„Was ist das für eine Landesflagge“, fragt uns ein Motorböötler in Tilghman Island (Bild). „Switzerland“, sagen wir. Und dann sagt er: „Ich habe Euch bereits vor Wochen gesehen, im Intracoastal Waterway, auf dem Weg nach Norfolk.“ Stimmt, antworten wir. Und denken: Hat der Mann nur ein gutes Gedächtnis oder sind wir als ausländisches Boot so auffällig wie ein bunter Hund? Und falls letzteres: Warum gibt es so wenige nicht-amerikanische Segelboote an der Ostküste, einem idealen und dazu noch preisgünstigen Segelrevier? Der Grund liegt in den abschreckenden Berichten über Visumszwang, Meldezwang und überhaupt all die sonstigen Massnahmen, die seit dem 9/11 ergriffen worden seien und die auch Segler zu spüren bekämen. Das hat dazu geführt, dass die allermeisten Yachten von der Karibik aus nicht (mehr) nach USA segeln, sondern im Sommer in der südlichen Karibik bleiben während der Hurrikan-Saison. Und die Folge ist, dass wir kein einziges ausländisches Boot gesehen haben in den drei Monaten, seit wir hier sind.
Abschreckend ist tatsächlich das „weisse“ Touristenvisum, das ausländische Crews von Segelbooten für die Einreise per Boot in die USA brauchen, das normale „grüne“ Papier, ein Visawaiver (also ein Rechtsverzicht), reicht nicht. Man muss sich deshalb vor Abreise in der Schweiz einen Vormittag lang auf der US-Botschaft herumschlagen und Einkommen, Ersparnisse und persönliche Verhältnisse offen legen und sogar die Krankenkasse nennen – wo Millionen AmerikanerInnen noch immer keine haben . Doch dann ist Schluss mit Schikanen. Einmal mehr zeigt sich dann nämlich, dass in den USA die Gesetze zwar hart und abschreckend formuliert sind, aber die Anwendung doch oft total large ist.
Ein Beispiel: Bei unserer Ankunft in Beaufort kündigt der Zoll telephonisch den Besuch für den nächsten Morgen 9 Uhr an. Auweia! Jetzt heisst es aufräumen! Alle Dokumente kontrollieren! Haben wir Drogen an Bord? Ja, Medikamente! Müssen wir die angeben? Klar! - - - Wir haben schlecht geschlafen vor dem Termin. Doch dann war alles total harmlos. Die zwei Zöllner, die pünktlich kamen, wollten nicht mal an Bord kommen. Sie sagten uns bereits zur Begrüssung, sie würden nur gerne die Cruising License vorbei bringen, eine gratis erteilte Bewilligung für ein Jahr segeln in den US-amerikanischen Gewässern. „And have a save trip.“
Auch die von „Noonsite“, der wichtigsten Webseite für Fahrtensegler, drastisch geschilderte Meldepflicht funktioniert sehr unbürokratisch. Man ruft bei Ankunft im Hafen eines neuen Bundesstaats die Zollbehörde an (die Nummern sind auf „Noonsite“ zu finden), nennt die Cruising-License-Nummer und das wär’s dann schon. Davor und danach hat man keine Ueberwachungsmassnahmen mehr zu gewärtigen. Auf unserem Trip in die Chesapeake Bay und den zahlreichen Stopps in kleinen Marinas und stillen Ankerbuchten blieben wir behördlich unbehelligt, und wurden von den Menschen total freundlich empfangen. Segeln entlang der Ostküste der USA stellt keine grossen Ansprüche. Man muss gut navigieren und sich an das System der sogenannten Daymarker gewöhnen, rote, bzw. grüne Tafeln, die auf Stecken im Wasser stehen, denen man in die Creeks hinein folgt, um Untiefen zu vermeiden. Es gilt „Red Right Return“ (Rückkehrend Rechts Rot), das heisst die roten Tafeln lässt man auf der Steuerbordseite vorbeiziehen, die grünen auf der Backbordseite – genau umgekehrt wie in Europa. (Das Bild links zeigt das System vom Hafen aus gesehen, also mit den grünen Daymarkern auf der Steuerbordseite.)
Fazit: Segeln in den USA ist so unproblematisch - und unbürokratisch wie irgendwo in Schengenland. Die Warnungen von „Noonsite“ erscheinen total übertrieben, abgesehen vom Visumszwang. Die umfangreiche Auskunftspflicht für die Visa-Erteilung ist ärgerlich, aber der behördliche Ermittlungseifer trifft nicht nur Segler, sondern Millionen auf der Welt, die nicht - wie die Westeuropäer, wenn sie per Flugzeug kommen - mit dem „grünen Visum“ in die USA reisen können.
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