Dienstag, 7. September 2010

Bei den Fischern

Heute nachmittag band ich meinen Reserverkanister auf den Lastrolli und machte mich auf den Weg zur Diesel-Tankstelle, die ich laut Auskunft circa einen Kilometer entfernt im Fischereihafen finden würde. Ich lief der Hafenmole entlang und bog dann in eine Hafenzufahrt ein, die von verschiedenen Gebäuden gesäumt war. Fischer hatten dort die Garagentore ihrer Lager geöffnet; einige waren dabei, ihre Netze zu flicken, die sie auf eine Art Rahmen aufgespannt hatten. In einem andern Gebäude, einer riesigen offenen Halle mit Plättli-Wänden, waren Männer in weissen Plastikschürzen damit beschäftigt, den Boden abzuspritzen, wahrscheinlich fand dort der Warenumschlag en-gros statt.

Entlang des Trottoirs kam ich an mehreren Frauen vorbei, die lautstark frischen Fisch zum Kaufe anpriesen, den sie auf Zweiradkarren in Eis gelagert feil boten. In einem Hafenroman wären sie wohl als „Fischweiber“ apostrophiert würden. Die älteren unter ihnen hatten schwarze, selbst gehäkelte Schleier um den Kopf, um sich vor der prallen Sonne zu schützen. Es gab rege Kundschaft von anderen Frauen, die mit Kindern zu diesem improvisierten Verkaufsort gekommen waren. Männer waren in dem Markttreiben keine zu sehen.

Bei der Tankstelle „Repsol“ angekommen sah ich, wie ein dicker schwarzer Schlauch von der Zapfsäule zur „Maya“ gelegt war, einem roten Fischerboot, dessen Kapitän etwas missmutig in der Führerkabine hockte und einem Mechaniker zuschaute, welcher sich im Motorraum abmühte. Ich genierte mich nun ein bisschen, nur 20 Liter zu benötigen. Doch es war gar niemand da, der die „Maya“ betankt oder mir die Kleinmenge abgezapft hätte. Ich guckte durch die Glastür des kahlen Büros, das mit einem Stahlpult und einem Drehstuhl möbliert war. Neben dem Pult befand sich ein Riesenfauteuil, auf dem der Tankwart sich ausruhen konnte. Und darüber war ein Spiegel, in welchem ich mich selbst etwas blöde hereinschauen sah.

Ich wollte den Missmutigen der „Maya“ nicht behelligen und ging zur „Pierre-André“ hinüber, einem Trawler, an dessen Seitenwand zwei Männer blaue Farbe über eine weisse Grundierung anbrachten. Ich sagte „Diesel“ und machte mit der Hand behelfsmässig einen Tankstutzen nach. Einer der Männer antwortete in bestem Französisch: „Il est allé prendre un pot.“ Das muss man mir nicht zweimal sagen und so trabte ich Richtung Café, das jedoch geschlossen war. Was nun? Ich ging zurück und gerade als ich wieder bei der Tankstelle ankam, stoppte ein alter Ford Escort vor dem Fauteuil-Büro, wie man nur stoppt, wenn man dort arbeitet. Ein Mann mit einer „Repsol“- Mütze stieg aus und begann zu reden, aber nicht mit mir, und auch nicht am Handy, sondern laut und auf mehrere Meter Distanz zu dem übel gelaunten Kapitän der „Maya“. Dann füllte er, ohne ein Wort an mich zu richten, meinen Reservekanister und hielt bei genau 25 Euro inne. Ich gab ihm eine 20er und eine 5er Note und sagte „Obrigado.“

Auf dem Heimweg sah ich, dass die Marktfrauen sich inzwischen alle auf ein Mäuerchen gesetzt hatten und miteinander plauderten. Dabei fiel mir eine einzige junge Frau auf, sie hatte Sternenaugen und gefärbte rote Haarsträhnen. Und sie lachte im Reden und schaute mich kurz an. Ich überlegte im Weitergehen, wie es wäre, wenn ich diese Frau nun heiraten würde. Solche Schicksalswendungen liest man ja in Romanen. Für die junge Frau würde sich wohl nicht viel ändern und sie würde weiterhin am Nachmittag ihren Fisch verkaufen. Ich hingegen müsste morgens um 3 Uhr mit ihrem Vater oder Bruder zum Fischfang auslaufen. Und unser Trawler würde jene Wellen beim Herausfahren verursachen, die uns jetzt, in unserem behaglichen Bootsleben am andern Ende des Hafens, leicht schaukeln in unserer Koje. Am Ende würde ich am Nachmittag auch noch zum Netze-Flicken aufgeboten. Dann dachte ich auch noch, dass man in Zürich über mich reden und lachen, auf jeden Fall den Kopf schütteln würde.

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