Freitag, 24. Juni 2011

Sieg über einen verbogenen Pfosten

Es ist schon komisch, dass man als Pensionierter und berufsmässiger Müssiggänger das Gefühl haben kann, Ferien echt verdient zu haben. Oder jedenfalls eine Atempause nach Ueberholungsarbeiten am Boot, die eine Achterbahn aus Frust, Glücksgefühl, Schwerarbeit und begangener oder auch nur knapp vermiedener Fehler waren. Nehmen wir als Beispiel den verbogenen Pfosten an Deck, dessen Auswechslung eine Sache von Minuten wäre. Wäre, wenn das Ding sich nicht total korrodiert präsentiert hätte und am Schluss nur eines blieb: der ganzen Anlage mit zwei verschiedenen Trennscheiben zu Leibe rücken, die mir Earl ausgeliehen hatte.

Der Kollege von Paul mit seinem unerschöpfplichen Arsenal an Maschinen erwies sich als wahrer Glücksfall an selbstverständlicher landestypischer Hilfsbereitschaft. Am Schluss scheiterte die Aktion aber beinahe noch an einem zu kurzen Schraubvorsatz. Doch nach dem Motto „Every project calls for new tools“ posteten wir bei „Ace“ einen sagenhaften Langschaft-Schraubvorsatz, von dessen Erfindung ich keine Ahnung hatte; Paul gab den entscheidenen Tipp. Wir fuhren gemeinsam zu „Ace“, kauften zwei Stück des Schrauberdings, setzten ihn in die Bohrmaschine ein – et voilà.
So verbringt man sein Leben. Und kann dereinst sagen, dass man einen Relingpfosten und dessen Halterung (siehe Bild) nach nicht endenwollendem Kampf besiegt hat. Die gesegelten Meilen verschwinden hinter solchen Leistungen – und das ist auch gut so. Denn – ich zitiere einen weitgereisten Skipper: „Ein bisschen Reffen kann jeder, wenn der Wind zunimmt, aber gut reparieren ist eine ganz andere Sache.“

So habe ich nun das Wochenende verdient, was überhaupt das beste ist bei meiner 5-Tages-Plackerei: Ich habe wieder einen Arbeitsrhythmus und ergo auch ein freies Wochenende. Und muss nicht mehr fragen, was heute für ein Tag sei, weil die Zeit auf See jeweils total unstrukturiert zerrinnt. Ein verbogener Pfosten hat also durchaus seine guten Seiten. Und der neue Pfosten in seiner Halterung sieht wirklich schön aus.

Mittwoch, 15. Juni 2011

Gebell und rote Bohnen

Gestern nahmen Luke und ich das Ruder auseinander und ich montierte neue Leitungen an den Hydraulikzylinder, an welchen ich dann einen Kübel Wasser hängte, um das System zu testen, bevor das Ruder wieder mühsam montiert würde. Leider waren nun nicht mehr die Leitungen undicht, der ursprüngliche Grund der Reparatur, sondern der Zylinder selbst sonderte ein hellgelbes Wasser ab. Und so stand ich am Mittag überraschend vor der Frage: Wo repariert im südlichen Maryland jemand meinen französischen Hydraulikzylinder?

Luke wusste dazu folgendes: Ich müsse auf der Route 235 ein paar Meilen fahren, bis ich zu einem gelben Briefkasten käme. Der Name des Hydraulik-Shops selbst sei ihm leider entfallen. Doch was er wisse, sei noch dies: Wenn ich rechter Hand die Sandgates Road sähe, sei ich bereits zu weit gefahren. Gesagt getan. Und prompt kam ich nach gut 11 Meilen an der Sandgates Road vorbei, drehte folgerichtig um und nahm einen zweiten Anlauf. Da war er ja, der gelbe Briefkasten, den ich bei der ersten Durchfahrt übersehen hatte. Ich bremste scharf ab, bog von der Route 235 auf einen Dreckweg ab und sah von weitem eine Art offene Blechscheune. Links davon war ein Hundezwinger, in welchem ein deutscher Schäfer wie irre bellte und sich dabei um die eigene Achse drehte. Ich stieg aus und nahm an, dass dieses rechtsdrehende Biest wohl nichts Gutes im Sinn hatte. Ich war deshalb froh, dass ein Zaun mich von dem Hund trennte.
Nun trat ich in einen kleinen Werkstattladen rechts vom offenen Scheunentor ein und gleich kam ein Mann aus einer Art Hinterzimmer: Graues Haar, stahlblauer Pullover, ein rosige, ungesunde Gesichtshaut, glasige Augen.
"No way“ sprach er mit einer Grabesstimme, als ich ihm meinen Hydraulikzylinder präsentierte. Ob er wisse, wer das Ding flicken könne, frage ich. „No idea“, tönte es erneut im tiefstem Bass, wie er hier gerne für suggestive Radiowerbung („You have to get it!“) verwendet wird. Jetzt sagte ich beinahe flehend: „You know, it’s metric, it’s french” Doch das Rosagesicht drehte sich bereits ab, wünschte mir dann aber, wieder halb zu mir gewendet, doch noch ein tiefstimmiges “Good luck”.

Als ich aus dem Laden trat, rannte der Schäfer bellend entlang dem Zaun. Offenbar versprach er sich davon mehr Abschreckung als mit dem irren Drehen von vorhin. Ich sagte zu ihm : „Alles Gueti, gäll !“, die schweizerdeutsche Variante von Good luck, und stieg ins Auto ein.

Zurück beim Boot schaute ich im Internet nach und fand „Southern Maryland Hydraulics“ und den viel versprechenden Hinweis „metric fittings“. Ein Anruf - in Amerika muss man immer zuerst anrufen, bevor man irgendwo hin fährt - tönte gut. Und so fuhr ich wieder am gelben Briefkasten vorbei auf der 235, aber diesmal viel weiter, bis nach Waldorf nämlich, ca. eine Stunde Fahrt, bog dann links ab von der 235, Richtung Irongate Drive 18, wo der Chef von "Southern Maryland Hydraulics", ein hagerer Kerl im Pensionsalter, an einem Tisch hinter einem Kundenschalter sass und gerade rote Bohnen aus einem weissen Plastikteller löffelte. Daneben hatte er eine Büchse Cola Light.
Auf die Frage, ob er meinen Hydraulikzylinder flicken könne, sagte er: „Sure.“ Und seine Sekretärin, die seine Tochter hätte sein können (und es wohl auch war), brachte gleich ein Namensschild an und legte das Teil auf ein Gestell. Auch meine zweite Frage, wann ich es wieder abholen könne, beantwortete der Mann in einem einzigen Wort: „Tomorrow.“ „Ok“, sagte ich, „dann rufe ich Sie morgen an.“ „No, we call you“, sagte er nun in einem ersten vollständigen Satz. Und beim Wort „call“ öffnete er den Mund ungewöhnlich weit, so dass ich darin die roten Bohnen erblickte, die er gerade hinein geschoben, aber noch nicht gekaut hatte. Mir schoss die Frage durch den Kopf, ob diese Bohnen sein Mittag- oder eher sein Abendessen seien, denn es war mittlerweile 16 Uhr geworden.

„Oh, sure“, antwortete ich, und vielen Dank und „Good bye“. Und natürlich „Have a great evening". Dann stieg ich ins Auto und fuhr zurück. Auf der Heimweg dachte ich, dass dies trotz allem ein interessanter Bootsarbeitstag gewesen sei.

Montag, 13. Juni 2011

How was it?

West Marine, mein Bootsladen, will wissen, ob der neue Autopilot meine Wünsche erfüllt und wie’s mit der Zustellung geklappt hat. Die US-Bank nimmt es noch genauer und möchte die Frage klären, ob die Eröffnung des Kontos speditiv erfolgt sei; dann geht’s noch mehr ins Detail: wie beurteile ich die Navigation beim Anmeldevorgang, wird gefragt, und was halte ich von der angebotenen Hilfe per Helpseite/Livechat/Mail.

Burger King schliesslich fragt auf dem Kassenzettel kurz und bündig: „How was it?“ und bietet ein Gratis-Menu an fürs Mitmachen bei der Survey, sofern selbige innerhalb von 48 Stunden erfolgt. Void where prohibited by law! One coupon per customer! Legaleese halt, für das die Disclaimer-Anwälte 400 Dollar pro Stunde kassieren.

Die Befragung von Kunden nach getätigten Einkäufen bzw. erhaltenen Dienstleistungen ist so häufig, dass nur die Dümmsten ihre Zeit noch gratis hergeben, um die Unternehmen in ihren Marketinganstrengungen zu stärken bzw. den Profit zu maximieren. Denn darum geht es doch, oder?
Der Bootsladen zum Beispiel schreckt nicht davor zurück, zu fragen, ob man die Preise als "zu hoch" bzw. "zu niedrig" beurteile. Selbstverständlich kreuze ich „zu hoch“ an, Schlaumeier, der ich bin, denn ich möchte West Marine mit meinem kleinen Survey-Beitrag zu Preissenkungen veranlassen und hoffe dabei, dass andere Surveyisten meiner Logik folgen. Wer „zu niedrig“ wählt, würde sich in der anonymen Masse der Konsumenten automatisch als Preistreiber schuldig machen. Gut wäre allerdings, wenn man die Wahl hätte, anzukreuzen: „Zu niedrig, wenn Sie anständige Löhne bezahlen müssten.“ Aber das ist ein anderes Thema. Die ganze Umfragerei spielt sich ohnehin in einem engen Korsett gängiger Zufriedenheitsanforderungen ab; Platz für eine ideologische Diskussion gibt es da nicht.

Ich wette, dass in der Schweiz das Tool der Kundenbefragung bald auch seinen Siegeszug durch die Waren- und Dienstleistungswelt antreten wird. Ich erlaube mir deshalb gleich mit dem guten Beispiel voran zu gehen und frage Sie: Wie war dieser Blogbeitrag? Zu lang, zu kurz?
Und wie war der Schluss? Zum Gähnen?
Wie bitte? Korrigieren Sie das bitte sofort!
So ist gut! Vielen Dank, dass Sie an der Umfrage teilgenommen haben. Have a nice day.

Donnerstag, 9. Juni 2011

Unsere Miranda - frisch gestrichen

Bei 35 Grad am Schatten und einer brutal hohen Luftfeuchtigkeit hier in Solomons ist mein Hirni weich geworden, sodass ich die Arbeit am Boot einstellte. Dreimaliger Gang zu einer Miniute Maid zwecks Bezug von Fanta hat da gar nichts mehr genützt, ja den Zustand langsamen Denkens eher verschlimmert. Doch für ein Photo reichte es noch. Und ich muss sagen: Unsere Miranda sieht schick aus, ich habe das frühere Eierschalenweiss am Rumpf durch ein weisses Weiss ersetzt, was mehr Ovni-Look ergibt. Die Wasserlinie habe ich mit Trilux-Antifouling - leider nur in Off-White erhältlich - gestrichen, nachdem die ursprüngliche Zwei-Komponenten-Farbe dem Salzwasser nicht standgehalten hatte.
Das Bild ist extra aus einer gewissen Distanz aufgenommen worden, weil aus der Nähe betrachtet, sich schon der eine oder andere Patzer erkennen liesse. Und das wollten wir vermeiden. Die richtige Reihenfolge wäre gewesen, das Deck vor dem Aufkleben des neuen Antiskid zu schleifen, dann den Treadmaster aufzukleben und dann zu malen. Doch die Chance wurde 2006 verpasst, als die neuen Anti-Rutschmatten montiert wurden. Und so ist das Boot nun halt nur aus der Ferne eine wirkliche Beauty.