Mittwoch, 8. September 2010

Bei Lello in Porto

Die Buchhandlung Lello an der Rua das Carmelitas 144 in Porto zieht, so scheint es, mehr Fotografen als Leser an. Alle paar Minuten blitzen sie in die geschwungene Treppe hinein, welche mitten im Ladenlokal zu einer Galerie hinauf führt, indem die Stufen sich auf halber Höhe teilen in einen linken und einen rechten Aufgang. Die Treppe ist ein Abbild der Stadt, die an einen Hang gebaut ist und in der es dauernd Steigungen zu überwinden oder Gefälle zu meistern gibt. An grossen Kreuzungen kann man fünf oder sechs Strassen sehen, von denen vielleicht zwei aufwärts und drei abwärts führen. Auch abenteuerlich ansteigende und abfallende Tramgeleise gibt es in der Stadt. Und folgerichtig hat es auch mitten in der Buchhandlung ein Geleise. Es führt vom Eingang mit einer eleganten S-Kurve an der Treppe vorbei, richtige Schienen sind in den Holzboden eingelassen, in denen ein Bücherwagen (Bild) rollen kann. Neuste Lieferungen lassen sich damit direkt von der Ladentür zu den Gestellen transportieren.

Wer den Laden betritt, trete in die Vergangenheit ein, steht in den Reiseführern über Lello. Dies stimmt, wenn man darunter versteht, dass Buchläden literarische oder bibliophile Vorlieben ihres Besitzers wiederspiegeln – und nicht einfach die Bestellerliste aufgereiht haben sollen. Und in der Tat: Werke von Hannah Arendt finden sich neben einer neusten Biografie über Salazar, den früheren Diktator Portugals. Gleich neben Salazar ist, ebenfalls in portugiesischer Sprache, der Roman des englischen Schriftstellers David Nicholls („One Day“) aufgelegt. Im Obergeschoss dann sind thematisch geordnet die Sachbücher, eines davon handelt von nichts anderem als der Tomate.

Ein Rätsel bleibt das Angebot auf halber Höhe, zwischen Buchgestellen im Parterre und Galerie. Dort gibt es Glasschränke, hinter denen Hunderte von Büchern eingeschlossen sind. Man müsste eine Leiter hochsteigen, und die Glastüren öffnen, um zu sehen, um welche Titel es sich handelt. Aber es gibt keine Leiter, im ganzen Laden nicht. Sind es bibliophile Kostbarkeiten? Verbotene Literatur (Salazar)? Oder sind die Schränke nur noch Teil einer etwas schrulligen Kulisse wie die grosse Treppe und der kleine Schienenwagen?

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