Freitag, 26. November 2010

Von Möwen und andern Angestellten

Wir haben keinen Fisch gefangen gestern, dafür einen Vogel. Das Biest flatterte wie wild, tauchte immer wieder unter, während wir die Leine einrollten. Kam auch wieder hoch – ein Drama. Auf Youtube hätte das Video einen Spitzenplatz erreicht. Endlich an Bord packte Jean-Pierre die Mega-Möwe und dann gingen wir daran, ihren linken Flügel vorsichtig von der Leine zu befreien. Nichts schien gebrochen und so liessen wir den Vogel sofort wieder frei. Mit kräftigem Flügelschlag flog er davon – diese Fischer, Hunderte von Meilen vom Land entfernt auf Nahrungssuche, haben ganz offensichtlich einen robustes Knochengerüst. Als Mensch hätte die Möwe Anrecht gehabt auf psychologische Betreuung, um mit dem Schock fertig zu werden. Als Vogel jedoch wird sie den unfreiwilligen Besuch auf Miranda II wohl bald vergessen haben.

Im weiteren Verlauf des Tages kam noch ein Nachfalter auf Besuch. Und ich kann nur sagen, er war genau so lästig wie die Nachtfalter, die man im Schlafzimmer einfängt. Allerdings habe ich grossen Respekt vor diesen Insekten, denen der Schöpfer weite Seereisen (wozu auch?) aufgebürdet hat.

Schliesslich Delfine. Wir sehen sie so oft, dass wir nur noch aus Höflichkeit hingucken, wenn ein Crew-Mitglied "Delfine!" ruft. Wenn sie aber ganz nahe am Boot sind, versuchen wir sie mit hohen Pfeifftönen zu einem Sprung aus dem Wasser zu bewegen. Denn normalerweise ist nicht viel zu sehen, die Sprünge produzieren die Delfine mit einiger Zuverlässigkeit nur in der Delfin-Show, sozusagen als Angestellte. In der Freiheit, wo sie freischaffend arbeiten, lassen sie sich nicht zu Gratis-.Sprüngen verleiten, weil sie wissen, dass dafür nix zu kriegen ist. Ist auch klar. Mal ehrlich: Würden Sie auch nur ein Mail Ihres Chefs beantworten ("Erwarte Feedback. Danke P."), wenn er nicht jener wäre, der Ihnen den Lohn zahlt. Sehen Sie! Die Delfine sind genau so. Das Delfin-Prinzip eben.

Ein Nachtrag noch: Während ich dies schreibe, brummt der elektrische Autopilot aufs schönste. Wir haben aus den zwei kaputten Geräten erfolgreich ein Funktionierendes zusammen gebastelt – und ernten nun den Lohn dafür: beide Hände frei zum Schreiben statt zum Steuern, während die Batterien geladen werden. Später segeln wir dann wieder mit der Windsteuerung weiter, die auch bei den vorherrschenden leichten Winder hervorragend arbeitet. Ohne Lohn, aber mit täglichem Dank.

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