Ich komme
langsam in ein Alter, wo ich Sachen „das letzte Mal“ mache. Und so bin ich
diesen Sonntag den (wahrscheinlich) letzten Marathon gelaufen. Der
Trainingsplan war aus einer gewissen Verlegenheit entstanden: Was macht man
jeden Vormittag an einem Ort wie Lagos, an der Algarve, wenn man nicht arbeitet
und in Gottesnamen nicht dauernd am Boot herumbasteln kann. Lesen? Der Morgen
ist für mich keine Lesezeit, ausser im
Zug oder im Flugzeug. Posten? Soviel gibt’s auch nicht jeden Tag einzukaufen.
Bleibt das Internet – oder eben sportliche Ertüchtigung.
Weil das
Winterwetter in Lagos für ein Jogging-Training geradezu ideal ist (kühl, aber
nicht zu kalt für die Muskeln und Sehnen), wurde der Plan geboren, nach
Washington (einmal) und Zürich (zweimal) ein viertes Mal die Strecke über gut
42 Kilometer zu laufen. Ich legte mir eine Trainingsstrecke zurecht, buchte den
Marathon von Barcelona plus Flüge für 25 Euro und trainierte zuletzt knapp 80
km pro Woche, insgesamt etwa 1500 km seit letzten September. Die Trainings
fanden jeden zweiten Tag statt, an den freien Tagen ging ich ins Fitness zwecks
Rückenstärkung und zum Schwimmen als Dessert.
Und gestern
also war nun der grosse Tag: Bei trübem, d.h,. idealem Wetter und ca 12 Grad machte
ich mich kurz nach halb acht Uhr in Barcelona von unserem Hotel auf zum
Startplatz. Da ich aus Aufregung viel zu früh dran war, hatte ich Zeit, die
übrigen Freizeitsportler zu betrachten. Es ist unglaublich, wieviel
unterschiedliche Stilformen sich für diese ziemlich uniforme
Sportart herausgebildet haben: Gross in
Mode sind Kompressionssocken, die Oberprofis haben sich zusätzlich eine
Art Kompressionsärmel übergezogen. Dann gibt es erstaunlicherweise Leute, die
in zwei verschiedenen Schuhen, also kein einheitliches Paar, antreten. Weiter
waren jede Menge verschiedenartiger Shorts zu betrachten, einzelne Frauen
trugen hübsche Jogging-Röckchen. Weiter wird mittels Leibgurt jede Menge von
Powernahrung mitgeführt. Ein Franzose hatte „Coup de Fouet“ bei sich, ein
treffender Produktname, finde ich; ich hatte 2 Isostar Gel (Peach) im Hosensack
meiner Hugo-Durchschnittsshorts.
Und dann
ging’s los. Eine wundervolle Strecke, ein echter City-Marathon. Besonders stolz
bin ich, am Stadion des FC Barcelona entlang gelaufen zu sein, während ich die
architektonischen Werke von Gaudi nicht verstehe, höflich gesagt. Ich finde sie nämlich scheusslich und ich bleibe bei dieser Meinung, obschon ich weiss, dass Leute
extra wegen dem Gaudi nach Barcelona pilgern.
Der
Parcours ging lange Alleen rauf und auf der Gegengeraden wieder runter. Das
Publikum war hinreissend und feuerte uns hintere Chargen an, als ob wir reelle
Chancen auf einen vorderen Platz hätten.
Hatten wir
nicht, wie ich natürlich zum voraus wusste. Meine grosse Krise kam
überraschenderweise bereits bei Kilometer 17, wo ich mich im Training jeweils
noch total frisch gefühlt hatte. Ich war so miserabel dran, dass ich bereits
nach Taxiständen Ausschau hielt; sicherheitshalber hatte ich eine 20-Euro-Note
bei mir.
Das Isostar
Gel wirkte dann jedoch Wunder, weil – so vermute ich – in dieses designte Food
Glückshormone hineinmontiert werden, welche selbst in der ärgsten Krise für
gute Stimmung sorgen, ähnlich wie die Fernsehunterhaltung in Ländern wie
Portugal und Spanien angesichts der Krise, die die Menschen mit brutaler
Härte trifft.
Aber item:
Ich wurde immer langsamer und bei Kilometer 30 war klar, dass wir über eine
Zeit auf der falschen Seite von 5 Stunden reden würden. Ich plagte mich über
den Rest der Strecke mittels der Taktik des compartmentalizing. Das heisst: Man
sagt sich nicht dauernd: „Jesses, noch 12, 10, 8 usw Kilometer“ Sondern man hangelt sich von Kilometer zu
Kilometer und freut sich über den 25er,der die Mitte zum 30iger beinhaltet,
dann den 26igsten, um schliesslich den 27igsten echt zu feiern, weil danach
bereits der zweitletzte der 20er kommt usw usf.
Hat alles
nichts genützt: Als ich später im Hotel mit
sauren Muskeln in den Beinen, aber einer Dose Bier in der Hand auf der Webseite
meine Zeit nachschaute, war sie noch um 4 Minuten schlechter als die selbstgemessene:
5:19 Uhr. Grottenschlecht. 1:06 h mehr als mein bester Marathon vor knapp 20
Jahren und mehr als eine halbe Stunde schlechter als die beiden Zürcher
Ergebnisse.
Aber so ist
es halt: ich werde älter und vielleicht ist es angesichts der gelaufenen Zeit nicht
schlecht, wenn ich sage: Das war mein letzter Marathon.
Ich bin verdammt stolz, dass Du den Marathon gelaufen bist. Lukas
AntwortenLöschen