Viel interessanter ist die Ausstellung im Palast der Päpste,
die den Titel „Les Papesses“ trägt und fünf Künstlerinnen gewidmet ist, die im
Prospekt als Päpstinnen der zeitgenössischen Kunst besungen
werden: Camille Claudel ist eine von ihnen, welche ich vor meinem Besuch nicht kannte, wie auch nicht die weiteren vier Frauen.
werden: Camille Claudel ist eine von ihnen, welche ich vor meinem Besuch nicht kannte, wie auch nicht die weiteren vier Frauen.
Doch diese Päpstinnen, so scheint es mir, sind nichts anderes als ein kulturpolitisch
willkommener, wenn auch gewundener Anlass, damit die Stadt Avignon im Jahre
2013 die wirklich erstaunliche, die
umwerfende, die ganz grosse Geschichte erzählen kann, die innerhalb ihrer mittelalterlichen
Gemäuer passiert ist, die Geschichte von Papst „Johannes Anglicus“, einer Person, die im
9. Jahrhundert gelebt hat und verehrt wurde. Johannes hatte ein grosses Charisma und ist
schliesslich Papst geworden.
Und nun, liebe Leserinnen und Leser, wird folgendes bekannt:
Der Papst
ist
schwanger!
Kann man sich eine
grössere Schlagzeile vorstellen?
Falls nein: Wie hat die Oeffentlichkeit des 9. Jahrhunderts auf
die News reagiert?
Antwort: Erstaunlich cool, wie die Fortsetzung der
Geschichte zeigt.
Die Päpstin Jeanne,
wie Johannes Anglicus nun genannt wird, bringt in aller Oeffentlichkeit
ihr Kind zur Welt, was uns sagt, dass die Geburt in der Geschichte der
Menschheit nicht immer ein privates Ereignis zwischen Hebamme, Kindsmutter und
fortschrittlichen Vätern plus dem Kind gewesen ist.
Doch dies nur nebenbei.
Denn mit der Mitteilung über die öffentliche Geburt ist erst die halbe Geschichte erzählt. Es
kommt nun eine zweite und wirklich schreckliche Nachricht:
Jeanne und ihr Kind
sterben
bei dem öffentlichen
Akt.
Von dem Geschehen gibt es sogar Bilder.
Heute wären sie verpixelt, doch das gab es damals noch nicht, und so können wir
im 21. Jahrhundert das Kind sehen, das im 9. Jahrhundert gerade geboren worden
ist, aber nicht lange zu leben hat.
Es ist von einer Menge Leute umgeben, die irgendwie an der
Stätte der Geburt zu tun haben. Sie wirken alle sehr gefasst, es gibt keine Aufgeregtheit, sondern eher so
etwas wie eine feierliche Ruhe.
Soweit mein Eindruck.
Problematisch erscheint mir nun die Aufarbeitung des Geschehens. Denn wir
Medienkonsumenten des 9. Jahrhunderts werden gut
1100 Jahre später mit der Erklärung gefüttert, es handle sich bei der Päpstin Jeanne und
ihrem Kind um eine Legende. Also
erfunden.
Eine clevere Leistung moderner Kommunikationsprofis, muss
ich sagen. Wobei mit modern das 14. Jahrhundert gemeint ist, denn seither hält
sich hartnäckig die Legende von der Legende.
Ich will die Begründungen (auf Wikipedia) nicht zitieren, die
die Nachricht von einer Niederkunft der Päpstin als haltlose Erfindung
brandmarken. Sie ähneln mit ihren schwer überprüfbaren Quellenangaben sehr den
Texten, die wir heutzutage täglich aus Politküchen vorgesetzt bekommen.
Für mich selbst ist klar:
-
Die Päpstin Jeanne hat gelebt.
-
Sie hat in Avignon ein Kind zur Welt gebracht.
Es war die grösste Schlagzeile des 9.
Jahrhunderts.
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