Mittwoch, 27. November 2013

NZZ am Sonntag vom 2. März 2014: Leinen Los!

Ein Segelboot, ein Ozean und endlich viel Zeit. Ein Paar verwirklicht seinen Traum vom Frühruhestand unterwegs auf den Weltmeeren. Doch die Realität stellt sich als ziemlich anders heraus als gedacht. Von Thomas Rüst

Unser neues Leben begann an einem sonnigen Juli-Samstag  in Zürich mit einem vollbeladenen Kombi: Schlafsäcke, Bohrmaschine, ein Sextant, unseren tragbaren Generator, T-Shirts, die  Bernina-Nähmaschine und natürlich Regenjacken und Stiefel – alles war eingeladen. Doch noch immer gab es Sachen auf dem Trottoir, die mit mussten von Zürich zu unserem Boot in der Bretagne.

Letzter freier Stauraum war der Fussboden beim Beifahrersitz. Dies bedeutete, dass Agnes die erste Fahrt in die neue Freiheit mit angezogenen Knien antrat. Da wir uns abwechseln beim Lenken, war schon zwei Stunden später ich derjenige, der gleich unbequem, aber erwartungsvoll den Angaben des Navi folgte, das uns auf der Autobahn durchs Burgund Richtung Nantes lotste.

 In Port Lavigne an der Loire angekommen, räumten wir das Auto leer, das unser Sohn irgendwann in die Schweiz zurück fahren würde. Wir füllten 400 Liter Trinkwasser in die Tanks unseres Schiffs. Und wir händigten Monsieur Hérissé einen Check der französischen Postbank über 5333.80 Euro aus für Schweissarbeiten, einen Epoxy-Anstrich am Alu-Rumpf und andere Dinge, die man nicht sieht und die dennoch viel Geld kosten.

Am nächsten Morgen setzte uns Hérissé samt unserem Boot mit seinem Kran vom Trockenplatz  in den Fluss hinein. Wir waren um 4.30 Uhr aufgestanden, er kam kurz vor 6 Uhr, damit wir bei einsetzender Strömung ab 7 Uhr Richtung Mündung nach St-Nazaire starten konnten.

Sechs Stunden später spülte uns die  Loire in den Atlantik, wir setzten die Segel und nahmen Kurs auf Gijon an der Nordküste Spaniens. Der Wind aus Nordwest war gut und als der Autopilot richtig eingestellt war, sagten wir: „So haben wir uns das Rentnerleben vorgestellt.“

Wir  hatten uns seit langen Jahren gewünscht, irgendwann  zu zweit  neu zu beginnen. Der Plan zögerte sich  jedoch hinaus, weil die Kinder nicht so schnell auf eigenen Beinen standen, wie wir uns das vorgestellt hatten. Und auch deshalb, weil es, je älter wir wurden, desto schwieriger erschien, Auszeiten von zwei oder mehr Jahren zu nehmen – und erst recht, den Job  einfach so vollends aufzugeben. Deshalb blieb uns am Ende nichts anderes übrig, als zu warten mit dem neuen Leben bis zur Frühpensionierung.

Wir kauften uns aber schon während der Wartezeit  unser Traumschiff, eine alte Alujacht vom Typ Ovni 35. Der frühere Besitzer, ein Schweizer Astronom, war in ein Alter gekommen,  da er nicht mehr segeln wollte und er machte uns einen guten Preis. Den Namen „Miranda“, einer der fünf grossen Monde des Uranus, behielten wir bei, nicht aus Aberglaube, sondern weil er uns gefiel.

Die Ferien nach dem Erwerb unseres Schiffes gingen von nun an drauf mit Bootsarbeit, jeweils 2 bis 3 Wochen pro Jahr, dann 2 bis 3 Wochen segeln, womit das Ferienbudget auch schon restlos aufgebraucht war. Diese Art Aktivurlaub erlebten wir als stressig, weil die Zeit immer knapp war, wenn man rechtzeitig wieder zu Sitzungsterminen  in Zürich erscheinen wollte.

Wenn Zeit keine Rolle mehr spielt
Jetzt aber, im Sommer 2010 auf dem Weg nach Spanien war der Terminkalender leer. Ich hatte Zeit im Überfluss. Zeit spielte keine Rolle mehr. Wo im alten Leben bereits die Stellwerkstörung der SBB eine kleine Katastrophe gewesen war, da kam es nun auf drei Wochen auf oder ab überhaupt nicht an.  Und so schickten wir uns an, das Leben zu geniessen: Wir verweilten in kleinen Hafenstädten Galiziens, umrundeten gemächlich das Cap Finisterre und segelten in Etappen der portugiesischen Küste entlang bis nach Lissbon. Wir verliebten uns total in Portugal und beschlossen, irgendwann  auf unserer Reise länger im Land zu verweilen.

Schnell spielte sich eine gewisse Routine des Bordlebens ein: An den  Etappenorten nahmen wir jeweils ein paar  freie Tage für Exkursionen und Besichtigungen. Dazwischen gab es „Arbeitstage“, an denen wir einkaufen, Wäsche waschen, Haare schneiden oder irgend etwas am Boot basteln mussten. Bei dieser Zweiteilung stellte ich jedoch fest, dass eine grosse Menge  von Tagen verblieb, an denen weder Ausflüge geplant  noch „Arbeiten“ zu erledigen waren -  und die ich nun irgendwie ausfüllen musste.  Das war -  zu meiner Überaschung - gar nicht so einfach. Ich entdeckte, dass ich mich langweilte. Manchmal sagte ich zu Agnes: „Ich habe heute überhaupt nichts gemacht. „ Dann meinte sie: „Aber Du hast doch den ganzen Nachmittag gelesen.“ „Ja klar,“ antwortete ich, „nur…“

Ich entschloss mich zur Selbsttherapie. Denn ganz offensichtlich war der Entzug von  5-Tage-Woche, Büro und – besonders schmerzlich – Büroklatsch in vollem Gange.  Ich lernte dann langsam,  Lesezeit zum Beispiel als eine ausfüllende Tätigkeit zu sehen, wo ich bisher nur am Wochenende gelesen hatte, zur Erholung sozusagen – was für eine Beleidigung für jedes Buch!

Auch mit der Menge der seglerischen Einzeletappen hatte ich Mühe. Es gab zu viele mit einer Tagesdistanz von jeweils rund 60  Meilen, sodass man früh aufstehen und bei Dunkelheit ablegen musste, um je nach Wind erst spät abends anzukommen. An diesen „Arbeitstagen“ nahmen wir vor dem Start  jeweils einen Kaffee  im hellen Licht unserer Kabine – fast wie  früher zu Hause in der Küche, bevor  ich in Zürich in aller Herrgottsfrühe den 70er Bus nehmen musste. 

Wer „segeln“ sagt, meint nicht immer segeln.
Wir  gingen später dazu über, die 10-Stunden-Arbeitstage den Küsten entlang wenn immer möglich durch 100-Meilen-Etappen zu ersetzen. Auf diese Weise kamen wir in 24 Stunden schön vorwärts und nach subjektivem Gefühl erst noch ohne grosse Mühe, weil uns in der Nacht mit dem Wechsel von Wache und Schlafen die Zeit viel schneller verging als tagsüber. Natürlich mussten wir oft motoren, wenn der Wind zusammenfiel oder gar nicht erst aufkam. Wenn Segler davon reden, sie seien irgendwo hin „gesegelt“, meinen sie meistens eine Mischung aus segeln und vorwärtskommen unter Maschine. Motoren wurde auch bei uns zum Dirty secret des Fahrtensegelns.

Vor dem Trip Richtung Lanzarote (Kanaren)  legten wir in Lissabon eine erste  Pause ein. Es war bereits Herbst geworden und ich flog in die Schweiz zurück. Ich hatte meinem Vater versprochen, ihn im Pflegeheim drei- bis viermal im Jahr zu besuchen. Einerseits weil ich dachte, er würde diese Visiten schätzen, anderseits aber vor allem, weil ich ein schlechtes Gewissen hatte, ihn im Stich gelassen haben. Mich plagte die Frage, ob ich auf das Abenteuer hätte verzichten müssen wie Freunde von uns, die wie wir viel Arbeit in ihr Boot gesteckt  hatten für die grosse Reise und dann eine betagte Mutter zu sich nahmen, sie jahrelang betreuten. Irgendwann verkauften sie das Boot, ohne dass ihr Traum in Erfüllung gegangen war.
Familien, Rentner und ein paar Exoten
Auf unserem Weg Richtung Kanaren trafen wir andere wie wir, die zwecks  Erfüllung ihres Traumes unterwegs waren. Da waren etwa skandinavische Familien, die mit ihren schulpflichtigen Kindern auf  hochwertigen  Booten lebten. Sie hatten ihre schwimmenden Wohnungen mit Waschmaschine und  Breitbandinternet ausgestattet , letzteres damit die Kinder via Satellit mitten auf dem Atlantik an einem Fernunterricht teilnehmen könnten. Unter den übrigen Nationen -  vor allem Deutschland, Frankreich, Grossbritannien und der Schweiz  - dominierten Rentner wie wir. In diesen Ländern gibt es im Gegensatz zu Skandinavien keine grosszügigen Sabbaticals für alle, dafür haben Leute im Alter oft genügend Mittel, um ihre Abenteuerlust zu verwirklichen. Dann gab es noch ein paar Exoten, junge Franzosen oder Polen, die wegen Geldmangel an Etappenorten arbeiten wollten und die mit Schiffen unterwegs waren, die wenig Komfort  boten, aber viel seglerisches Wissen verrieten.

 Die Atmosphäre in den Häfen und Marinas entlang der Route Richtung Karibik ist inspirierend und optimistisch – alle sind erwartungsvoll, trinken Wein und fürchten sich vielleicht auch ein bisschen vor jener Atlantiküberquerung, von der sie hundertmal geredet hatten und die nun mit einem Mal in Griffweite lag.

Wir selbst legten nach dem 20. November von Lanzarote  (Kanaren) ab und erreichten die für den Passatwind  typischen kleinen weissen Wolken am blauen Himmel  auf dem 13. Breitengrad südlich der Kapverden.  Wir baumten die Genoa aus und segelten zusammen mit dem gefierten Grossegel auf der andern Schiffsseite wie mit Schmetterlingsflügeln. Wenn der Wind, typischerweise  von hinten, nachliess, setzten wir unser farbiges Passatsegel.

Weil der Autopilot zuverlässig und ausdauernd steuerte, vertrieben wir uns die Zeit mit fischen, plaudern und jenem Nichtstun, an das ich mich inzwischen völlig gewöhnt hatte. Nun waren wir zu dritt an Bord. Unser französischer Cousin Jean-Pierre erwies sich als leidenschaftlicher und erfolgreicher Fischer. Wir hatten  immer genug Tunfisch und Goldmakrele, soviel, dass ich eines Tages fand, nun sei für den Moment genug gefischt, denn ich hätte wieder mal Lust auf  einen Teller Spaghetti. Es war das einzige laute Wort auf dem ganzen glorreichen Trip.
 Das beste: Weit weg vom Land geht  der innere Lebensrhythmus  zurück  Weil es nur Wasser rundherum und ein paar Passatwolken gibt, also keine Fussballübertragungen und kein Smartphone, kein Youtube und keine Beizen, keine Chefs und keine Kantine, versinkt man in einer angenehmen Dauerträgheit mit tiefem Puls und einem zufriedenen Hang zu ununterbrochener Untätigkeit.  Da ist es schon eine Sensation, wenn Delphine sich mit ihren schnellen Sprüngen um das Schiff herum  austoben oder eine Meeresschildkröte einsam vorbeipaddelt.

Man fragt sich dann, warum die Schöpfung diesen Wesen solche Reisen zumutet. Zuhause könnte man das auf Wikipedia schnell nachsehen und die Phantasie eines angeregten Gesprächs käme per Wlan und Tablet schlagartig zum Erliegen. Mitten auf dem Atlantik hingegen haben wir endlos an unseren Gesprächsfäden gesponnen. Immerhin: Auch wir hatten  auf unserem Laptop Wetterdaten und Mails über eine  Datenverbindung via Satellitentelefon. So bekamen wir Sportresultate und Abstimmungssonntage mit, auch Trennungen und Schulprobleme – und den ersten Schnee an einem Adventswochenende in der Schweiz.

Was macht ihr, wenn einer an Bord Blinddarmentzündung bekommt, waren wir vor der Abreise gefragt worden. Geben wir’s zu: eine Atlantiküberquerung gehört zu den selten gewordenen Abenteuersportarten, bei denen man im Notfall keine schnelle Hilfe bekommen kann. Sich von einem Frachter abbergen lassen, ist je nach zufällig eintreffendem Retter hochriskant. Aus diesem Grund  setzten wir für den medizinischen Notfall auf eine gut assortierte Bordapotheke und auf unser Satellitentelefon, mit dem wir wenigstens ärztlichen Rat hätten einholen könnten. Im übrigen waren wir unbesorgt. Meine Gegenfrage  lautete immer: Wie oft bist  du in deinem bisherigen Leben in der Adventszeit  ins Spital eingeliefert worden?  Na also.
Angst zu haben ist gut
Die zweithäufigste Frage war, ob wir keine Angst hätten. Doch, lautet unsere Antwort. Denn Angst zu haben, ist gut weil Angst die Sinne schärft. Anderseits: Wir segelten in all den Jahren  ausschliesslich Routen, die seit Jahrhunderten als sicher bekannt sind. In den paar Fällen, wo uns Tiefdruckgebiete mit ihren Fronten näher kamen, als uns lieb war, behalfen wir uns mit bewährten Mitteln, dem Reffen natürlich, also dem Verkleinern der Segelfläche, und  dem Beidrehen des Bootes, einem klassischen Manöver, bei dem man das Boot im Wind driften lässt.

Am 19. Dezember kamen wir auf Barbados an, etwas mehr als fünf Monate nachdem wir in Zürich unser Auto vollgeladen hatten. In einer traumhaften Bucht machten wir das Gummiboot flott, tuckerten zur Strandbar und schnappten uns  das erste kühle Bier seit drei Wochen. Die Wassertemperatur betrug 29 Grad und nur die digitale Temperaturanzeige am Gefrierschrank der Bar erinnerte an den Winter von Zürich: - 2 Grad. Am 24. Dezember dann am späten Nachmittag standen wir eine Stunde lang  im Supermarkt in der Schlange an der Kasse, weil ganz Bridgetown sich noch  Rum fürs Fest  holte. Es folgten paradiesische Monate in kleinen Häfen und vor Inseln, auf denen manchmal nur ein paar Palmen standen. Wir lebten in den Tag hinein.
Beziehungskiste auf engstem Raum
Am Ende des Winters dann war wieder Arbeit angesagt. Das Boot hatte seit der letzten Überholung  gut 7000 Meilen unter dem Kiel, als wir, von den amerikanischen Jungferninseln kommend, in Beaufort (North Carolina) an der US-Ostküste eintrafen. In der Chesapeake Bay etwas weiter nördlich, in der Nähe von Washington DC, arbeiteten wir dann wochenlang am Boot, jeweils von 9 bis 17 Uhr mit freiem Wochenende, an dem wir uns – ganz genau wie früher - von der Arbeit mit Lesen oder Kino erholten oder bei Freunden eingeladen waren. Wir hatten sozusagen das alte Leben zurück. Dann kam ein Winter in Florida, bevor wir via Bermuda Richtung Azoren wieder nach Europa  starteten.
  Ein Freund, der mitkommen wollte, hatte für den Trip kurzfristig abgesagt. Doch Agnes und ich merkten nach der Absage schnell, dass wir uns auf die Reise allein zu zweit freuten. Wir wurden oft gefragt, ob die Enge des Bootes für unsere Beziehung nicht belastend sei. Immerhin leben wir auf einer Wohnfläche, die netto der Grösse eines Kinderzimmers von Schweizer Normalwohnungen entspricht. Die Antwort ist immer die gleiche: Nein. Denn wenn man nicht miteinander auskommt,  würde es wohl auch in einer grossen Fünfzimmerwohnung ziemlich schnell ziemlich eng.

 Da wir bei Schiffsführung, Navigation und Wetterbeurteilung gleich ticken, geraten wir beim Segeln auch nicht aneinander. Dennoch gibt es die klassische Arbeitsteilung: Ich kenne keine Frau, die an Bord eines gemeinsamen Schiffes für den Motor zuständig ist, ergo bin ich der Mechaniker auf unserem Boot.  Kochen im Hafen und bei hohem Seegang  ist hingegen Frauensache, seit Agnes auf einer ersten Atlantiküberquerung im Jahr 1999 die ganze Crew  zwischen Montauk (New York) und Plymouth (England) vier Wochen lang bekocht  hatte.

  Unser Trip Richtung Azoren wurde ein voller Erfolg: Wir hatten sehr viel und sehr guten Wind, so dass wir schnell vorwärts kamen. Manchmal sassen wir nachts nach einer Wache noch zusammen im Cockpit, guckten zu den Sternen oder  fragten uns in einer wolkenverhangenen  Dunkelheit, warum wir seit Tagen keine  Frachter mehr gesichtet hatten. Antwort: „Es gibt weltweit keinen einzigen mehr, darum!“

Nach 21 Tagen unterwegs erreichten wir die Azoreninsel Flores. Den Frühsommer verbrachten wir auf den verschiedenen Inseln des Archipels, bevor wir uns unser eigenen  Versprechen erfüllten, Richtung portugiesisches Festland  segelten und dann den Tejo hinauf nach Lissabon. Wir machten das Boot in der Marina Parque des Nações  fest und blickten  bereits ein erstes Mal zurück auf unser neues Leben. Und wir stellten fest, dass es davon nicht nur eines gibt. Denn die viele freie Zeit ist für uns mittlerweile zu einer dauernden Einladung geworden, etwas Neues zu unternehmen.  In dem Lissabonner Sommer zum Beispiel begann ich, einen Roman zu schreiben. Thema war, wen wundert’s, das andere Leben: Einer stellt das bisherige auf den Kopf, steigt aus und wird ein anderer. Der Winter nach dem Lissabonner Sommer  verfloss ebenso wenig nautisch, nämlich mit einem Marathontraining, nur weil ich mir in den Kopf gesetzt hatte, einmal im Leben durch Barcelona zu laufen.

In gut drei Jahren hatten wir 12 000 Seemeilen zurückgelegt. Dies erscheint auf den ersten Blick viel. Doch gemessen an den Tagen auf See sind es erstaunlich wenig: Wer 12 000 Meilen durch die Tagesleistung unseres Bootes (100 bis 120 Seemeilen in 24 Stunden) teilt, kommt nur auf knapp 120 Tage oder vier Monate verbrachter Lebenszeit auf Hoher See.  Der Rest sind Häfen, Marinas, Ankerbuchten, Landausflüge. Anders gesagt: Die meiste Zeit haben wir während unseres Segelabenteuers nicht mit Segeln verbracht, sondern waren sesshaft in unserem schwimmenden Haus.


Frage zum Schluss: Gibt es etwas, das wir anders machen würden? Ja. Ideal wäre,  früher im Leben die Leinen loszuwerfen  und dann durch den Panama-Kanal Richtung Pazifik zu segeln. Das war uns  zu weit, wohl deshalb, weil wir seit  der Wegfahrt an jenem Juli-Tag in Zürich bereits etwas älter geworden sind und etwas weniger abenteuerlustig. Und so verbringen wir jetzt einen Winter an Bord von Miranda II in Sizilien. Da kann es ganz schön kalt sein, haben wir gemerkt. Und finden, dass sei eine gute Angewöhnung für die Zeit, wenn wir wieder in der Schweiz sesshaft werden.


Montag, 18. November 2013

Scirocco und Patisserie

Nach dem Mistral auf Sardinien lernen wir in Sizilien nun den Scirocco kennen, ein stürmischer Wüstenwind, der dafür sorgt, dass es in Marsala angenehm warm ist.

Wir liegen hier gut geschützt an einer Hafenmole. Der Hafenmeister hat einen Windsack aufgestellt, wie man ihn von kleinen Flugplätzen kennt, damit auch wirklich niemandem Stärke und Richtung des Scirocco entgehen.

Weil bei der Mistralattacke auf Sardinien beinahe die Festmacherleinen der Miranda II durchgescheuert worden waren, haben wir sie nun mit kleinen, dicken Plastikrohren geschützt. Auch eine Sicherheitsleine ist angebracht worden für den Fall, dass…

Ansonsten ist das Leben angenehm. Am Sonntagmittag haben wir auffallend viele Leute im nahegelegenen Stadtquartier  gesehen, die mit Patisserie unterwegs waren, dem Mitbringsel wohl zum Besuch bei Familie oder Freunden. Und so sind wir auch in einen Laden gegangen und haben Stückli gekauft. Ich trug das kunstvoll geschnürte Paket mit dem Papier der Patisserie wie die andern Passanten auf den Fingern der linken Hand aufgestützt  vor mir her. Und mir kam  in den Sinn, dass ich zum letztenmal  als Kind an einem Sonntag in einer Patisserie war – mit meinem Vater in St. Gallen bei „Beglinger“. Mit der Schachtel  sind wir dann jeweils noch zum Bahnhofkiosk gegangen, weil mein Vater dort die beiden einzigen Sonntagszeitungen kaufte, die es damals gab: die „Tribune de Lausanne“ und die „La Suisse“.  Dann fuhren wir mit dem Bus nach Hause. Beim Dessert dann durften wir reihum wählen. Mein Vater beteiligte sich nicht, sondern schaute nur interessiert zu.  Er sagte immer, er nehme am liebsten jene Patisserie, die am Ende noch übrigblieben.  Denn das seien die besten.




Montag, 11. November 2013

Cagliari - heute und damals

Es stürmt weiter – oder schon wieder. Und wir haben eine unruhige Nacht hinter uns: Der Wind drückte das Heck des Bootes gegen den Ponton, sodass wir am Bug vorne die Muringleine anziehen mussten. Doch wie macht man das, wenn mehrere Tonnen Winddruck auf der Leine sind?

Unsere Methode: Wir warfen die Maschine an und legten den Vorwärtsgang ein. Das Boot zog nun an den Heckleinen zum Ponton, der Abstand war fürs erste wieder hergestellt. Dann knoteten wir eine Leine mit kleinerem Durchmesser an die dicke Muring-Leine. Der geniale Knoten dafür heisst Webleinenstek. In einem weiteren Schritt führten wir  das dünne Seil zur Wintsch und drehten die Kurbel.

Dann wurde die nun lose gewordene Muringleine zwischen Knoten und Klampe nachgezogen. Das ganze wurde ein paar mal wiederholt, bis der Abstand zum Ponton wieder  so gross war, dass wir den Motor abstellen und uns schlafen legen konnten.

Dieses nächtliche Hafenmanöver geschah in Calgari, wo ich auf den Tag genau vor 24 Jahren schon einmal  war, im November 1989. Wir kamen mit der Jacht „Tamango“ meines Kollegen tj aus Malta und hatten bei einem Zwischenstopp auf den Aeolischen Inseln aus einem Zeitungsaushang  erfahren, dass in Berlin die Mauer geöffnet worden sei. Eine Sensation, die ich auf Anhieb nicht glauben konnte. Wir schalteten Deutsche Welle ein und erfuhren, dass nun tatsächlich zusammenwachsen solle, was zusammengehöre. In Cagliari angekommen suchte ich ein Reisebüro auf, um sofort nach Berlin zu fliegen. Doch es gab längst keine Tickets mehr und so reiste ich nach Zürich zurück. 


Die Geschichte dieses ersten Aufenthalts auf Sardinien kommt mir vor wie aus einem andern Leben oder aus dem Leben eines anderen, auch deshalb, weil wir uns damals so umständlich informieren mussten: Keine Smartphones und kein Internet. Und für Flugtickets musste man noch ins Reisebüro. Dafür gab es keinen Sturm im Hafen – und wir schliefen als sei nichts passiert.

Dienstag, 5. November 2013

Mal kein Sturm im Wasserglas

Der Wind pfeift uns in Oristano an der Westküste Sardiniens um die Ohren und wir haben zusätzliche Leinen ausgebracht, damit die Muring-Leine etwas entlastet wird, die gefühlte zehn Tonnen auszuhalten hat.
 Wann wir weiter können, wissen wir nicht, denn bereits ist der nächste Sturm auf den Wetterkarten in Sicht.
Wir lesen und lernen italienisch. Die unregelmässigen Verben erinnern an längst vergessene Zeiten im Lateinunterricht. Wenigstens gibt es 45 Jahre später keine Noten.

Sonntag, 3. November 2013

Le Ciotat - Calvi - Oristano

Viel Wind Richtung Calvi
Mit dem neuen Getriebe sind wir letzte Woche von Le Ciotat in Südfrankreich Richtung Calvi auf Korsika gestartet. Das Beste an dem Trip war, dass wir über weite Strecken weder Motor noch das neue Ding brauchten. Endlich hatten wir genug Wind und dies für über 10 Stunden. Mit 3. Reff und etwas Genua flogen wir auf die Nordspitze der Insel zu. Es war ein Superritt, der erste wirklich gute Wind für uns im Mittelmeer.

Nach einem viel zu kurzen Aufenthalt auf der Insel ging’s weiter Richtung Cagliari im Süden Sardiniens. Niemand, wir inklusive, wird je begreifen, warum wir es so pressant haben. In Korsika müsste man mindestens einen Monat bleiben. Doch um die Jahreszeit sind zwar die Tage mit viel Sonne noch durchaus angenehm. Die Nächte aber sind lang und kalt, ab 18 Uhr ist es dunkel und die ersehnte lb. Sonne wärmt erst nach 8 Uhr am Morgen wieder aus Osten. Deshalb wollen wir nun möglichst rasch ins Winterquartier gelangen.

Auf dem Weg von Calvi  Richtung Süden hatten wir nur Wind während wir die Strasse von Bonifazio kreuzten, davor und danach blieben wir in der Abdeckung der Inseln und motorten. Wegen dieser geisttötenden Fahrerei beschlossen wir unterwegs, den Trip nicht bis Cagliari durchzustieren, sondern wir wollten in Oristano an der Westküste Sardiniens an Land gehen.

Der kleine Hafen von Grande Torre bot sich an. Wir trafen in der Bucht von Oristano kurz vor 20 Uhr ein und mussten feststellen, dass die Befeuerung der Seezeichen nur auf der Seekarte stattfand. In Wirklichkeit blinkte uns weder die Ansteuerungstonne entgegen, noch sonst eins von den vielen erwarteten Feuern.

Mit Plotter und Radar suchten wir den Weg, für den Navigator einigermassen erträglich, aber für die Steuerfrau im Blindflug ein Albtraum. Im Prinzip ist es ja egal, ob es die Tonnen wirklich gibt, solange sie im elektronischen Navigationssystem eingetragen sind – und sich nichts an den Bedingungen geändert hat.

Grande Torre in der Bucht von Oristano
Alles ging gut; wir leisteten uns sogar Peilungen mit dem Schiff, welche auf dem Plotter dann abzulesen waren. Und so waren wir sicher, die richtige Hafenmole im Radar vor uns zu haben, als wir sie eine halbe Meile vor uns sahen.


Belohnt werden wir für die navigatorisch-digitale Plackerei mit  einer schönen Bar, einem  guten Restaurant, einer Busverbindung zur Stadt gleich am Ausgang der Marina – und vor allem mit sehr netten Leuten, die sich alle Mühe geben, uns Absolute beginnern  italienische Lebensart nahe zu bringen.

Freitag, 27. September 2013

Our new baby

Thomas und Agnes Rüst freuen sich, den Einbau Ihres neusten Babys bekannt zu geben. Es   hat den Namen Hurth, wiegt 10 kg und die Hebamme (Monsieur Nieto) ist noch dabei, es an den Motor zu gewöhnen.


Dienstag, 24. September 2013

Getriebeschaden

Wir waren am Sonntag wieder einmal unter Motor unterwegs, da der Mistral sich auf Null reduziert hatte und sich somit das Mittelmeer wie gewohnt ohne Wind präsentierte, als ich plötzlich ein leicht schleifendes Geräusch wahrnahm. Da selbiges, wie die meisten Fehlgeräusche, nicht einfach wieder verschwand, wurde der Sache nachgegangen und festgestellt, dass a) die neue Stopfbuchse in bestem Zustand war, aber b) das Getriebe beinahe die Hitze eine Herdplatte erreicht hatte. Als wir auskuppelten, um dann erneut den Vorwärtsgang einzulegen, streikte dieser. Und dies bedeutete, dass wir nun noch einen Leerlauf und einen Rückwärtsgang hatten.

Wir setzten die Segel und hofften auf ein wenig Wind. Der Plan B nun war, nach La Ciotat zurück zu kehren, gut 10 Meilen, was bei dem kleinen Wind im günstigen Fall  5 bis 7 Stunden dauern würde.

Während dieser Zeit hatten wir dann genügend Musse, zu überlegen, wie wir in den Hafen herein kommen könnten. Plan A wäre gewesen, nach Korsika zu segeln bzw. zu motoren. Gleichzeitig konnten wir auf dem Handy die Abstimmungsergebnisse in der Schweiz (Stadionvorlage!) verfolgen.

Wir studierten in der Folge Hafenpläne, welche Agnes in einem alten Cote-d’Azur-Führer gefunden hatte und beschlossen zunächst, in La Ciotat anzurufen, um die Möglichkeiten zu besprechen, wo man mit einem havarierten Motor anlegen könnte. Weil Sonntag war, hatte lediglich eine administrative Aushilfe Dienst, sodass sich  nur ergab, dass der für „Urgences“ reservierte Anlegeplatz zu wenig Tiefe hatte für unser Boot.

Inzwischen hatten wir gut 7 Meilen gesegelt, der Tag ging langsam zur Neige und in Zürich stand ein Nein fest. Stand der Diskussion in Sachen sicherer Hafen war, dass es wohl wenig interessant wäre, im Rückwärtsgang in einen relativ engen Hafen ohne Begrüssungsponton an der Einfahrt hinein zu fahren, weil man beim geringsten Fehler das Boot ja nicht mit dem Vorwärtsgang wie sonst aufstoppen könnte. An sich fährt unser Boot gerne rückwärts, aber eben möglichst nur mit funktionierendem Vorwärtsgang.

Aus diesem Grund wurde beschlossen, vorwärts in den Hafen hinein zu fahren oder dann vor dem Hafen zu ankern (falls der Grund dies zuliesse). In der Folge kamen wir überein, einen Test zu machen: Wir  liessen das Gummiboot zu Wasser, machten es seitlich am Boot fest, hoben den leichten Aussenborder ins Gummiboot und starteten ihn, um  eine Leistung von 2 PS zu produzieren. Und siehe da: Dieser Winzling, ein Suzuki, brachte es fertig, unser 10 t schweres Boot mit 2 Kn zu schieben, bei Windstille natürlich und total ruhiger See. Der Rest ist schnell erzählt: Wir steuerten mit der Radsteuerung der Miranda II und dem Suzuki in den Hafen hinein und dort zur geschlossenen Tankstelle, wo wir mittels Aufstoppen mit dem funktionierenden Miranda-Rückwärtsgang um 21.30 h sicher anlegten. Dann ging’s in die Crèperie, wo der Skipper seiner Crew (Agnes und unserem  Freund Dietmar) je eine Complète spendierte.


Das dicke Ende der sonntäglichen Panne kommt nun noch, weil ein neues Getriebe angeschafft werden muss zu einem Preis, für den sich andere Leute  Zahnbehandlungen machen lassen. Was zeigt: Wir haben eigentlich nichts zu jammern.

Donnerstag, 19. September 2013

Mistral

Seit Tagen bläst der Mistral, sodass wir jetzt dann im Hafen von Port Saint Louis Mittel gegen Seekrankheit nehmen müssen. Auf unserem Weg in die kleine Stadt bläst uns der westliche Wind fast vom Radweg auf die Strasse. Der Rhone entlang gehend sehen wir weisse Schaumkronen, des moutons, wie die Franzosen sagen.

Die Wetterprognosen sagen jeden Tag ein Abflauen voraus, sodass man Hoffnung schöpft, ablegen zu können, zuerst der Küste entlang gen Osten, dann Richtung Nordspitze Korsikas. Doch jeden Morgen stellen wir fest, dass die Vorhersagen uns nur Hoffnung machen wollten, um selbige zu enttäuschen. Den in den letzten drei Tagen ist der Wind nicht nur nicht abgeflaut, sondern jeweils eher noch stärker geworden.


Wenn man über in den Langzeitprognosen über die Mistralperiode hinausblickt, sieht man kaum mehr Wind. Wir rechnen damit, dass der Spruch sich einmal mehr bewahrheitet: Entweder hat es im Mittelmeer viel zu viel – oder viel zu wenig Wind.

Sonntag, 15. September 2013

Die grösste Schlagzeile des 9. Jahrhunderts

Als ich aus dem Zug stieg und zusammen mit chinesischen und deutschen Touristen durch die Stadt lief zur bekannten Brücke, die nicht Pont d’Avignon heisst, sondern anders…als ich also in Avignon eintraf, war ich auf die Stadt gefasst, die Brücke, wie gesagt, und die Päpste, welche hier – fern von Rom – für kurze Zeit regierten, weil ihnen Frankreich näher stand als Italien, machtpolitisch gesprochen. Doch das ist keine Geschichte.

Viel interessanter ist die Ausstellung im Palast der Päpste, die den Titel „Les Papesses“ trägt und fünf Künstlerinnen gewidmet ist, die im Prospekt als Päpstinnen der zeitgenössischen Kunst besungen
werden: Camille Claudel ist eine von ihnen, welche ich vor meinem Besuch nicht kannte, wie auch nicht die weiteren vier Frauen.

Doch diese Päpstinnen, so scheint  es mir,  sind nichts anderes als ein kulturpolitisch willkommener, wenn auch gewundener Anlass, damit die Stadt Avignon im Jahre 2013  die wirklich erstaunliche, die umwerfende, die ganz grosse Geschichte erzählen kann, die innerhalb ihrer mittelalterlichen Gemäuer passiert ist, die Geschichte von Papst „Johannes Anglicus“, einer Person, die im 9. Jahrhundert gelebt hat und verehrt wurde. Johannes hatte ein grosses Charisma und ist schliesslich Papst geworden.

Und nun, liebe Leserinnen und Leser, wird folgendes bekannt:

Der Papst
ist
schwanger!

 Kann man sich eine grössere Schlagzeile vorstellen?

Falls nein: Wie hat die Oeffentlichkeit des 9. Jahrhunderts auf die News reagiert?

Antwort: Erstaunlich cool, wie die Fortsetzung der Geschichte zeigt.

 Die Päpstin Jeanne, wie Johannes Anglicus nun genannt wird, bringt in aller Oeffentlichkeit ihr Kind zur Welt, was uns sagt, dass die Geburt in der Geschichte der Menschheit nicht immer ein privates Ereignis zwischen Hebamme, Kindsmutter und fortschrittlichen Vätern plus dem Kind gewesen ist.

Doch dies nur nebenbei.

Denn mit der Mitteilung über die öffentliche Geburt  ist erst die halbe Geschichte erzählt. Es kommt nun eine zweite und wirklich schreckliche Nachricht:

Jeanne und ihr Kind
 sterben
 bei dem öffentlichen Akt.

Von dem Geschehen gibt es sogar Bilder. Heute wären sie verpixelt, doch das gab es damals noch nicht, und so können wir im 21. Jahrhundert das Kind sehen, das im 9. Jahrhundert gerade geboren worden ist, aber nicht lange zu leben hat.

Es ist von einer Menge Leute umgeben, die irgendwie an der Stätte der Geburt zu tun haben. Sie wirken alle sehr gefasst,  es gibt keine Aufgeregtheit, sondern eher so etwas wie eine feierliche Ruhe.

Soweit mein Eindruck.

Problematisch erscheint mir nun die Aufarbeitung des Geschehens. Denn wir Medienkonsumenten des  9. Jahrhunderts werden gut 1100  Jahre später mit  der Erklärung gefüttert,  es handle sich bei der Päpstin Jeanne und ihrem Kind  um eine Legende. Also erfunden.

Eine clevere Leistung moderner Kommunikationsprofis, muss ich sagen. Wobei mit modern das 14. Jahrhundert gemeint ist, denn seither hält sich hartnäckig die Legende von der Legende.

Ich will die Begründungen (auf Wikipedia) nicht zitieren, die die Nachricht von einer Niederkunft der Päpstin als haltlose Erfindung brandmarken. Sie ähneln mit ihren schwer überprüfbaren Quellenangaben sehr den Texten, die wir heutzutage täglich aus Politküchen vorgesetzt bekommen.

Für mich selbst ist klar:
-          Die Päpstin Jeanne hat gelebt.
-          Sie hat in Avignon ein Kind zur Welt gebracht.  
Es war die grösste Schlagzeile des 9. Jahrhunderts.

Montag, 24. Juni 2013

Malle

Die Bucht von Antraitx
Wir verweilen seit fast zwei Wochen auf Mallorca. Von Ibiza sind wir nach Antraitx gesegelt, fanden dort weder die im „Balearenführer“ versprochenen Schwimmstege noch die weite Ankerbucht. Alles fest in der Hand einer privaten Marina, die Bojen vermietet, zu 27 Euro pro Tag. Doch die Lage ist einmalig, das Städtchen mit den vielen Strassencafés hübsch und die Busverbindung nach Palma perfekt, weil man noch in einen leeren Bus einsteigt und dann sitzend   erlebt, dass in Santa Ponça auch der letzte Stehplatz belegt wird.
Ueberhaupt Touristen: Es gibt hier ausschliesslich Deutsche, also keine Schweizer, Oesterreicher, Franzosen, Russen von mir aus, Engländer.  Man spricht Deutsch: hinter und vor uns im Bus, in den Läden, am Nebentisch im Restaurant. Und als ich in Palma eine Auskunft für die Heimfahrt brauche, bemühe ich gar nicht erst mein schlechtes Spanisch, sondern rede die ältere Dame gleich auf Deutsch an. Inzwischen wissen wir von deutschen Freunden auch, dass die Deutschen nicht mehr Mallorka sagen, sondern Malle. Und deshalb: Uns gefällt Malle.

Mittlerweile sind wir am Anker in Santa Ponça, fast so hübsch wie Antratx mit Sonnenstrand und einem etwas abgelegenen schattigen Platz, wo die Einheimischen essen und schwimmen am Sonntag. Und nun wollen wir tun, was in Mallorca alle machen: Auto mieten und ein bisschen auf der Insel herumfahren, Sehenswürdigkeiten angucken, doch  wandern wohl nicht, denn dafür ist es zu heiss.


Hier in Santa Ponça haben wir auch unser Dinghi repariert, doch das ist eine andere Geschichte: Inzwischen ist das Schlauboot wieder so dicht, dass alle 12 Stunden pumpen reicht. Auf dem Höhepunkt des Lecks waren wir froh, wenn wir mit ein wenig Restluft noch das Mutterschiff erreichten. Ich verstehe inzwischen, warum viele Segler  Banana-Boote und veritable Holzboote an Bord ihrer Jachten haben. Denn Luft ist tückisch, vor allem wenn sie gefangen ist und raus will. Dafür reicht – wie jeder Radfahrer weiss – ein Loch von der Grösse einer Hundertstel Stecknadelspitze. Und kein Zweikomponentenkleber kommt dagegen an, egal wie gross der Flick ist, den man über das Hundertstel-Stecknadelspitze-Loch klebt. 

Dienstag, 11. Juni 2013

Stege - Komfort, Erfindergeist und Design

Wir sind von San Antonio der felsigen Nordwestküste von Ibiza entlang  nach Sta Eulalia gesegelt und nach einer Woche am Anker nun in einer hübschen Marina, deren Mittelsaisonpreise noch einigermassen bezahlbar sind. Wie üblich im Mittelmeer haben wir mit dem Bug zum Ponton festgemacht, am Heck ist das Boot durch  eine sog. Muringleine gesichert.

Und das bringt wieder das Problem, wie man elegant an Land, das heisst vom Boot auf den Ponton gelangt und zurück aufs Boot. Der Anschauungsunterricht am Steg ist eindrücklich. Besonders unsere Freunde von der Abteilung Motorboote haben keine Mühen und Auslagen gescheut und höchst komfortable Stege auf ihren schwimmenden Villen  montiert. Die Stege sind aus Alu oder gar aus rostfreiem Stahl, eigentliche Maschinen, viele  hydraulisch höhenverstellbar und auch ausziehbar auf eindrückliche Längen.  Manche Stege sind sogar seitlich schwenkbar, haben das gleiche Teakdesign wie das Boot selbst und sind mit eleganten Handläufen ausgestattet, damit man sich festhalten kann beim Gang an Land.  Unter den Handlaufmodellen gibt’s wiederum  eine besonderes raffinierte Sorte,  deren Handläufe sich beim Einziehen des Stegs automatisch runterklappen.

Angesichts dieser Show aus Komfort, Erfindergeist und Design wollten wir nicht mehr zurückstehen. Wir bohrten vier Löcher in ein Brett, befestigten selbiges  mit Kabelbindern um die Sprossen unserer allseits beliebten Alu-Leiter. Fertig war der Steg. Die Hydraulik sind wir selber und das Brett ist halt Spanplatte und nicht Teak. Nun fehlt  nur noch ein schöner Handlauf, um sich festhalten zu können. Denn schmal sind sie alle, die Stege, egal ob hydraulisch, mit Teak oder eben  als simple Leiter.


Wenn ich reich wäre, würde ich einen mindestens doppelt so breiten Steg in Auftrag geben wie hier üblich, eine vertiable Fussgängerbrücke ca 80cm breit, die auf ihrer ganzen Länge  faltbar und natürlich  hydraulisch einziehbar wäre. Selbstverständlich in feinstem Teak und mit – hallo! – zwei Handläufen, je einen pro Seite. Das hat hier  niemand. Auf dieser Anlage meiner Träume müsste Agnes nicht mehr balancieren, wenn sie mit dem  schweren Wasserflaschenkarton vom Einkaufen kommt. Ist aber alles gut gegangen heute Vormittag. Ich stand auf dem Boot bereit und konnte den Karton nach dem Balanceakt sicher übernehmen. Unser neuer Steg mit Brett hat einen ersten Test also bravourös bestanden.

Freitag, 7. Juni 2013

Von Alicante zur Party-Insel

Für unsere Reise von Alicante nach Ibiza suchten wir in den Wetterdaten nach einem passenden Tag, der uns für 24 Stunden guten Wind anbieten würde. Doch wie bereits zuvor, mussten wir erneut einen Kompromiss eingehen: Zuerst motoren, um dann hoffentlich Wind zu bekommen.

So geschah es: Die ersten paar Stunden unseres 100-Meilen-Trips übernahm Herr Perkins, dann gab’s den versprochenen Wind, der dann irgendwann am Abend für einige Zeit wieder einschlief, bevor dann nachts erneut etwas Wind aufkam.

Uns wird nun langsam klar, warum wir im Mittelmeer so wenig Windsteuerungen an Booten sehen. Wir sind in den Häfen meistens die einzigen mit einer solchen Anlage, die einem auf langen, aber auch auf kurzen Trips das Steuern abnimmt, ohne Strom zu brauchen. Dafür haben lokale Bootseigner hier auf ihren Yachten in grosse Biminis (gegen die Sonnenbestrahlung) investiert, montieren hochziehbare Stege am Bug, um gut ans Land überzusteigen in den Marinas, und schleppen Dinghis nach, mit denen sie von den Ankerplätzen schnell und komfortabel ans Land gelangen können.

Überraschenderweise gerieten wir ein paar Stunden vor Ibiza in eine Strömung, die uns mit gut einem Knoten dem Ziel so schnell näherschob, dass sich die geschätzte Ankunftszeit von der Tageshelle am Morgen immer mehr in die Nacht hineinverschob. Weil wir nicht mitten in der Nacht an einem Ankunftsort  mit einem Ankermanöver andere aus dem Schlafe schrecken wollten, verlangsamten wir unsere Fahrt. Da wir nun wieder Wind hatten, zog ich das zweite Reff ein, die Genua kam ganz weg. Und nun war ich zum erstenmal in meinem Seglerleben glücklich, dass wir nur zwei Knoten Fahrt machten durchs Wasser.  Das ETA, die geschätzte Ankunftszeit,  verbesserte sich von 03:29 h auf halb acht Uhr.

Nach vier Uhr ging  kurz vor San Antonio ein grell oranger Schnitz am Himmel über den Küstenfelsen von Ibiza auf, ein abnehmender halber Mond, wie ich ihn noch nie gesehen hatte. Bald wurde es langsam hell. Und als wir das letzte Leuchtfeuer passierten, erlebte ich auf meiner Wache einen wunderbaren hellen und wärmenden Sonnenaufgang, für den ich gerne noch Eintritt bezahlt hätte. Um halb acht Uhr liessen wir den Anker fallen in der Bucht von San Antonio, wo es bereits gut zwei Dutzend weitere
Yachten hatte. Langsam nähern wir uns der Hochsaison.

Als wir später mit dem Dinghi an Land fahren und auf der Strandpromenade entlang spazieren, merken wir, dass wir auf jener Partyinsel gelandet sind, wie sie auf den Webseiten beschrieben wird. Wir haben hier zusammen mit Tausenden von Bikini- und Biertouristen aus ganz Europa die Wahl,  abends ins „Eden“ zu gehen oder lieber doch ins „Ants“. Bereits tagsüber vergnügt sich die Partygeneration in Club-Bars mit Djs und Swimming pools. Auch auf unserem Boot werden wir mit Musik beschallt, doch wir haben Glück: Musik aus den Seventies wird in unserer Nähe am Land aufgelegt, etwas weiter östlich in der Bucht wäre es Techno, nicht unser Stil.
Ueberhaupt: Wir gehören hier nicht so richtig dazu, weil wir allein zu zweit unterwegs sind und nicht in Gruppen. Vor den Bars spricht uns niemand an und will uns als Gäste gewinnen. Wir  fallen auch insofern aus dem Rahmen als wir keine Tattoos zum Vorzeigen haben und keine Body paintings. Statt mit blossem Oberkörper und Bierdose in der Hand sind wir im T-Shirt und mit Lidl-Tüten unterwegs – oder mit dem Benzinkanister, weil wir ein paar Liter 95er Benzin für unseren Generator holen müssen.

Irgendwann überlegen wir uns dann, was unser nächstes Ziel sein könnte, je nach Wind könnten wir erst nördlich gehen, oder dann westlich Richtung Formentera. Im ärgsten Fall ist halt dann wieder motoren angesagt.

Sonntag, 26. Mai 2013

Cartagena - Alicante

Auf der Wetterseite von www.grib.us wurde ein südöstlicher Wind angezeigt, der ab 15 Uhr zu haben wäre. Gut, dachte ich. Dann muss ich am Morgen erst vier Stunden  von Cartagena zum Cabo des Palos motoren, um von dort  in nördlicher Richtung nach Alicante in den Genuss dieses guten Windes  zu kommen.

Gesagt, getan – und siehe da: Bereits um 13.30 Uhr kommt der vorausgesagte SO, sodass ich zum Grossegel die Genua ausrolle und nun mit gut 5 Knoten wunderbar segeln kann.

Der Wind  war genau betrachtet mindestens  eine  halbe Stunde zu früh eingetroffen. Denn ich hatte vor ein paar Tagen gerade gelesen, dass die Voraussage 15 Uhr in den Grib-Daten ein Eintreffen zwischen 14 h und 15 h bedeute. So genau nehmen es die Wettermacher heute.

Der Wind war so gut, dass ich nach einer Weile das erste Reff einziehe, weil das Boot zuviel Druck auf dem Gross hatte und der Autopilot ein bisschen angestrengt in die Welt blickte.

 Ich schrieb Agnes ein SMS : “ SO 3-4 Kurs 022. Great sailing.“  Dass sich ein wolkenloser Himmel wölbte über dem Mittelmeer und ich im T-Shirt unterwegs war, liess ich weg. Denn meine Frau hatte mir  tags zuvor berichtet, dass man in der Bretagne heizen müsse.

Je länger der schöne Nachmittag dauerte, desto mehr fürchtete  ich, dass  irgendwann noch bad news kommen, zum Beispiel der Motor nicht starten würde vor der Hafeneinfahrt oder sonst irgend ein Mist.  Doch nichts dergleichen. Ich komme wie geplant in Alicante an, mache am Pier fest. Und kriege meinen Platz.


Dann suchte ich eine Bar, um den Final im Wembley  zu sehen. Und da gab es dann die bad news, die mir auf dem Trip nach Alicante mit dem guten Wind erspart geblieben war: Der BVB verlor gegen die Bayern mit 1:2.

Dienstag, 21. Mai 2013

Wir basteln uns einen Barlow-Schlüssel

So, liebe Kinder, weil's heute regnet bei uns in Cartagena, wollen wir wieder einmal miteinander basteln. Wir haben uns etwas ganz besonders Schönes ausgedacht, einen hübschen Schlüssel nämlich, mit dem wir unsere Barlow-Wintschen aufschrauben können.
Zu diesem Zweck kaufen wir beim König Merlin in der Maschinenabteilung einen kleinen Flanschschlüssel von Wolfcraft. Dieses Schlüsselchen kommt mit Löchern in verschiedenen Abständen und mit zwei kleinen Zapfen. Doch: Oh weh! Die Abstände in den Wintschen sind viel zu gross für das Schlüsselchen! Und die Zapfen sind viel zu dünn.

So nehmen wir nun Mass, bohren ein kleines Loch,  stecken Schrauben durch, ziehen sie mit Mütterchen an. Und fertig ist unser Barlow-Schlüssel. Jetzt schnell probieren, ob's auch geht.

Schraubschraubschraub!

Schaut alle her!

Schon dreht sich das Deckelchen mit den Schräubchen und dem Schlüsselchen!

Wenn wir unser Schlüsselchen  ganz perfekt machen wollten, dann würden wir jetzt die Schräubchen noch auf die richtige Grösse absägen. Doch, liebe Kinder, das machen wir nicht. Wir wollen nicht perfekt sein. Denn perfekte Leute sind blöd! 

Statt dessen überlegen wir uns lieber, was wir das nächste Mal miteinander basteln könnten, wenn's wieder einmal regnet am Mittelmeer. Habt Ihr eine Idee?

Samstag, 27. April 2013

Caleta nach Cartagena


Wir überlegten uns lange, wie wir von Caleta de Velez bei Malaga ostwärts kommen könnten: Alle Tagesetappen, die wir ausheckten, erschienen uns zu lange – früh aufstehen und spät nachts ankommen -, sodass wir uns entschieden, in einem Schlag nach Cartagena zu segeln.
Wir warteten also in Caleta, bis die Ostwindlage endlich abflaute und sich so etwas wie Westwind abzeichnete. Donnerstag und Freitag  erschienen uns einigermassen vielversprechend – und so legten wir los. Doch auch auf diesem Trip musste unser Motor, der getreue Perkins wieder Schwerarbeit leisten, gesegelt sind wir auf dem 180 Meilen-Trip nur ein paar Stunden. Irgend etwas machen wir falsch in diesem Mittelmeer.
Doch landschaftlich war die Küstenfahrerei eine grosse Ueberraschung: Entlang der Costa del Sol zogen den ganzen Tag Gebirge an uns vorbei, die uns an den Alpstein erinnerten: Wir sahen etwas klein geratene Säntisse, diverse, eher zu grosse Kronberge, den Kamor, ohne Hohen Kasten allerdings. Und auch ein Vrenelis Gärtli war darunter, schneebedeckt wie das Original. Unter den Bergen an der Küste lag ebenfalls Schnee – sah jedenfalls so aus: kilometerweit gibt es hier Plastikplanen, unter denen jenes Gemüse reift, das in der Migros mit „Spanien“ angeschrieben ist.
Ueberrascht sind wir Mittelmeer-Neulinge, wie einfach die Navigation ist. Eigentlich könnte man sich die ganze Elektronik sparen und die entlang der Küste aufgereihten Torre, Türme, peilen, man wüsste immer genau, wo man ist und „Hindernisse“ scheint es hier keine zu geben, nicht mal Tuna-Netze, obschon überall die Fischer unterwegs sind. Traffic gab es in den zwei Tagen und in der Nacht kaum, wir sind praktisch die einzigen Segler, gerade mal ein Kat oder ein Brite, der mit seiner Beneteau westlich motort.
Für Spannung sorgte das Barometer. Am ersten Tag erlebten wir einen Fall von 10 Punkten in knapp drei Stunden. Das kann ja interessant werden, dachte ich. Und siehe da: Plötzlich war Wind da, nicht zu knapp, sodass wir nach dem 1. Reff gleich das zweite einzogen und die Genua um die Hälfte einrollten. Dann ging’s flott voran – doch nach gut zwei Stunden war die Herrlichkeit schon wieder vorbei und wir mussten Herrn Perkins erneut bitten,  zu einer  Sonderschicht anzutreten.

Nun sind wir eine Weile in Cartagena, wo römischer Bauschutt rumliegt, den es zu besichtigen gilt. Und riesige Container-Schiffe, die gleich nebenan an den Kai bugsiert werden, wo sie ruckizucki entladen werden.Sicher finden wir hier  auch einen Aldi, wo es den  Fond für eine Salmorejo zu kaufen gibt, eine feine kalte Suppe, die wir in Malaga kennengelernt haben.

Montag, 22. April 2013

Der kleine Klavierspieler

Zu diesem Video aus  der Fussgängerzone von Malaga ist mir die Geschichte vom kleinen Klavierspieler in den Sinn gekommen. (courtesy "The Prairie Home Companion"):

A guy walks into a bar, takes a small piano out of his back bag, puts it on the bar, then a tiny stool and  finally out of the bag comes a little piano player. 

The little piano player starts playing.  

Bartender says "how'd you get that little guy to play the piano like that?"

The guy says "I have a magic genie, you can have one wish from it"

The bartender looks at the little piano player and wishes for a million bucks.

A moment later he  sees  a million ducks flying away from the bar.

Bartender says "HEY, your genie doesnt work! I asked for a million bucks and I got a million ducks!"

The guy looks him in the eyes, takes a deep breath  and says: "Do you really think I asked for a little piano player?""


Samstag, 20. April 2013

Ostwärts im Mittelmeer


Ein Freund hatte uns geraten, wenn immer entlang der spanischen Mittelmeerküste Westwind herrsche, diesen zu nutzen, um ostwärts zu gelangen.

 Diesen Luxus haben wir leider bisher nicht serviert bekommen. Im Gegenteil: Seit wir das Mittelmeer kennen und auf alle Ewigkeit herrscht hier Ostwind. Und wenn wir vorwärts kommen wollten in den letzten Tagen, so mussten wir erstens einen Tag wählen mit schwachem Wind gegen uns und zweitens motoren. Der schwache Ost nämlich transformierte sich in Küstennähe jeweils in einen Südost, genau richtig, um unter Motor mit dem Grossegel gut vorwärts zu kommen. Bei diesen unseglerischen Fahrten kriegten wir regelmässig Bonus-Meilen in Form von Strömung, sodass wir gute Etappenzeiten machten.

Unserer „Miranda“ muss das alles bekannt gewesen sein, denn das Boot hatte das Mittelmeer 1997 verlassen, unter ihrem  früheren Besitzer, wie wir noch im portugiesischen Hafen von Vilamoura erfahren hatten, wo die gesammelten Daten des vorletzten Aufenthalts gespeichert waren. So viel zur Kontroverse um Datensammler wie Google und Facebook.

Inzwischen sind wir in Caleta de Velez gelandet, einem kleinen Hafen mit zahlreichen Fischerbooten, die täglich ein- und ausfahren, und untouristischen kleinen Beizen sowie Läden, die nicht für Urlaubs- sondern Alltagsbedürfnisse eingerichtet sind.


Brett für die Brücke an Land.
Und so haben wir bereits einen Ausflug nach Torre del Mar gemacht, per Bus, um ein dringend benötigtes Brett zu kaufen, damit wir vom Boot auf den Steg übersteigen können. Denn: Wir sind jetzt im Mittelmeer, wo es keine seitlichen Stege an den Pontons gibt, an denen man festmacht. Sondern, wo Boote mit einer sog. Muringleine  „angebunden“ werden, einem mit Hafenschlick besetztem Seil, das auf dem Grund liegt und das man beim Festmachen aus dem Wasser hoch zieht und  von der Hafenmauer seitlich ans entfernte Ende des Bootes führt. Nach der Prozedur muss man die Hände waschen und das Boot vom Schlick reinigen. Plus eben das Brett als Brücke zum Land installieren.

Weil die Wetterprognose stärkeren Ostwind voraussagt, bleiben wir eine Weile hier, werden uns Malaga anschauen und dort das Geburtshaus des grossen Sohnes der Stadt (Picasso). Weiter möchten wir Granada besuchen, um die Alhambra zu besichtigen. Denn das Wetter, muss man sagen,  ist für solche Ausflüge schlicht  ideal: Ostwind bringe schönes Wetter, hatten uns Einheimische gesagt. Und das stimmt,  es herrscht Wetter, wie geschaffen für sonnigen, frühlingshaften Landurlaub. Segeln können wir dann wieder, wenn der Wind dreht. Wenn…

Samstag, 13. April 2013

Gibraltar - der grösste Duty-free-Shop


Gibraltar ist wie ein moderner Flughafen: voll von Duty-free-Geschäften. Einen gewichtigen Unterschied gibt es: Man betritt die Duty-free-Anlage nicht nach dem  Check-in und der Sicherheitskontrolle, sondern erreicht sie, indem man  die Flugpiste zu Fuss überquert, möglichst dann, wenn nicht gerade eine Maschine startet oder landet. Schilder warnen  davor, die Piste bei Rotlicht und geschlossenen Barrieren zu betreten, weil „Sie selbst im Flugzeug sitzen“ könnten.
Die Strasse  führt über die Flugpiste.

Die Logik musste ich mir erst durch den Kopf gehen lassen. Gemeint ist wohl, dass ein Fussgänger auf der Piste die Maschine gefährden könnte und selbige  verunglücken würde – mit all den Passagieren drin. Wenn das kein Argument ist, das Rotlicht zu beachten!

Wir überquerten die Piste also bei grünem Licht, schlenderten durch die Hauptgasse mit all den Duty-free-Geschäften, verglichen die Preise der Kameras in der Hoffnung, dass eine eben in der Schweiz gekaufte kleine Canon hier nicht billiger zu haben wäre, kehrten in einem echt britischen Pub ein, genehmigten uns ein echt britisches Bier („Carling“) und verwarfen  den verlockenden Gedanken an "Fish’n’Ships", wie Deutsche gerne sagen..

Dafür beschlossen wir, den Whisky-Vorrat aufzustocken, da wir in einem Geschäft am Hauptplatz unsere Lieblingsmarke entdeckt hatten. Sie heisst „Laphroaig“ und hat deshalb privaten Kultstatus, weil  Inspektor Banks in den Romanen von Peter Robinson „Laphroaig“ trinkt.

Auch Duty free: Die besten Bohnen für den Zmorge.
 Später am Nachmittag spazierten wir wieder zurück, zusammen mit Hunderten von einheimischen Einkaufstouristen, die in dem britischen Ueberseegebiet auch Lebensmittel kaufen: Es gibt britische Supermarktketten mit britischem und grossem spanischem Angebot. Dort fand ich auch meine Lieblingskonserve, die ich noch nie ausserhalb Grossbritanniens gesehen hatte: Miniportionen von Heinz Bohnen mit Würstchen an Tomatensauce. Das gehört zu einem echt britischen Frühstück, finde ich,  wie Gibraltar zu Grossbritannien.

Durch die Strasse von Tarifa nach Gibraltar

In der Strasse von Gibraltar bei Tarifa
Von Barbate segelten wir nach Gibraltar. Der Ort war uns von Freunden als ideales Startloch empfohlen, um mit einer guten Tide durch die Strasse von Gibraltar zu kommen. Wir rechneten also und legten dann drei Stunden vor Hochwasser Gibraltar ab. Ein leichter Westwind trug uns Richtung Meerenge, doch nach zwei Stunden fiel der himmlische Schub zusammen und wir mussten, nun mit ca 0.5 Knoten Strömung, motoren. Die marokkanische Küste kam immer näher, vor Tarifa schliesslich nahmen wir Kurs nach Osten Richtung Gibraltar. Eigentlich müsste die Oeffnung zum Mittelmeer "Strasse von Tarifa" heissen, denn Gibraltar ist nicht die engste Stelle. Ich überlege mir, ob ich dies dem Weltverband der Karthographen unterbreiten soll, zweifle jedoch, ob ich mit dem Antrag durchkommen würde. Manche Begriffe sind einfach nicht mehr wegzukriegen.

Wir (grünes Symbol) und die "Fedora"
In der Strasse von Tarifa nun bei 2 Knoten und mehr Strömung, hatten wir Gelegenheit, unser neues Antikollisionssystem auszuprobieren. Abgesehen von einer marokkanischen Schnellfähre, die sich von achtern näherte und glaubte, uns aus dem Weg hupen zu müssen, war das Antikollisionssystem vor allem dazu da, den Gwunder zu stillen. Wir mussten nicht mehr wie früher rätseln, wohin die Frachter wohl unterwegs seien, die in der Strasse von Tarifa wie an einer Perlenkette aufgereiht (so die gängige Metapher) Richtung Westen unterwegs waren. Nun konnten wir ganz einfach auf dem Laptop nachschauen. Das Cargo Ship "Fedora" zum Beispiel war auf dem Weg nach Bristol. Aha, wer hätte das gedacht: Ein Frachter voller neuer Autos (Seat aus Barcelona?) auf dem Weg nach England (rechtsgesteuerte Modelle?) - - -  So bringt man die Langeweile beim Motoren hinter sich.

Bald sahen wir den Felsen von Gibraltar, nahmen Kurs in die Bucht, wo unser Antikollisionssystem noch einmal zeigte, was es kann: Eine sich nähernde Passagierfähre bekam einen Closest Point of Approach (CPA), also nächste Annäherung, von 26 Metern. Zu unseren Gunsten kann ich sagen, dass wir schon vor der Anzeige gesehen hatten, dass es knapp würde und bereits ausgewichen waren. Gut war aber auch, mit dem AIS rasch zu erkennen, welche Frachter (sehr langsam) unterwegs waren und welche vor Anker lagen, auch das zeigt das System. 

Man kommt sich ein bisschen vor wie ein Fluglotse bei dieser Art elektronischem Segeln (oder besser gesagt Motoren) und die Sache war ein voller Erfolg. Wir feierten die Ankunft in La Linea, dem spanischen Hafen nördlich von Gibraltar, mit einer Flasche Vinho Verde aus Portugal und einem feinen Laucheintopf mit Schaffleisch und getrockneten Zitronen, eine orientalische Spezialität, weil das Mittelmeer uns ja dereinst bis zum Orient führen könnte.

Die Schlacht von Trafalgar


Wie oft denken Sie tagsüber an Sex? Und wie oft an die grossen Seeschlachten der Geschichte? Sehen Sie! Bei uns war es bis gestern auch so. Doch dann segelten wir von Cadiz nach Barbate, hatten einen schönen Wind und kamen an jenem Kap vorbei, das dem Trafalgar Square in London den Namen gab. „Die Engländer haben gewonnen, sonst gäbe es den Namen nicht mitten in der City“, sagte ich. Und bekam einen Punkt. „Nelson“, sagte Agnes und bekam ebenfalls einen Punkt. Nun war es 1:1. Doch nun, bei den Gegnern der Engänder,  ging meine Frau in Führung: „Die Franzosen.“ 2:1 für sie.

 Unglaublich, wie manche Leute Schulwissen über Jahrzehnte konservieren. Sie nennt ihn noch dazu „Commodore“ und baut damit die Führung aus.  

Wir hatten nun die Strömung gegen uns und alle Zeit in der Welt, um zu überlegen, wie die Schlachtschiffe wohl agiert hatten, falls „agiert“ das richtige Wort ist. Nämlich mit Wind aus Nord und Strömung nach Nordwesten setzend. Und aufkreuzen konnte man mit diesen Ungetümen ja auch nicht. Später beschlossen wir, alles einmal in Wikipedia nachzuschauen.

In Barbate angekommen ergab die Lektüre in Wikipedia: Nelson in der Tat; er verlor kein einziges Schiff, kam aber selbst ums Leben, nicht als Admiral (wie ich gedacht hatte), sondern als Vizeadmiral, der ewige Zweite sozusagen. Ein ungewöhnlicher Fall:  kein eigenes Schiff verloren, aber Chef weg,.

Bei der Looser-Flotte handelte sich übrigens um eine Koalition aus Franzosen und Spaniern. Und das alles ist lange her, passierte im Jahr 1805, dem gleichen Jahr, als Beethovens „Eroica“in Wien uraufgeführt wurde. Auch das steht in Wikipedia.

Mittwoch, 10. April 2013

Seekarten auf dem Handy


Ich habe seit ein paar Wochen ein neues Handy, das erste Samsung meines Lebens; es läuft unter Android 4.1. Im App-Store stöbernd entdeckte ich schon am ersten Tag beim Ausprobieren des neuen Spielzeugs jene Seekarten, welche ich mit einem Chip bereits auf einem Laptop und zur Sicherheit auf einem zweiten, kleinen  System (Lowrance Elite 4M) installiert habe. Ich konnte nicht widerstehen und kaufte das Europa-Kartenset für Android für 24 Franken, ein Klacks wenn man weiss, dass allein schon die beiden Chips mit dem europäischen Atlantik und dem Mittelmeer über 400 Franken gekostet hatten.
Was sind nun die Billig-Karten auf dem Android wert?
Heute machte ich einen ersten Test. Ich gab mit dem Zeigfinger  zwei Routenpunkte ein für eine Strecke von Cadiz nach Rota und setzte mich mit dem Phone aufs Oberdeck der Fähre. Und siehe da: Wie auf meinem Laptop wird das Boot, bzw. seine GPS-Position, mit einem Dreieck gezeigt, das an der Spitze einen langen Pfeil hat, sodass man Richtung und mutmassliches Ziel mit einem Blick erkennt. Um Details zu sehen, bewegt man die Finger gleich wie bei den Fotos, einfacher geht’s nicht. Der kleine Bildschirm zeigt  alle gewünschten Details etwa drei Seemeilen voraus, bei unserem Segelboot sind das ca 30 Minuten, ausreichend also  für die Planung und Navigation.
Einziger Nachteil: Die vielen Features des Programms auf dem grossen Rechner sind nicht vorhanden, also keine Peilungen, kein Antikollisionssystem, keine Alarme usw usf. Doch darauf könnte ich im Notfall verzichten. Denn eines wurde schnell klar: Im ärgsten Fall, wenn der letzte Laptop abgestürzt, alle Papierkarten und Hafenhandbücher über Bord gegangen sind und ich allein mit meinem Handy wäre: Ich hätte eine gute Chance, den rettenden Hafen zu finden. Was will man mehr für 24 Franken?

Von Lagos nach Cadiz


Nach einem halben Jahr Urlaub in Lagos an der Algarve sind wir wieder unterwegs. Mit neuem Antifouling und einer guten Brise aus Nord hatten wir einen wunderbaren Trip nach Osten nach Vilamoura, einem klassischen Ferrienort für Nordländer, diein diesen Tagen  in den chicen Bars gerade den Frühling geniessen.

Wir wollten erst direkt nach Cadiz, doch am Ende eines sonnigen, aber kühlen Tages fanden wir, Vilamoura tue es auch. Schliesslich duschen wir zu Hause auch nicht kalt.

Am andern Tag ging es dann bei wenig Wind, dafür um so wärmeren Temperaturen Richtung Cadiz, wo wir kurz vor Mitternacht im Hafen Rota, im Norden der Bucht von Cadiz, anlegten. Zum erstenmal seit zweieinhalb Jahren sind wir nun wieder in Spanien. Und uns scheint, die Krise des Wirtschaftssystems sei um vieles schlimmer geworden als das, was wir noch vor drei Jahren  eine Finanzkrise nannten.

Denn überall in der Kleinstadt Rota sind Läden eingegangen und zu vermieten. Das ärgste: Tagsüber sind auffallend viele Männer im arbeitsfähigen Alter unterwegs, stehen herum oder  lesen in Bars vor leeren Tassen ausgiebig ihre Zeitung. Im Norden vor drei Jahren waren uns vor allem halbfertige Hausbauten aufgefallen. Nun, so haben wir den Eindruck, wird nicht einmal mehr halbfertig gebaut.

Sonntag, 17. März 2013

Der letzte Marathon


Ich komme langsam in ein Alter, wo ich Sachen „das letzte Mal“ mache. Und so bin ich diesen Sonntag den (wahrscheinlich) letzten Marathon gelaufen. Der Trainingsplan war aus einer gewissen Verlegenheit entstanden: Was macht man jeden Vormittag an einem Ort wie Lagos, an der Algarve, wenn man nicht arbeitet und in Gottesnamen nicht dauernd am Boot herumbasteln kann. Lesen? Der Morgen ist  für mich keine Lesezeit, ausser im Zug oder im Flugzeug. Posten? Soviel gibt’s auch nicht jeden Tag einzukaufen. Bleibt das Internet – oder eben sportliche Ertüchtigung.

Weil das Winterwetter in Lagos für ein Jogging-Training geradezu ideal ist (kühl, aber nicht zu kalt für die Muskeln und Sehnen), wurde der Plan geboren, nach Washington (einmal) und Zürich (zweimal) ein viertes Mal die Strecke über gut 42 Kilometer zu laufen. Ich legte mir eine Trainingsstrecke zurecht, buchte den Marathon von Barcelona plus Flüge für 25 Euro und trainierte zuletzt knapp 80 km pro Woche, insgesamt etwa 1500 km seit letzten September. Die Trainings fanden jeden zweiten Tag statt, an den freien Tagen ging ich ins Fitness zwecks Rückenstärkung und zum Schwimmen als Dessert.

Und gestern also war nun der grosse Tag: Bei trübem, d.h,. idealem Wetter und ca 12 Grad machte ich mich kurz nach halb acht Uhr in Barcelona von unserem Hotel auf zum Startplatz. Da ich aus Aufregung viel zu früh dran war, hatte ich Zeit, die übrigen Freizeitsportler zu betrachten. Es ist unglaublich, wieviel unterschiedliche Stilformen sich für diese ziemlich uniforme Sportart herausgebildet haben: Gross in  Mode sind Kompressionssocken, die Oberprofis haben sich zusätzlich eine Art Kompressionsärmel übergezogen. Dann gibt es erstaunlicherweise Leute, die in zwei verschiedenen Schuhen, also kein einheitliches Paar, antreten. Weiter waren jede Menge verschiedenartiger Shorts zu betrachten, einzelne Frauen trugen hübsche Jogging-Röckchen. Weiter wird mittels Leibgurt jede Menge von Powernahrung mitgeführt. Ein Franzose hatte „Coup de Fouet“ bei sich, ein treffender Produktname, finde ich; ich hatte 2 Isostar Gel (Peach) im Hosensack meiner Hugo-Durchschnittsshorts.

Und dann ging’s los. Eine wundervolle Strecke, ein echter City-Marathon. Besonders stolz bin ich, am Stadion des FC Barcelona entlang gelaufen zu sein, während ich die architektonischen Werke von Gaudi nicht verstehe, höflich gesagt. Ich finde sie nämlich scheusslich und ich bleibe bei dieser Meinung, obschon ich weiss, dass Leute extra wegen dem Gaudi nach Barcelona pilgern.

Der Parcours ging lange Alleen rauf und auf der Gegengeraden wieder runter. Das Publikum war hinreissend und feuerte uns hintere Chargen an, als ob wir reelle Chancen auf einen vorderen Platz hätten.
Hatten wir nicht, wie ich natürlich zum voraus wusste. Meine grosse Krise kam überraschenderweise bereits bei Kilometer 17, wo ich mich im Training jeweils noch total frisch gefühlt hatte. Ich war so miserabel dran, dass ich bereits nach Taxiständen Ausschau hielt; sicherheitshalber hatte ich eine 20-Euro-Note bei mir.

Das Isostar Gel wirkte dann jedoch Wunder, weil – so vermute ich – in dieses designte Food Glückshormone hineinmontiert werden, welche selbst in der ärgsten Krise für gute Stimmung sorgen, ähnlich wie die Fernsehunterhaltung in Ländern wie Portugal und Spanien angesichts der Krise, die die Menschen mit brutaler Härte trifft.

Aber item: Ich wurde immer langsamer und bei Kilometer 30 war klar, dass wir über eine Zeit auf der falschen Seite von 5 Stunden reden würden. Ich plagte mich über den Rest der Strecke mittels der Taktik des compartmentalizing. Das heisst: Man sagt sich nicht dauernd: „Jesses, noch 12, 10, 8 usw Kilometer“  Sondern man hangelt sich von Kilometer zu Kilometer und freut sich über den 25er,der die Mitte zum 30iger beinhaltet, dann den 26igsten, um schliesslich den 27igsten echt zu feiern, weil danach bereits der zweitletzte der 20er kommt usw usf.

Hat alles nichts genützt:  Als ich später im Hotel mit sauren Muskeln in den Beinen, aber einer Dose Bier in der Hand auf der Webseite meine Zeit nachschaute, war sie noch um 4 Minuten schlechter als die selbstgemessene: 5:19 Uhr. Grottenschlecht.  1:06 h  mehr als mein bester Marathon vor knapp 20 Jahren und mehr als eine halbe Stunde schlechter als die beiden Zürcher Ergebnisse.

Aber so ist es halt: ich werde älter und vielleicht ist es angesichts der gelaufenen Zeit nicht schlecht, wenn ich sage: Das war mein letzter Marathon.

Dienstag, 5. Februar 2013

Pyros


Wer als Fussballfan MIT Pyros erwischt wird, gerät in Schwierigkeiten. Wer als Segler KEINE Pyros bei sich hat, ebenfalls. Beide wissen, dass das Abbrennen der Fackeln gelernt sein muss. Neuerdings will den Fussballfans (nicht den Seglern) die Stadt Zürich gar ein kontrolliertes Umfeld für gekonntes Abbrennen bieten.
Gut so. In Lagos machen wir das genau gleich. Dort traf sich diese Woche an einem sonnigen Vormittag nämlich unsere internationale Seglergemeinde am Strand. Die Teilnehmer der Uebung brachten alle ein paar Pyros mit, deren Datum längst abgelaufen war; die guten behalten wir selbstverständlich an Bord für den Notfall, will heissen: für den Fall einer Kontrolle durch die Küstenwache

Ein älterer Brite kam mit Fackeln, die bereits seit 1992 nicht mehr ganz frisch sind. Er sagte, es falle ihm schwer, sich von ihnen zu trennen, weil er so viele Meilen mit ihnen zusammen zurückgelegt habe.
Wir von der Miranda II  hatten Fackeln von 2007 in einem kleinen gelben Koffer mitgebracht; die Jahrzahl bedeutet, dass die Dinger auch gut 8000 Meilen hinter sich gebracht haben seit ihrer besten Zeit. Wir hatten zwar immer wieder neue gekauft, aber die alten dennoch behalten, weil ein paar besonders schöne Exemplare darunter waren: Rauchpetarden zum Beispiel, die ich mit ihrem aufsehenerregenden dichten und sehr orangen Supernebel noch nie auf einem Spielfeld gesehen habe. Auch die Fallschirmfackeln hatten wir für den Notfall trotz abgelaufenem Datum behalten, weil man davon – finde ich - nie genug haben kann. Denn sie steigen hoch in den Himmel und leuchten lange und ausgiebig, um in der Not (vielleicht) von einem Frachterkapitän gesehen zu werden.

Die Übung selbst, das kontrollierte Abbrennen, verlief unter kundiger Leitung unspektakulär. Man öffnet jeweils auf der Unterseite der Fackel den Plastikdeckel. Dann passiert zur allgemeinen Ueberraschung noch gar nichts. Denn nun muss man erst an einem Draht ziehen, der wie eine Feder unten an der Fackel heraus guckt. Und dann: Wwwuuuuschsch, brennt das Ding hell und klar - oder schiesst gen Himmel.

Das wichtigste ist, die Fackel richtig in der Hand zu halten, nämlich vertikal (also nicht so wie auf dem Bild oben!), sodass  man nicht verletzt wird für den Fall, dass der Schuss buchstäblich hinten heraus geht. Alles schon vorgekommen, wie erfahrene Uebungsteilnehmer mit wichtiger Miene berichteten. Echte Pyros-Profis zeichneten sich an dem Vormittag  dadurch aus, dass sie die Fackeln nicht mit der blossen Hand hielten, sondern mit einem Handschuh für den Fall einer unerwarteten Hitzeentwicklung.

Ich hatte keinen solchen Handschuh bei mir, dafür die richtige Mütze: Die schöne schwarze Limited Edition mit der Jahrzahl 1879 des FC St. Gallen.

Samstag, 5. Januar 2013

Neues Jahr - neue Fenster


Unsere Acryl-Fenster waren auf beiden Seiten zerkratzt, hatten Spalten, die nur notdürftig mit Dichtungsmasse verklebt wurden – und waren an einer Stelle immer wieder undicht. Wir mussten deshalb mitten auf dem Atlantik nachdichten, wozu wir kleine Sikaflex-Tuben bei uns hatten  (keine grossen, weil  die einmal angebrauchte  Masse eh nur austrocknet).

Irgendwann im Sommer entschlossen wir uns, während des Winters dann neue Fenster zu basteln, kauften in Lissabon schon mal das Acryl, welches unter dem Namen Polycarbonat vertrieben wird.

Und nun also, Anfang Januar,  war es soweit: Wir hatten gute Vorsätze gefasst und sollten nun also daran gehen, unserem Boot neue Fenster zu verpassen.

 Als erstes schraubten wir die alten Fenster ab, und legten sie  auf die im Sommer gekaufte Acryl-Glasplatten, damit die Formen abgenommen werden konnten. Dann sägten wir die neuen Stücke mit der Stichsäge aus und machten je zwei Referenzschraubenlöcher von jedem alten Glas ins Neue. Bei diesen Arbeiten verwendeten wir  Bohrer und Sägeblätter, wie sie für das Bohren bzw Sägen von Metall gebraucht werden.¨
Die neuen Fenster sind provisorisch aufgeschraubt worden,¨
so ist sicher, dass die Schrauben passen.

Nach dem Aussägen der neuen Formen ging es ans Anpassen. Die neuen Stücke wurden mit den zwei Referenzschrauben in die richtigen Löcher im Alu geschraubt. Dann bohrten wir die übrigen Bohrlöcher, und zwar indem wir sie mit einem dünnen Bohrer von innen im Boot durch die Alu-Löcher hindurch im Acryl zuerst markierten. In einem weiteren Arbeitsschritt nahmen wir das neue Fenster mit den vormarkierten Bohrlöchern wieder ab und bohrten die 5.5mm grossen Löcher ins Acryl.


Dann haben wir die neuen Fenster  - noch ohne Dichtungsmasse - total ans Alu angeschraubt (siehe Bild oben links), um sicher zu sein, dass die neuen Schraubenlöcher auch wirklich auf die bestehenden Alu-Löcher passen. Wir fanden, der Mehraufwand lohne sich. Denn wenn einmal Dichtungsmasse ins Spiel kommt, ist es für nachträgliches Anpassen und Bohren zu spät.

 Während nun die schönen neuen Fenster ohne Dichtungsmasse angeschraubt waren,  klebten wir Abdeckband entlang der Fensterkanten, damit die später herausgedrückte Dichtungsmasse nicht das Alu verkleckern würde. Schliesslich wurden die eben provisorisch verschraubten Fenster wieder abgenommen, die Dichtungsmasse (Sikaflex) auf das Alu aufgetragen, die Fenster drauf gelegt und nun definitiv angeschraubt. Hier ein Tipp:  Damit man beim Anpassen der Fenster sehen kann, wo unter der aufgetragenen Dichtungsmasse die Schraubenlöcher versteckt sind, stösst man ein paar Zahnstocher von innen her durch die Dichtungsmasse.

Tipps für jedermann

Schutzfolie auf beiden Seiten schützt das neue Fenster vor
der Dichtungsmasse.
Hier ein paar weitere Ratschläge, die wir entweder bekommen haben oder die uns selbst wichtig sind.

1.       1. Die Löcher für die Schrauben im Acryl müssen etwas grösser sein als die Schrauben selbst. Wir haben 5er Schrauben genommen und die Löcher 5.5mm gebohrt. Grund: Acryl will sich in der Wärme ausdehnen können. Wenn es das nicht kann, dann gibt es schon im ersten Sommer Sprünge in die neuern Fenster.  Weiter sollten die Löcher ins Acryl von der Mitte der neuen Fensterstücke aus in Richtung der jeweiligen Enden  vormarkiert werden, wenn die Fenster (wie bei uns) leicht gebogen sind. Am besten ist, wenn man sie während des Markierens von aussen andrückt. Nur so ist sicher, dass die Löcher bei leichten Biegungen wirklich passen.

2.       2. Das Acryl wird mit Schutzfolie auf beiden Seiten angeliefert. Man nimmt diese Schutzfolie erst weg, wenn das Werk vollendet ist. Auf keinen Fall vorher. Grund: Die Folie schützt effizient vor Verschmutzung des Glases durch Dichtungsmasse (siehe Bild oben rechts).

3.       3. Ueberhaupt die Dichtungsmasse: Man muss höllisch aufpassen, dass man sie beim Anbringen  nicht ins  Gesicht, auf  Werkzeuge und auf das Znünibrot schmiert. Ergo immer Haushaltspapier und einen Abfallsack bei sich haben und mehrmals die Latex-Handschuhe wechseln.

       4. Die Schrauben müssen von Dichtungsmasse umgeben sein, damit kein Wasser eindringen kann. Wir haben das Problem so gelöst, dass wir  die Löcher im Alu mit Dichtungsmasse total überschmiert haben, dann haben wir die Schrauben von aussen durch das Glas und die Dichtungsmasse ins Innere gestossen. Dort wurden die Gewinde von der Dichtungsmasse gereinigt und erst dann die Muttern angebracht.

6.       5. Die Muttern zieht man zunächst nur provisorisch fest. Wenn die Dichtungsmasse dann fest geworden ist, nach circa einem Tag, zieht man sie  nach. Dabei muss ein Helfer oder eine Helferin die Schrauben mit einem Schraubenzieher festhalten. Diese dürfen sich nämllich auf keinen Fall drehen beim Festziehen der Muttern, weil sonst die Dichtung um das Gewinde reisst und dort  Wasser eindringen kann.

      Der Frosch-Moment

      Ganz zuletzt kommt das, was wir den Frosch-Moment nennen, der Moment also, wo der Frosch ins Wasser rennt. Im Fall von Fenstern ist es der Dichtigkeitstest. Man kann danmit bis zum ersten Regen warten oder bis die erste Welle über das Deck schappt. Wer es gerne schon vorher wissen möchte, spritzt mit dem Wasserschlauch Wasser auf die Schrauben - und siehe da;: eine undichte Schraube ist zu beklagen. Folge: Man nimmt sie raus, trocknet das nass gewordene Loch mit Ohrenstäbchen, schmiert Dichtungsmasse hinein, steckt die Schraube durch das Loch, zieht die Mutter fest an. Und macht einen neuen Dichtigkeitstest.

p   PS: Hier noch der letzte Tipp: Unbedingt schwarze (und keine weisse) Dichtungsmasse verwenden. Denn weisse gibt einen "gruusigen" Kontrast auf dem Alu, viel zu hell. Schwarz muss sie sein, die Dichtungsmasse.