Donnerstag, 26. Juli 2012

Vier Ueberquerungen des Atlantik - die Bilanz


Das also war die vierte Atlantiküberquerung: Wir sind am 15. Mai in Jacksonville (Florida) gestartet. Auf den ersten paar Meilen begegneten wir einem sogenannten Gunner, einem Gummiboot der US-Coast Guard, an dessen Bug ein Maschinengewehr montiert war, dahinter ein Schütze. Der Grund: Ein U-Boot war aus der Tiefe aufgetaucht und bot seine geheimen Formen und Materialien offen den Spionen der Welt dar. Entsprechend wurden wir verscheucht von diesem Gunner-Mann, der uns weg vom U-Boot drängte.

Viel mehr Dramatik konnten wir ab dann nicht mehr bieten: Wir segelten Richtung Bermuda; nach einem Zwischenstopp dort ging es weiter nach Flores auf den Azoren. Und nun von Horta aus nach Lissabon: 3695 Meilen zeigt das Logbuch an. Es war, abgesehen von einer Reparatur auf Bermuda und einem Sturm auf dem Weg auf die Insel, die beste und (in Tagen auf See gerechnet) auch unsere schnellste Atlantiküberquerung..

Die erste machten wir 1999 von Montauk (New York) via Horta nach Plymouth an Bord der deutschen Jacht "La Villa", einer Bavaria 42; die zweite dann bereits mit Miranda II im Jahr 2006 von Norfolk (Virginia) via Horta nach Le Croisic (Frankreich). Die dritte ging 2010 in der Gegenrichtung: Lanzarote- Kapverden-Barbados. Und nun also der vierte Trip, wiederum von West nach Ost.

Was ist das besondere an den Ueberquerungen - im Vergleich zur Küstensegelei? Die Antwort ist einfach: Man ist für gut drei Wochen kompromisslos unabkömmlich, lebt in der kleinen Welt des eigenen Segelbootes und stellt fest, dass dies einer der wenigen Orte in der Welt ist, wo man wirklich auf sich allein angewiesen ist. Klar gibt es heute Email, doch die kommen immer irgendwie von weit weg und scheinen einem manchmal ein bisserl irreal.

Die meisten Kollegen, Freunde, Angehörigen wollten vor und nach unseren Atlantiküberquerungen  immer  wissen, wie man im ärgsten Falle gerettet werden könnte.Das ist eine Frage, die uns - gottseidank - unterwegs nie beschäftigt hat.

Im Gegenteil: Eine Atlantiküberquerung ist eine grosse Auszeit für Körper und Seele. Der Lebensrhythmus verlangsamt sich wie nie sonst im Alltag: keine Termine,  keine Pendenzen, keine Laufereien. Einfach nichts, was einen aus der Ruhe bringen könnte. Manchmal sass ich an irgendwelchen Nachmittagen unendlich lange im Cockpit und habe aufs Wasser geschaut oder nachts ins Himmelszelt. Es gibt da draussen schlicht nichts, was die eigenen Gedankenwege hätte stören können, auch nichts, was man unbedingt hätte denken oder überlegen müssen. Man spürt am eigenen Körper, dass man langsamer tickt und der Körper auf dem Wasser auf easy geschaltet hat.

Dann mussten wir immer die Frage  beantworten bezüglich Beziehungskrise auf so engem Raum. Hier waren wir jedoch gut dran: Die sog. Mom-and-Pop-Operations gelten als die erfolgreichsten, will heissen: Alte Pärchen wie wir geraten mitten auf dem Atlantik kaum aneinander, nur weil im Gegensatz zur häuslichen Wohnung plötzlich Wasser um sie herum schwappt. Ich hatte nie auf den gut 10 000 Meilen der vier Reisen das Gefühl von Enge. Eng ist es mir eher im wirklichen Leben vorgekommen - an Land in Sitzungszimmern,  geschäftigem Leerlauf und sinnloser Hektik.

Auf dem Atlantik lebt man  aus dem Moment heraus: Freut sich an den fröhlichen Delphinen, den weit reisenden Schildkröten - und natürlich am guten Wind. Wind ist das alles dominierende Thema an Bord einer Jacht.

Auf der 99er Ueberquerung hatten wir nur gerade ein Barometer für die Wetterprognose  und gelegentliche Voraussagen auf Kurzwelle. 2006 gab es dann Wetterkarten in Fax-Qualität, heruntergeladen via Kurzwellenradio. 2010 und jetzt hatten wir Grib, das ist der Standard der Wettermodelle, sehr zuverlässig, einfach herunterzuladen - und akkurat.Niemand, der nicht mit einem Boot eine lange Reise gemacht hat, kann sich vorstellen, dass man sich auf See so intensiv mit Wetter und Wetterentwicklungen beschäftigen würde. 


Doch am Ende hängt der Erfolg einer langen Seereise - abgesehen von der Seetüchtigkeit des  Bootes und der Kompetenz der Crew -  allein davon ab, ob man für den erhofften Kurs den richtigen Wind bekommt. Die letzten drei Tage jetzt  auf dem Weg von Horta nach Cascais bei Lissabon waren da ideal: Wie segelten in östlicher Richtung mit gutem und beständigem Wind aus Norden. Es war der beste Abschluss von vier Atlantiküberquerungen, den man sich denken konnte. Und bei der Ankunft gab es keinen kriegerischen Gunner. Europa halt. Und Portugal ist - entgegen allen Schlagzeilen der Wirtschaftsmedien - vielleicht das beste, was Europa derzeit zu bieten hat.

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