Sonntag, 28. August 2011

"Irene" überstanden

Wir haben "Irene" ohne Schäden überstanden. Wir machten uns am Samstagnachmittag Sorgen, als das Mittagshochwasser nicht mehr zurückging und dann am Abend die Ebbe ausblieb. Doch mittlerweile hatte sich "Irene" nördlich bewegt, sodass die Chesapeake Bay nordöstliche bzw. nördliche Winde erhielt im Westquadrant des Sturms. Das führte dann dazu, dass kein Wasser mehr in die Bay hinein gedrückt wurde und nach Mitternacht am Sonntag das Wasser sogar wieder in den Atlantik hinaus fliessen konnte. Die Gefahr der Flut war gebannt. Ein Augenschein nach Mitternacht ergab, dass nicht einmal die Stege überschwemmt wurden dank des günstigen Verlaufs.
Wir erwartet fiel allerdings der Strom aus. Ein Baum lag am Morgen quer über einer Zufahrtsstrass zwei Meilen von unserem Creek entfernt. Doch bereits waren Anwohner mit Kettensägen im Einsatz. Es ist erstaunlich, wieviele solche Geräte sich in den Haushalten hier befinden. So war die Strasse im Nu frei geräumt. Da ohne Kettensäge, konnte ich nur helfen, ein paar kleinere Aeste zu beseitigen. Immerhin. Der Wind war während der 24 Stunden des tobenden Sturms kein Problem, wir waren gut geschützt in unserem Hurrikan-Versteck. Der Regen hingegen war enorm. Paul sagte: "Wie ein Platzregen, nur dass er nicht zehn Minuten dauert, sondern stundenlang."

Freitag, 26. August 2011

Hurricane preparations

Als Korrespondent in Washington hatte ich oft über Hurrikane geschrieben und so wollte ich in den neunziger Jahren auch einmal einen selbst erleben. Ich fuhr deshalb bei passender Gelegenheit nach Wilmington in North Carolina, wo der Landfall eines Sturm erwartet wurde. Es stellte sich sehr rasch heraus, dass der Trip so ziemlich die dümmste Idee meines Lebens war. Denn Hurrikane sind gefährlich: Reissende Flüsse strömen wegen der sintflutartigen Regenfälle quer zur Strasse und drohen Autos wegzuspühlen, nachts herrscht zudem absolute Dunkelheit wegen Stromausfalls. Und dann gibt es natürlich die Gefahr, von irgendwelchen herumfliegenden Teilen getroffen zu werden. Ich stand damals während dieses blödsinnigen Einsatzes vor der Alternative, entweder zu Schaden zu kommen – oder dann eine gute Geschichte zum Erzählen zu Hause zu haben. Es wurde letzteres.

Nun ist es wieder soweit. In der Chesapeake Bay wird Wirbelsturm "Irene" erwartet. Wir sind in unserem Creek, der als Hurrican whole markiert ist, also als geschützter Ort, wo die Winde nicht so stark sein sollten, wie an der Atlantikküste – oder schon an der Mündung des Patuxent River. Unsere Sorge ist denn auch nicht so sehr der Wind, sondern die Flut. Ich habe nachgelesen, dass der letzte grosse Wirbelsturm an der Ostküste, „Isabel“, 2003, den Wasserstand in Baltimore um bis zu 6 Fuss (1.80m) angehoben hat. Am höchsten sind die Wasserstände jeweils am Ende von Creeks und Flussarmen, wo sich die vom Wind in die Bay hinein gedrückten Wassermassen sozusagen stauen. Wir erwarten deshalb in Solomons, an der Mündung des Patuxent, „nur“ 4 Fuss über dem normalen Wasserstand bei Flut. Wenn ich nachmesse, ist das knapp die Höhe der Pfosten, an denen unsere „ Miranda“ im Hurrican-Versteck festgemacht ist.
Wir haben heute Morgen die Festmacherleinen um die Pfosten herum geschlungen, damit sie von der Last des Bootes (hoffentlich) festgezogen werden und nicht nach oben, über die Pfostenenden hinaus, rutschen, wenn das Wasser steigt. Auch haben wir höher gelegte Fender an den Pfosten angebracht sowie eine Pfostenverlängerung. Nicht, um die Last des Bootes daran festzumachen, sondern um zu wissen, wo sich der Steg befindet, wenn Land unter herrschen sollte. Das Boot selbst werden wir so vertäuen, dass die Backbordseite keinen Kontakt haben kann mit dem Steg. Die Fender sind also mehr für den Fall der Fälle gedacht.

Und nun warten wir, bis am Samstag der Regen einsetzt, dann der Wind immer stärker wird und das Wasser steigt. Dann wird sich herausstellen, ob „Irene“ Schäden anrichtet bei uns, unseren Freunden und unseren Nachbarn sowie in der weiteren Umgebung. Oder das ganze als eine gute Geschichte endet zum Weitererzählen im Trockenen.

Dienstag, 23. August 2011

Wie abschreckend ist die USA für Segler?

„Was ist das für eine Landesflagge“, fragt uns ein Motorböötler in Tilghman Island (Bild). „Switzerland“, sagen wir. Und dann sagt er: „Ich habe Euch bereits vor Wochen gesehen, im Intracoastal Waterway, auf dem Weg nach Norfolk.“ Stimmt, antworten wir. Und denken: Hat der Mann nur ein gutes Gedächtnis oder sind wir als ausländisches Boot so auffällig wie ein bunter Hund? Und falls letzteres: Warum gibt es so wenige nicht-amerikanische Segelboote an der Ostküste, einem idealen und dazu noch preisgünstigen Segelrevier?
Der Grund liegt in den abschreckenden Berichten über Visumszwang, Meldezwang und überhaupt all die sonstigen Massnahmen, die seit dem 9/11 ergriffen worden seien und die auch Segler zu spüren bekämen. Das hat dazu geführt, dass die allermeisten Yachten von der Karibik aus nicht (mehr) nach USA segeln, sondern im Sommer in der südlichen Karibik bleiben während der Hurrikan-Saison. Und die Folge ist, dass wir kein einziges ausländisches Boot gesehen haben in den drei Monaten, seit wir hier sind.

Abschreckend ist tatsächlich das „weisse“ Touristenvisum, das ausländische Crews von Segelbooten für die Einreise per Boot in die USA brauchen, das normale „grüne“ Papier, ein Visawaiver (also ein Rechtsverzicht), reicht nicht. Man muss sich deshalb vor Abreise in der Schweiz einen Vormittag lang auf der US-Botschaft herumschlagen und Einkommen, Ersparnisse und persönliche Verhältnisse offen legen und sogar die Krankenkasse nennen – wo Millionen AmerikanerInnen noch immer keine haben . Doch dann ist Schluss mit Schikanen. Einmal mehr zeigt sich dann nämlich, dass in den USA die Gesetze zwar hart und abschreckend formuliert sind, aber die Anwendung doch oft total large ist.

Ein Beispiel: Bei unserer Ankunft in Beaufort kündigt der Zoll telephonisch den Besuch für den nächsten Morgen 9 Uhr an. Auweia! Jetzt heisst es aufräumen! Alle Dokumente kontrollieren! Haben wir Drogen an Bord? Ja, Medikamente! Müssen wir die angeben? Klar! - - - Wir haben schlecht geschlafen vor dem Termin. Doch dann war alles total harmlos. Die zwei Zöllner, die pünktlich kamen, wollten nicht mal an Bord kommen. Sie sagten uns bereits zur Begrüssung, sie würden nur gerne die Cruising License vorbei bringen, eine gratis erteilte Bewilligung für ein Jahr segeln in den US-amerikanischen Gewässern. „And have a save trip.“

Auch die von „Noonsite“, der wichtigsten Webseite für Fahrtensegler, drastisch geschilderte Meldepflicht funktioniert sehr unbürokratisch. Man ruft bei Ankunft im Hafen eines neuen Bundesstaats die Zollbehörde an (die Nummern sind auf „Noonsite“ zu finden), nennt die Cruising-License-Nummer und das wär’s dann schon. Davor und danach hat man keine Ueberwachungsmassnahmen mehr zu gewärtigen. Auf unserem Trip in die Chesapeake Bay und den zahlreichen Stopps in kleinen Marinas und stillen Ankerbuchten blieben wir behördlich unbehelligt, und wurden von den Menschen total freundlich empfangen.
Segeln entlang der Ostküste der USA stellt keine grossen Ansprüche. Man muss gut navigieren und sich an das System der sogenannten Daymarker gewöhnen, rote, bzw. grüne Tafeln, die auf Stecken im Wasser stehen, denen man in die Creeks hinein folgt, um Untiefen zu vermeiden. Es gilt „Red Right Return“ (Rückkehrend Rechts Rot), das heisst die roten Tafeln lässt man auf der Steuerbordseite vorbeiziehen, die grünen auf der Backbordseite – genau umgekehrt wie in Europa. (Das Bild links zeigt das System vom Hafen aus gesehen, also mit den grünen Daymarkern auf der Steuerbordseite.)

Fazit: Segeln in den USA ist so unproblematisch - und unbürokratisch wie irgendwo in Schengenland. Die Warnungen von „Noonsite“ erscheinen total übertrieben, abgesehen vom Visumszwang. Die umfangreiche Auskunftspflicht für die Visa-Erteilung ist ärgerlich, aber der behördliche Ermittlungseifer trifft nicht nur Segler, sondern Millionen auf der Welt, die nicht - wie die Westeuropäer, wenn sie per Flugzeug kommen - mit dem „grünen Visum“ in die USA reisen können.

Dienstag, 2. August 2011

Der schlimmste 1. August

Auf dem Weg nach Solomons sprachen wir im Auto über den schlimmsten ersten August. Das war 1974, als ich eine Migräne erlitt und jämmerlich darnieder lag, weder für Feuerwerk noch für sonst etwas zu gebrauchen. Seither hatte sich in unserem kleinen Leben am Nationalfeiertag nichts Bemerkenswertes mehr ereignet.
Beim Bootssteg angekommen, öffneten wir gut gelaunt alle Luken, um etwas Luft herein zu lassen in der Hitze- Da ertönte ein Schrei oder war’s mehr ein irrer Seufzer meiner Frau: „Kakerlaken“. Ueber Kakerlaken sprechen Böötler nicht gerne; es handelt sich um eine unanständige Krankheit, die viele zwar aus eigener Erfahrung kennen, aber lieber verschweigen. Wir hatten bisher Glück gehabt, hatten immer aufgepasst mit den Kartons etc; denn die Legende geht, dass schon ca. ab Madeira die Invasion der Viecher droht, die sich lange vor uns auf der Erde eingerichtet haben und deshalb über zähe Ueberlebsgene verfügen.

Agnes machte sich ohne weitere Worte auf den Weg, um ein Mittel zu holen. Sie kam zurück mit zwei Gasbomben. „Das einzige, was hilft“, sagte sie resolut. Wir machten alle Luken wieder dicht, öffneten die Gasbomben, schlossen das Boot mit dem Gas im innern ab und gingen zu Roy Rodgers, um einen Cesars Salad zu essen. Es ist erstaunlich, wie gelassen man zu Mittag essen kann, während andere von Atemnot und Krämpfen gezeichnet, einem quälenden Tod entgegen gehen.

Später fuhren wir zurück, um das Ergebnis unserer Vernichtungsaktion zu besichtigen. Im innern des Bootes war die Luft von den beiden Gasbomben so dick, als hätte jemand ein paar Zigaretten geraucht. Ich hielt die Luft an, ging hinein und öffnete erneut alle Luken. Dabei musste ich plötzlich und dringend einen Atemzug nehmen, doch es ging gut und ich erlitt keine Atemnot. Wir besichtigten nach angemessener Lüftungsfrist die herum liegenden paar toten Kakerlaaken, andere waren noch läbig, waren aber verdächtig langsam unterwegs und wurden nun sozusagen von Hand ermordet. Dann wurde geputzt und ein weiteres Gift namens „Raid Max“ gespritzt.

Als wir fertig waren, kam Earl, unser Nachbar, um sein Boot richtig festzumachen. Earl war am Sonntag bei Ebbe kurz vor dem rettenden Steg auf Grund gelaufen. „Besser als Kakerlaken“, sagte ich zu ihm. Earl, der alles kann und alles weiss, sagte ganz ungeniert, er würde in seinem Haus bei Kakerlakenbefall immer drei Gasaktionen durchführen, jeweils im Abstand von vier Tagen. Dies allein garantiere, dass die frisch geschlüpften Cockroaches getötet würden und dann nach jeweils vier Tagen die nächste Eier-Generation. Erst danach könne man sicher sein, dass keine Eier mehr vorhanden seien.

Die nächste Bombardierung findet nun also am Freitag statt. Bis dann haben die Kakerlaken eine Gnadenfrist. Wahrscheinlich lachen sie über uns und nehmen uns überhaupt nicht ernst, weil ihre Gattung zähe ist und uns wahrscheinlich überleben wird, nicht als Individuen, aber als Gattung. Für uns aber war es der schlimmste 1. August und die Migräne von 1974 rückt nun klar auf Platz 2.