis zu 82 Prozent Kakao-Anteil hat. Sie wird in den Supermärkten der Hauptstadt neben Lindt&Sprüngli-Tafeln angeboten - klar dass wir die lokale Marke gekauft haben.