Samstag, 26. Mai 2012

Freundliche Reparaturen


Wir sind nun an Land in einem kleinen Boatyard etwas ausserhalb von St.George. Die Menschen hier sind  freundlich, zuverlässig und kompetent – was will man mehr bei einer anstehenden Reparatur. Mit Glenn zum Beispiel, unserem Mechaniker, verstehen wir uns so gut, dass die Arbeit geradezu vergnüglich ist und man sich beinahe wünschte, es wäre mehr kaputt, damit man den sympathischen Mann länger an Bord haben könnte.

Uns so ist es gekommen: Es ist in der Tat mehr kaputt ist, als wir unterwegs gedacht hatten.


Bevor ich die Details der neusten Entwicklung schildere, muss ich mich  zunächst  bei unserer Stopfbuchse in aller Form entschuldigen, dass sie  in einem vorangegangenen Blogbeitrag  indirekt als fehlerhaft bezeichnet worden ist. Ihre Anwälte und meine haben inzwischen  eine Erklärung ausgearbeitet, in der es unter anderem  heisst: „Wenn der Eindruck entstanden  sein sollte, dass die Stopfbuchse Schuld an den Vorkommnissen südwestlich der Insel Bermuda  gehabt haben sollte, bedauert dies Thomas Rüst. Die Stopfbuchse ihrerseits akzeptiert die Entschuldigung und verzichtet auf weiter gehende  Forderungen.“  Letzteres ist, wie man sich denken kann,  nicht ganz unbedeutend für uns  angesichts der unvorhergesehenen  Auslagen mit der Reparatur.

Hier nun das ist das neuste:  Als wir gestern beim Ausbauen der Propellerwelle waren, stellte Glenn  eine ungewöhnliche Neigung des Motorblocks fest. Eine Inspektion ergab, dass die vorderen Motorhalterungen gebrochen waren, beide in einem fadengraden, vertikalen Schnitt der Metallplatten,  an denen die Füsse an den Motorblock angeschraubt sind.  Die falsche Neigung des Motors hatte dann die Stopfbuchse zugesetzt und  sie war undicht geworden. Unglaublich das ganze! Wir haben keine Ahnung, wie eine solche Belastung auf den Motorhalterungen entstehen konnte und fünf Millimeter dickes Metall senkrecht durchtrennt wurde. Am ehesten denke ich, handelt es sich um einen Ermüdungsbruch. Aber gleichzeitig bei beiden Halterungen?

Glenn hat die gebrochenen Teile ausgebaut und  mitgenommen, um sie zu schweissen – und dann sehen wir weiter.

 In der Zwischenzeit sind wir Touristen in der kleinen Stadt und erleben die weltweit freundlichsten Taxifahrer. Gestern  abend hat uns einer mitgenommen von der kleinen Werft in die Stadt – und dafür nicht einmal die  Fahrtaxe verlangt. In Zürich ist es normal, dass man bereits sechs Franken (oder sind es inzwischen mehr?) auf dem Zähler hat, noch bevor das Fahrzeug sich in Bewegung gesetzt hat. Hier hat uns der Fahrer, der wohl zusammen mit seiner Frau auf dem Heimweg war,  nach der Fahrt am Ziel  gesagt, es sei nichts auf dem Zähler und wir bräuchten nichts zu bezahlen: „I gave you a ride.“

Donnerstag, 24. Mai 2012

Abgeschleppt

Wir sind am Anker in St.George, es ist Nationalfeiertag auf Bermudas und wir sind fixundfoxi. Gestern abend hatten wir überraschend ein Leck festgestellt an der Stopfbuchse. Das ist die Stelle, wo die Propellerwelle ins Bootsinnere kommt und die deshalb dicht sein muss, gleichzeitig aber dafür zu sorgen hat, dass sich die Propellerwelle drehen kann. Die erste Erkenntnis bei der Panne  war: Es geht schon verdammt schnell, bis verdammt viel Wasser im Boot ist und die Pumpen mit knappen Schlauchdurchmessern überfordert sind. Erste Priorität war nun, das Leck an der Stopfbuchse abzudichten.
Den Motor konnten wir natürlich nicht mehr benutzen und so übten wir uns nach getaner Leckdichtung und Pumparbeit im Flautesegeln. 25 Seemeilen entlang der Südküste von Bermudas können da plötzlich sehr lang sein, gegen Morgen kam Nebel auf und irgendwie hatten Agnes und ich das Gefühl, jetzt gilt es ernst mit dem Segeln - Schluss mit billigem Motoren.
Mit der Seebehörde von Bermuda standen wir in Kontakt; ein freundlicher Funker fragte uns, ob wir eine Rettungsinsel an Bord hätten - eine Frage, wo man plötzlich denkt, ja ist es denn sooo ernst? Und Bermuda Control wollte auch, dass wir uns regelmässig melden und gab uns dafür Uhrzeitvorgaben. Dann haben sie uns die Wettervorhersage vorgelesen: bis und mit Montag...
Am Donnerstag morgen meldete sich dann der Mann am Funk aber erneut mit einem herzlichen "Guten Morgen" und der Nachricht, dass er eine US-Mega-Yacht ausfindig gemacht habe. Sie fahre auf gleichem Kurs wie wir und sei bereit, uns abzuschleppen. ETA 30 Minuten. Und in der Tat: eine halbe Stunde später tauchte ein Ungetüm aus dem Nebel auf und ich schwöre jetzt und für immerdar, nie mehr etwas Abfälliges über Ami-Millionäre zu sagen, die Megayachten haben. Der Kapitän der "Harbour Island", wohl ein Angestellter des Millionärs,  nahm uns mit einem gekonnten Manöver an den Haken, unterstützt von seiner Profi-Crew. Wir waren von nun an sozusagen sein nachgeschlepptes Gummiboot: In rasender Fahrt ging's Richtung St. George. Dort im Hafen hiess mich der Kapitän, die Abschleppleine zu lösen - und verschwand. Seine Dienste waren ganz offensichtlich ein Geschenk, Bermuda Rescue übernahm nun den Rest und half und beim Ankern.
Alles gut gegangen also. Wir hatten Glück, dass die Stopfbuchse nicht 500 Meilen vom nächsten Hafen weg, sondern nur 25 Meilen weg ihren Geist aufgab. Nun müssen wir die Reparatrur organisieren. .

Dienstag, 22. Mai 2012

Nachtrag zur Sturmtaktik - ein Fall für Beidrehen


Unsere Taktik ca 300 Seemeilen südwestlich vor Bermuda am 21. Mai 2012 angesichts der Sturmwinde aus Süden: Wir liefen zunächst in südwestlicher Richtung ab, in der Hoffnung aus dem Gebiet mit den Starkwinden herauszukommen. Später, als dies erreicht schien, versuchten wir nordöstlich zu gehen. Dies wurde kurze Zeit später vereitelt durch die erneute Zunahme des Windes. Wir gingen nordwestlich, schliesslich wieder südwestlich nach der Taktik vom Morgen.

Dann sieht man uns auf nördlichen Kurs, das war, als wir beigedreht lagen von ca Mitternacht bis 3 Uhr am 22. Mai. Schliesslich nehmen wir den ursprünglichen Kurs wieder auf (links im Bild) und versuchen, östlich zu segeln, was gar nicht so schlecht gelingt.

Fazit: Wir hätten von Anfang an Beidrehen sollen; das härte uns nördlich versetzt, sehr komfortabel und ohne viel Meilen zu verlieren. Statt dessen versuchten wir, mit dem Kopf durch die Windwand zu gehen, was uns ruppige Stunden beschert hat. Das Boot allerdings benahm sich mit 3. Reff und einem Fetzchen Genua sehr tugendhaft, war gut balanciert; auch die Windsteuerung arbeitete perfekt.

Montag, 21. Mai 2012

Im Sturm

Dass wir am Sonntag in ein Starkwindband hineinsegeln würden, hätten wir uns nicht gedacht, um so mehr als das Tief westlich vor Bermuda bereits vor unserer Abfahrt in Jacksonville auf den Langfristprognosen aufgetaucht war. Auch als wir gestern morgen unsere Position in die Wetterkarte übertrugen, schien die Distanz zum Wind mit über 30 Knoten knapp 100 Seemeilen.
Doch kaum war die Tinte im Logbuch trocken, hob ein Wind an, der uns schnell auch das dritte Reff einziehen liess. An Vorwärtskommen war nicht mehr zu denken, wir prallten kursmässig gesagt an eine undurchdringliche Wand und so segelten wir zurück in der Hoffnung auf ruhigere Gewässer. Doch auch da täuschten wir uns zunächst. Als es dann um 18 Uhr etwas ruhiger wurde, schaute ich eine Lokalprognose an und die sagte für die nächsten Stunden 20 bis 25 Knoten Wind voraus. Das ginge ja noch. Wir feierten Happy hour, dann gab es einen feinen selbstgemachten Linseneintopf, frisch gebackenes Brot weasr auch da.
Nur: Unser Optimismus hinsichtlich der Wetterentwicvklung war zu gross, wie sich eine Stunde später zeigte, als erneut ein Sturm losbrach. Wir änderten einen inzwischen eingeschlagenen nördlichen Kurs und liefen erneut südlich ab. Muss interessant aussehen auf dem Tracker, unser Sonntagsvergnügen. Es wurde erneut ein ruppiger Ritt, den Agnes auf ihrer Wache jedoch gleichmütig hinnahm. Als ich um Mitternacht wieder dran war, entschieden wir uns – endlich, kann man sagen – zum Beidrehen. Als Agnes dann vor dem Schlafengehen noch meine Lieblingsguetsli hervor holte, war die Welt für mich schon fast wieder perfekt.
Um drei Uhr war auch der Spuk mit dem Wind endlich zu Ende, der Wind stellte ab und wir motorten nun in einer aufgewühlten See endlich wieder Richtung Bermuda. Wir hatten einen Tag verloren auf unserer Reise, doch distansmässig waren wir nur etwa 25 Meilen zurückgedrängt worden. Das Boot war immer in guter Verfassung, ausbalanciert, auch die Windsteuerung war nie überfordert. Die weiteren Verteidigungslinien, ein 4. Reff und/oder ei ne Sturmfock, mussten nicht gewählt werden. Das Beidrehen war eine gute Idee, weil das Treibenlassen in der Windrichtung Ruhe an Bord brachte. Die Wellen waren nicht besonders hoch, also keine Gefahr des Querschlagens. So, und nun schauen wir nach, was das Wetter heute bringt.


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Sonntag, 20. Mai 2012

Abwarten

Das Rückwärtsfahren hat uns einen gemütlichen Morgen beschert und uns nun wie geplant in eine Zone mit Leichtwind hinein gebracht. Jetzt überlegen wir uns, ob wir in nordöstlicher Richtung segeln sollen, in einem leichten Nordostwind, um dann morgen vor Ort zu sein, wenn angenehme südliche Winde einsetzen östlich von 070 Grad West, das heisst, das Starkwindband in nordöstlicherr Richtung von uns abgerückt ist und somit sich das Wetter bessert.

Weil auch das Zentrum des Tiefs über uns hinweg geht, kommt der gute alte Barometer wieder zu Ehren: Wenn er zu fallen beginnt, wären das good news, weil das Zentrum des Tiefs sich uns von Südwesten her nähert. Noch ist es nicht soweit. Wir gucken, während der Brotteig von Agnes aufgeht, nun nochmal auf die Wetterkarten.

Wer wissen will, was wir in den letzten Stunden gemacht haben, klickt auf "Wir sind im Moment hier" rechts neben diesem Text. Danke herzlichst für den Gwunder und das Interesse.

Schlechtes Wetter

Nach der neusten Wettervorhersage vom Sonntagmorgen haben wir gewendet und haben nun einen südwestlichen Kurs, um das Vorüberziehen des Tiefs westlich von Bermuda abzuwarten. Wir waren sozusagen zu früh dran und bleiben nun halt in der Autobahnraststätte, bis der "Stau" (gleich Tief) vorbei ist. Schade um all den Diesel, den wir verfeuert haben, nun geht's ein Feld zurück.

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Danke, lieber Süd-Südost

Wir haben weiterhin einen süd-südöstlichen Wind - dies bedeutet, dass wir für unseren Kurs von 090 nach Bermuda gerade anliegen können, ideal also und so sind wir ein happy boat. Heute ist es bevölkt und damit wird nichts aus der Mittagsbreite. Ich habe gestern den Sextanten wieder einmal hervor genommen. Trotz mangelhafter Beherrschung des Kopfrechnens, früheren krassen Messefehlern und Kopfschütteln bei Kollegen möchte ich es noch dazu bringen, im allerärgsten Fall Bermuda bzw. die Azoren ohne elektronische Hilfe zu finden. Ich kenne zwar niemanden, der vom Blitz erschlagen worden ist; in den letzten Tagen haben wir aber ein Wetterleuchten am Nachthimmel erlebt, das uns - wie das politische Wetterleuchten - eine Warnung sein sollte.

Samstag, 19. Mai 2012

Flaute

Wir hatten einen perfekten Freitag, guten Wind den ganzen Tag und so konnten wir die psychologisch wichtige Marke erreichen von 450 Seemeilen bis zum Ziel, eine Distanz, die wir falls nötig unter Motor machen könnten. Psychologisch bedeutsam deshalb, weil wir seit Freitagabend dauernd und nun eben sorglos Sprit verbrennen. Es gibt im Gebiet von 31 Grad 15 Minuten Nord und 072 Grad 50 Minuten West ganz einfach keinen Wind. Dafür auch keinen Regen und keine Gewitter.

Ausgewechselt haben wir heute Morgen eine schamgefeilte Leine für den Genuafurler. Ich hatte die Position vor dem Start verändert, paradoxerweise, um ein Schamfeilen zu vermeiden. Nun zeigte sich, dass mit der Veränderung ein anderer kritischer Punkt entstand, den ich nicht bedacht hatte, nämlich entlang des Gewindes eines unserer neuen Norsman-Terminals. Es wirkte wie ein Messer und sägte an der teuren Leine bis beinahe auf die Knochen.

Woher eine neue Leine nehmen? Wir nahmen die Schot von der Wendefock und ersetzten selbige mit dem Rest der kaputten Genuaschnur. Das ganze muss nun noch etwas justiert werden und dann lässt sich's mit dem Jury rig leben bis Bermuda.

Freitag, 18. Mai 2012

Regen

Wir haben weiterhin leichten Wind, doch wenn wir eines der häufigen Regengebiete durchfahren, kann es schon passieren, dass der Wind auf ca 5-6 Bf auffrischt und wir - wie gestern Morgen - das dritte Reff begrüssen. Dazwischen gibt's immer wieder lange Phasen, wo wir motoren müssen, weshalb unser Perkins 4-108 einmal eine namentliche Erwähnung verdient. Die Nächte sind rabenschwarz, da der Mond freigenommen hat. Dennoch: Wir kommen vorwärts und können unsere angepeilten Etmale von ca 100sm erreichen. Wer wissen will, wo wir gerade sind, klickt auf "Wir sind im Moment hier", rechts oben neben diesem Text.

Mittwoch, 16. Mai 2012

Endlich unterwegs

Wir haben die Leinen losgeworfen und nach ein paar Stunden den Golfstrom vor Jacksonville erreicht, der uns nordwärts versetzte, manchmal hatten wir 40 Grad Stromabdrift. Dank einer genialen Karte, die uns Thomas aus Innsbruck geschickt hatte, fanden wir heute Morgen die Stelle, an der der Golfstrom auch ostwärts setzt. Davon profitieren wir im Moment. Wir sind am motoren, hatten aber während der Nacht sehr guten Wind aus Süd Bf bis 3.

Dienstag, 8. Mai 2012

Wir sitzen fest

Wir alle kennen das Gefühl: im Zug stecken zu bleiben oder im Flugzeug als Nummer 15 auf den Start zu warten. Für einen ewigen Moment steht die Zeit still, und wenn es sehr lange dauert, denkt man: „Wir werden ewig da hocken.“ Im Moment hocken wir in Jacksonville: Das Boot ist für die Atlantiküberquerung bereit, Wassertanks sind aufgefüllt, die Lifelines montiert, alle Schäkel gesichert. Food gebunkert, und die verschiedenen kleinen und grossen Systeme getestet, so dass man sagen kann, alles funktioniert - bis zu dem Moment dann, wo das erste Ding unweigerlich kaputt geht unterwegs.


Warum wir nicht ablegen? Ein hartnäckiger Ostwind ist angesagt draussen im Atlantik. Und weil wir nach Osten wollen, möchten wir den Wind keinesfalls auf die Nase, denn kreuzen am Wind ist nicht unsere Sache. Unsere Ovni hat einen Winkel von bestenfalls 55 Prozent, da macht man zwar auch seine 100 Meilen in 24 Stunden, aber zum Ziel hin ist es in diesem Zickzack vielleicht die Hälfte.

Und so sitzen wir also fest wie S-Bahn-Passagiere am Morgen bei einer - Achtung: SBB-Deutsch - Betriebsstörung. Im Gegensatz zu den unglücklichen Pendlern  haben wir aber  einen kompetenten Coach und Berater an unserer Seite, unseren Freund aus Oesterreich, ein Thomas wie ich, also vertrauenswürdig, und dazu erprobter Weltensegler, ebenfalls mit einer Ovni.  Er checkt nicht nur mit uns die Wetterkarten, sondern redet uns auch  gut zu. Das ist genau das, was wir im Moment brauchen.

Und so geht also der Alltag hier an Land weiter. Eigentlich sitzen wir ja gar nicht fest, sondern können  – im Gegensatz zu den S-Bahn-Passagieren im stillstehenden Zug – joggen gehen oder einkaufen oder ins Kino oder in eine Bar. Die Sache ist wieder mal nur gerade ein bisschen psychologisch: Wir möchten gerne loslegen, können aber nicht. Und das ist ein Früstchen.

Montag, 7. Mai 2012

Die Sonntagsausgabe - das Lesevergnügen

Jeden Sonntag in den letzten 12 Monaten habe ich eine Zeitung in der Hand gehalten, die mir ein ausserordentliches Lesevergnügen bereitet hat: The New York Times. Mit der Zeit habe ich gemerkt, dass ich mich in eine ganz bestimmte Stimmung versetzen muss, um die Inhalte wirklich zu geniessen – wenn geniessen angesichts des Zustands der Welt und der in der New York Times reflektierten Informationen und Gedanken das richtige Wort ist.

 Dennoch: Die richtige Stimmung meint, dass ich zuerst die jeweiligen Bünde – Bücher, wie die Deutschen sagen – sortiert habe: Der Sport wurde ungelesen weggelegt; mit amerikanischem Sport, den Franchises, kann ich nichts anfangen. Weggelegt habe ich auch die Arts Sektion, wobei ich anerkenne, dass zwischen klassischer und populärer Kultur kein Unterschied gemacht wird, eine künstliche Trennung, mit der Schweizer Zeitungen nie zurecht kommen werden.

 Meist habe ich mit dem Reisen-Bund begonnen und dort mit neusten Berichten und Recherchen über das Fliegen und wie man der Feindschaft von Airport-Personal, Fluggesellschaften und Security ein Schnippchen schlagen, sie im besten Fall zu Freunden machen kann.Dann nahm ich jeweils die Business Sektion an die Hand, wo ich das  Interview zum Thema  Führungserfahrungen als erstes gelesen habe, gefolgt von der  aktuellen und intelligenten Kolumne von Gretchen  Morgensohn, einer Frau, von der ich gerne wissen möchte, wie sie zu ihrem Vornamen gekommen ist.

 Im Style-Bund, einem Produkt, das Schweizer Zeitungen erfolglos zu kopieren suchten, erfolglos deshalb, weil die Redaktionen nie erkannten, dass Style eine hoch ernste Angelegenheit ist und sich mit Lustig-Trendig überhaupt nicht verträgt…im Style-Bund also las ich mit Genuss und manchmal mit Trauer „Modern Love“, wunderschöne, erschütternde Geschichten von immer andern Autorinnen – meistens  in der Tat Frauen, Männer tun sich mit Modern Love offenbar schwer  – die ihre Liebe schildern, crazy stupid love oft, muss ich in Anlehnung an einen Filmtitel konstatieren. Und spannend, aber nie anzüglich, höchstens verwirrend.

 Als vorletzten Bund nahm ich jeweils den ersten Bund in Arbeit, wo die  Nachrichten und Primeurs des Tages präsentiert werden. Meist garniert mit einer exzellenten Recherche, etwa über Arbeitsbedingungen bei Apple in China.  Der New York Times verdanke ich die Erkenntnis, dass chinesische ArbeiterInnen von Apple nachts um 3 Uhr in ihren Schlafsäälen geweckt werden können, um dann in einer 7-Tage-Schicht 12 Stunden  das  iPhone4 zu montieren, nur weil das kratzfeste Glas (beinahe) zu spät für die Lancierung des Telephons angeliefert worden war.

 Dann folgte Week in Review, das Produkt eines ausserordentlich kreativen, "läbigen"  Ressorts, wie ich annehme, welches  in der neusten Aushabe die Wantologists präsentiert, eine neue Spezies von Psychotherapeuten, die uns sagen, was wir erreichen möchten. Und natürlich Maureen Dowd, meine Lieblings-Kolumnistin, gerade  zu Besuch bei Marine LePen – Berühungsängste gibt es bei der New York Times keine. 

Zum Schluss kommt das Dessert: die Book-Review, in der neusten Ausgabe mit einer höchst instruktiven Besprechnung der Lyndon-B-Johnson-Biographie durch Bill Clinton

Und nun fehlt mir der Atem. Dennoch muss erwähnt werden: Jetzt, am Ende, folgt das New York Times Magazine, wo ich nur feststellen kann: Dieses Magazin hat jeden Sonntag genau jene grosse Geschichte, von der ich sagen muss: Exakt diese Story musste man an dem heutigen Sonntag präsentieren..

Nur: Wie machen die das mit  Auftragsvergabe und Vorproduktion?

Nach gut dreieinhalb Stunden legte ich die Zeitung und ihr Magazin  zur Seite. Es ist in der Zwischenzeit Sonntagnachmittag geworden und eigentlich hätte etwas tun sollen, vielleicht mal das Deck des Bootes reinigen können oder auch nur joggen gehen.

 Doch ich fühle mich überwältigt und glücklich, irgendwie, ja genau: glücklich, dass ich an dem Sonntag nichts anderes getan habe, als die beste Zeitung der Welt in der Hand gehalten zu haben.

Donnerstag, 3. Mai 2012

zyGrib - das Wetter


Wetter ist das grosse Thema unterwegs. Jeden Tag laden wir Wettermodelle herunter, die wir dann auf dem Laptop anschauen. Das Problem  bisher war, dass die Viewer (wie Ugrib), die die Grib-Files mit den Wetterdaten  darstellen, entweder sehr teuer sind oder wichtige Features nicht beinhalten. Wichtig wäre zum Beispiel, die Längen- und Breitengrade zu sehen und die eigene Position  eintragen zu können sowie allenfalls die Position des Bootes in den nächsten 24 oder 48 Stunden. Wir haben für die Position jeweils Post-it-Zettelchen in Pfeilform auf den Bildschirm geklebt, eine ziemlich primitive Methode.
Seit zwei Tagen nun haben wir zyGrib, ein holländischen Programm, das es gratis gibt und das alle Vorteile von teuren Viewern hat. Es gibt zwei separate Darstellungen für Wind einerseits und Niederschläge anderseits. Und weiter kann man mit einem Klick auf die rechte Maustaste jede Menge Positionen eintragen. Auch die Längen- und Breitengrade gibt es, leider nur in Nord und Ost. Wer sich, wie wir, momentan auf dem 80. Längengrad West aufhält,  sieht sich auf  280 Ost, also einmal in östlicher Richtung um die Erde herum, bis man wieder in Florida ist. Das ist etwas mühsam, aber als kleiner Nachteil zu bewältigen.
 Ich empfehle also allen Wetter-Freaks den zyGrib, mit der schüchternen Frage allerdings, warum die Programmierer das simple Ding mit West und Süd nicht hingekriegt haben.