Mittwoch, 20. Juli 2011

Ein Gewitter wie im Film

Ich behaupte, dass in Amerika die Gewitter gewaltiger sind, die Blitze heller, die Donnerschläge knallender als in der übrigen Welt. Die Gewitter hier sind genau so, wie wir sie aus den alten Filmen kennen, wo sintflutartige Regenfälle eine Frau und einen Mann heimsuchen, sie mit Kopftuch, er mit breitkrempigem Hut, nachts im Licht eines Autoscheinwerfers. Wir dachten jeweils, dass die Hollywood-Regisseure übertreiben würden mit ihren Blitzen und den Regengüssen der freiwilligen Feuerwehr. Das stimmt nicht, die Film-Gewitter sind meiner Meinung nach den echten bedrohlich genau nachempfunden .

Doch vielleicht übertreibe ich und habe nur Schweizer Berggewitter vergessen, die ich als Primarschüler in der Ferienkolonie in Graubünden erlebte, wenn wir atemlos in unseren Betten lagen im grossen Schlafsaal und nicht wagten „einundzwanzig“ zu zählen, weil der Donner praktisch zeitgleich mit dem Blitz vom Piz Beverin auf uns nieder ging.

Item: Als ich gestern abend plötzlich eine mächtig schwarze Himmelswand durch das Fenster meines Restaurants in Lusby erblickte, ging mir ein kleiner Schreck durch die Knochen und vor dem geistigen Auge spielte sich in Sekundenschnelle ab, was ich im folgenden erleben sollte. Ich verlangte hastig nach der Rechnung und ging ins Freie. Ich hatte eine halbe Stunde Fussmarsch vor mir, ein Teil durch offenes Feld. Bald erblickte ich bei einem furchtsamen Zurückschauen den ersten langen und blankweissen Blitz, der nur wenig entfernt senkrecht in den Boden stach. Und auch vor mir waren immer wieder ähnliche Ungetüme von elektrischem Licht zu sehen. Ich zählte einundzwanzig und kam bis 26 – was ich als beruhigend empfand
Ich rief nun Agnes an, die in Washington geblieben war, um mich nach der Richtung des Gewitters zu erkundigen. Ich erhoffte davon weitere Beruhigung. Doch weit gefehlt: Auf dem Radar, so berichtete meine Wetterfee, sei zu sehen, wie eine rot-orange-grüne Suppe sich von Dunkirk südlich Richtung Solomons verschiebe. Das war nun bad news. Und wie zur Bestätigung des Wetterberichts hob jetzt ein Wind an. Die Autos fuhren mit Licht und vor mir überquerte ein Mann die Strasse mit einer Taschenlampe, obschon es noch nicht richtig dunkel war und verschwand in einem Haus ohne Licht. Stromausfall?
Nun waren die ersten Tropfen zu spüren und einem hellen Blitz folgte ein erst hell knisternder, dann knallender Donner auf dem Fusse, sodass ich wie in der Ferienkolonie kein fertig gezähltes „Einundzwanzig“ mehr zusammen brachte. Gleichzeitig kam die Wegpassage über freies Feld und ich dachte, es wäre schon blöd, ein Jahr nach der Pensionierung von einem Blitz erschlagen zu werden. Nichts geschah jedoch in den kritischen Minuten, da ich ein offenes Ziel für die Gewittergötter war. Doch nun begann es richtig zu regnen; ich begann zu traben, um mich rasch ins nahe Waldstück zu retten, die letzten 10 Minuten des Weges.

Während ich auf der noch trockenen Waldstrasse lief, begann sich eine Sintflut in die Baumkronen zu ergiessen, wie es nur die Frau mit dem Kopftuch in dem alten Film erlebt hat und ihr Partner, Humphrey Bogart wahrscheinlich. Das Baumwerk verlor schnell seine anfängliche Undurchlässigkeit. Ich wurde total nass von einem erstaunlich warmen Regen.
Als ich endlich beim Bootssteg ankam, war unsere „Miranda“ kaum zu sehen in dem Regennebel. Die Lucken hatte ich noch bei schönstem Wetter geschlossen, wie wir das immer tun, um nicht unterwegs Gewissensbisse zu kriegen.

Den Rest des Gewitters betrachtete ich dann angstfrei durch den offenen Niedergang. Bald fühlten sich die Regentropfen kühler an auf der Haut, die Sicht wurde besser im stillen Creek, wo nun auch wieder Wasservögel zu sehen waren. Blitz, Donner und auch der Regen liessen nach. Das Gewitter war vorbei.

1 Kommentar:

  1. Goodness, Thomas! Scary! I contend that thunderstorms are quite spectacular in the DC area because it's the juncture of two large fronts -- one cool coming down from the North and a warm one coming up from the South. I'm no meteorologist, so maybe my theory is off, but I always thought that the storms were louder, fiercer, and scarier in DC. Fun...when safely ensconced in a house.

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