Montag, 30. Mai 2011

Ein perfektes Memorial Day Weekend

Das Wochenende von Memorial Day markiert den Beginn des Sommers in Amerika und das wird überall gefeiert. Paul und ich fuhren deshalb am Samstag Nachmittag zu Ken, einem pensionierten Bundesbeamten, der an seinem Steg Krabben fängt.
Ungefähr ein Dutzend holt er pro Tag raus. Wir bekam 40 aus seinen zwei Reusen, die Ken an einer Leine frisch aus dem Wasser holte. Zu Hause angekommen, gaben wir die Hälfte unseren Nachbarn, die im Laufe des Tages immer mehr Familienbesuch bekommen hatten. Selbst heizten wir einen Topf auf dem Gaskocher im Freien, gaben Bier und Essig hinein. Und schütteten dann die bedauernswerten Kreaturen in den Dampf, würzten sie mit Krabben-Würzmix, dann Deckel drauf und 15 Minuten steamen.
Als die Krabben gar waren, versammelten wir uns auf der Terrasse, um mit Hammer und Messer an das Krabbenfleisch zu kommen. Das Knacken der Krabben ist eine Riesenarbeit, die verstanden sein will. Zu dem herausgepulten zarten Fleisch gab es Maiskolben und einen leichten französischen Weisswein – ein Festessen.
Am Sonntag dann segelten wir mit A und Y bei schönstem Wetter und wenig Wind zusammen mit Dutzenden andern Booten kreuz und quer in der Mündung des Patuxent River, einem idealen Segelrevier südlich von Washington, wo wir vor 20 Jahren als Anfänger alle denkbaren nautischen Fehler gemacht hatten. Später tuckerten wir den Fluss hinauf in einen einsamen Creek, wo wir zusammen mit ein paar andern Booten ankerten. Wir holten den Bootsgrill hervor und grillierten Steaks.
Als es dunkelte, zündeten wir die Laterne an, welche bald von Hunderten von Mayflies umschwärmt wurde, weshalb wir uns bald schlafen legten. Der Morgen dann war so still wie sonst nirgends in der Zivilisation. Die Sonne ging auf über dem spiegelglatten Wasser und ich suchte einen WLAN, um Zeitung zu lesen und das Facebook zu checken. Ein perfektes Memorial Day Weekend.

Mittwoch, 25. Mai 2011

Sparen beim Fliegen

Die Fluggesellschaften erfinden immer neue Wege, um uns Billigstfliegern zu sagen, dass wir ihre allerletzten Kunden sind , weil wir für einen Flug am liebsten nichts bezahlen würden und dafür aber auch bereit sind, jede nur erdenkliche Unannehmlichkeit in Kauf nehmen. So bestraft uns United Airlines für unsern angeborenen Sparzwang neustens damit, dass wir auf Transatlantik-Flügen nur noch ein Gepäckstück gratis mitnehmen dürfen. Und beim Check-in im Internet versucht die US-Gesellschaft krampfhaft, uns davon abzuhalten, den gekauften Billigsitz zu wählen. Statt dessen wird dafür geworben, knapp 100 Franken mehr zu zahlen für einen besseren Platz.
Doch was heisst besser? Der Platz bietet gut 20 Zentimeter mehr Beinfreiheit und befindet sich etwas weiter vorne in der Kabine, aber natürlich immer noch in der Holzklasse. Und das wär’s dann auch schon.

Ich gehöre zu jenen, die solche „Upgrades“ und alle anderen modernen Strafzölle für Getränke, „zusätzliche“ Gepäckstücke und dergleichen eisern ignorieren. Ich wäre bereit, notfalls mit angezogenen Knieen über den Atlantik zu fliegen, falls man für das Ausstrecken der Beine künftig 100 Franken „upgrade“ bezahlen muss.

Und ich beklage mich nicht, sondern beobachte mit Hochgenuss, dass die Vermarktung des 20-Zentimeter-Upgrades bei United zu einem logistischen Albtraum geführt hat. Das System funktioniert nämlich höchstens in vollen Kabinen. Sobald es genügend Platz hat, wie am Dienstag auf dem Flug nach Washington, entsteht die dumme Situation, dass die Upgrade-Passagiere die Gehörnten sind, weil sie 100 Franken für etwas bezahlt hatten, das sie auch gratis hätten haben können. Zusätzlich muss das Kabinenpersonal unmittelbar vor dem Start Polizei spielen und die Billigst-Passagiere davor warnen, knapp vor dem Start den Sitz zu wechseln und einen freien Upgrade-Platz zu ergattern. Dieses Sesselhüpfen ist sonst ein beliebtes Game, um zum Beispiel neben einen leeren Mittelsitz zu kommen.

Doch warum sollten wir unseren Billig-Platz wechseln? Viele hatten – wie ich – in der leeren Dreierreihe bzw. dank nicht belegtem Mittelsitz eh so viel Platz wie noch nie für die 400 Franken, die wir bezahlt hatten. Also: Hände weg von zweifelhaften Upgrade-Angeboten.

Montag, 9. Mai 2011

Mit dem Bus nach DC

Der letzte Pendlerbus verlässt Solomons am Morgen um 6. 50 h und kommt nach 90 km Fahrt kurz vor 9 Uhr in Washington DC an, gerade rechtzeitig, damit auch die letzten der dort beschäftigten Bundesbeamten noch an ihre Pulte hechten können. Danach gibt’s nichts mehr bis am andern Morgen um 4.35 h, wenn der erste Bus losfährt.
In der Gegenrichtung fährt der erste Bus um 12 Uhr und der letzte um 17.40 h aus der Stadt Washington ab, die übrigens niemand so nennt. Die Locals nennen ihre Stadt ausschliesslich „DC“, nach dem Kürzel der Verwaltungseinheit District of Columbia. Aber item: Das Monatsabo für den Bus kostet 170 Dollar; man kann gegen Aufpreis sogar eine Art Regenbogenabo kaufen und in der Grossagglomeration damit zusätzlich die Metro benutzen.

Fast alle Buspendler müssen an ihrem Wohnort trotz öV ihr Auto benutzen, weil der Bus mitten im Grünen vom Parkplatz einer Kirche in Autobahnnähe wegfährt und auch dort wieder ankommt. Aber immerhin: sie sparen Benzin, denn Treibstoffe sind in den USA überdurchschnittlich teurer geworden. In der Schweiz hat Benzin seit einem temporären Tiefstand im Jahr 2009 (Fr. 1.40) um gut 20 Prozent aufgeschlagen. In den USA sind es 60 Prozent.

Den Grund muss man nicht weit suchen: Der Wertzerfall des Dollars verteuert im Land des Greenback die Treibstoffpreise um ein Vielfaches gemessen mit Europa. Die Amerikaner zahlen also zweimal für die Finanzkrise: einmal durch die Entwertung ihrer Einfamilienhäuser, Pensionsguthaben und Aktienportefeuilles als direkte Folge des Crashs vom Herbst 2008. Und jetzt ein zweitesmal im Alltag an der Tankstelle - und generell beim Kauf von Importgütern, wobei der Treibstoff am meisten ins Gewicht fällt.

Wegen der krisenhaften Entwicklung des Benzinpreises gibt es im Kongress den Plan, mehr eigenes Erdöl zu fördern, auch unter Inkaufnahme von Umweltrisiken wie erlebt im Golf von Mexiko im vergangenen Jahr. Der Treibstoffpreis ist zu einem Topthema avanciert. In ganzseitigen Inseraten in der "Washington Post" propagiert der Verband der einheimischen Erdölproduzenten eine neue, nationale Förderpolitik.

Doch diese Politik nützt am Ende den Konsumenten herzlich wenig, es profitieren vor allem die Erdölgesellschaften; denn für Oel werden längst Weltmarktpreise bezahlt - unabhängig davon, aus welchem Land das Oel stammt. Die Hoffnung auf günstige Benzinpreise durch eigenes Erdöl ist also ein Irrglaube. Die Folge sind hohe Umweltrisiken und hohe Gewinne der Erdölfirmen. Ein Grund mehr, auf den Bus umzusteigen auf dem Weg nach DC.

Sonntag, 8. Mai 2011

Küssen oder umarmen?

Man kann die Welt einteilen in Hugger und Küsser. Frankreich ist ein klarer Fall (alles Küsser, regional sind es vier Küsse zur Begrüssung), Deutschland ist ziemlich klar, und in der Schweiz dominieren die drei Begrüssungsküsse, wenngleich es bei uns mittlerweile eine Minderheit von HuggerInnen gibt, Umarmer also. In den USA ist es von Familie zu Familie unterschiedlich. „Wir sind Hugger“, sagte mir kürzlich eine Bekannte, wobei ich das Gefühl habe, es handle sich um die Mehrheit.

Bei Fremden ist der Fall eh klar: Huggen ist die Norm. Die Männer untereinander umarmen sich eher ein bisschen schüchtern, klopfen sich dafür gerne so halb ermunternd, halb patronisierend, auf den Rücken. Von Frauen wird man oft richtig in den Schwitzkasten genommen. Diese typisch weibliche Umarmungszange empfinde ich als unangenehm und als den grössten Nachteil des Huggens.

Hugs haben dafür den Vorteil, dass sie nicht nur zur Begrüssung angewendet werden können, sondern auch als Geste der Teilnahme geeignet sind, für welche die Küsser nichts haben, ausser vielleicht einen Händedruck, aber der geht nur in schweren Fällen. Umarmen hingegen kann man sich bei fast allen Wechselfällen des Lebens, von schlechten Noten in der Schule bis zur Nachricht, vom Freund oder der Freundin verlassen worden zu sein. Plus die Umarmung für alle positiven News.

Umarmungen sind weniger intim und deshalb handelt es sich um eine niederschwellige Geste. Obama hat beim Treffen mit Angehörigen des 9/11 auf dem Ground Zero Teilnehmende umarmt; küssen wäre unangebracht gewesen. Umarmen können sich auch Menschen, die sich nicht nahe stehen. Linda zum Beispiel haben wir beim ersten Wiedersehen umarmt, unsere Vertraute in der Bootswerft hier in Solomons, die wir seit fast 20 Jahren kennen, aber keinen echten persönlichen Kontakt haben. Huggen ging hier gut, küssen hingegen nicht – und ein Händedruck wäre zu offiziell gewesen. Vieles spricht fürs Umarmen, doch wenn ich die Wahl habe, dann bleibe ich Küsser.

Samstag, 7. Mai 2011

Warnung vor dem Hunde

Wer in den USA lebt, wird von einem Dauerregen von Warnungen berieselt. Objekte „may be closer than they appear“, lese ich im Rückspiegel des Autos und vergesse beinahe, den Blick wieder voraus zu richten. Und eine Inschrift auf der Leiter will mich unbedingt davon abhalten, auf die oberste Sprosse zu steigen. Warum gibt es sie denn?
Weil in Einkaufszentren und Bürogebäuden in Englisch („Caution! Wet Floor“) und Spanisch vor frisch gereinigten Böden gewarnt wird, weiss ich, dass nasser Fussboden „Piso mojado“ heisst. Das bereichert meinen mageren Wortschatz auch dort, wo der Boden längst wieder trocken ist. Nicht genug: Gebrauchsanleitungen für an sich harmlose Elektrogeräte überschütten uns auf den ersten Seiten mit einer Litanei von Selbstverständlichkeiten: „Bitte Produkt nicht umbauen. Kann zu Verletzung oder Tod führen“, steht im Manual für meinen neuen Laptopadapter. Ich muss sagen, auf den Gedanken, das Ding umzubauen, wäre ich nie gekommen.

Weil wir immer dicker werden, braucht es auf allen Lebensmitteln Warnungen, eine Art Krisenkommunikation im Alltag: Man informiert mich obligatorisch über die notwendige Kaloriendosis pro Tag und inwieweit selbige mit einer Portion (genannt „serving“) meiner Lieblingschips bereits innert Minuten überschritten sein könnte. Die Portionen werden je nach Produkt total willkürlich gewählt, wohl ein Kompromiss gegenüber den starken Food-Lobbies im Kongress. Man ist deshalb dauernd zu schwierigen Kopfrechnungen gezwungen, wenn man der Gefahr der Falschernährung entgegen wirken will. Kein Wunder, sind viele AmerikanerInnen so dick.

Besonders lästig sind die Warnungen von rückwärts fahrenden Lastwagen. Es ertönen schrille Pfeifftöne, die auch jene treffen, die sich weit weg vom Heck des Fahrzeugs aufhalten. Und schliesslich das Wetter: Es gibt kleine Geräte, die automatisch einschalten, sobald der Wetterdienst eine Warnung in petto hat. Man unterbricht das Gespräch oder schaltet den Fernseher auf stumm und hört andächtig zu, was sich Schlimmes ereignen könnte. Geht sogar ein bisschen in sich, da unvermittelt konfrontiert mit den Unbilden von Mutter Natur. Doch dann passiert gar nichts. Gottseidank nur eine Warnung – eine von vielen.