Mittwoch, 1. Dezember 2010

Ein Zwischenstopp auf den Kapverden

Für alle Fälle hatten wir eine gute Seekarte an Bord und genaue Beschreibungen über die Ansteuerung des Hafens von Mindelo auf Sao Vincente, einer kleinen Insel der Gruppe der Kapverden. Sonst aber wussten wir nichts von den Kapwerden. Wir hatten ja nicht geplant, dort einen Zwischenstopp zu machen und uns ergo auf das Land auch nicht vorbereitet.

Was will man eigentlich als erstes wissen, wenn man umständehalber (das ist genau das richtige Wort) nachts ankommt und dann am ersten Morgen erwacht und in einer (modernen) Marina um sich guckt? Antwort: Man möchte als erstes wissen, wie spät es ist. Ein Franzose nebenan gibt uns die Zeit. Und nachdem nun die Uhren 1 Stunde zurückgestellt sind, kann das Leben seinen Lauf nehmen: Aha, ein Wachmann patrouillert auf dem Steg. Was das wohl heissen mag? Also ist wohl Vorsicht geboten.


Zuerst muss ich aber jetzt zum Zoll. Und dies generiert die zweite Frage: Wo ist die Einwanderungsbehörde? Die Antwort weiss Adilson. Den 33jährigen habe ich als lokalen Guide angestellt; und er führt mich nun effizient durch drei Behördenbüros und übersetzt die Fragen der Beamten, die meine bescheidene Anwesenheit in ihrem Land so genau nehmen wie ein Schweizer Notar die Verschreibung einer Liegenschaft. Nach dem Behördengang geht’s zum Supermarkt. Adilson hilft mir, die 100 Liter Mineralwasser tragen, der wichtigste Grund unseres Aufenthalts in seinem Land. Dann geht’s weiter zur Tankstelle, um Diesel aufzufüllen, dann zur Bank, um das Portemonnaie aufzufüllen. Adilson kennt sich aus, ist umsichtig - und erzählt sozusagen nebenbei von seinen Geschwistern (fremdarbeitend in Europa), seinem siebenjährigen Sohn und dass er keinen Fernseher hat zu Hause, weil er sich das nicht leisten kann.
Das Leben in Mindelo wird im Atlanic Crossing Guide als Mischung zwischen Portugal und Afrika geschildert. Mehr Afrika, würde ich sagen. So sehe ich zum erstenmal in meinem bald 59jährigen Leben Frauen, die Sachen auf dem Kopf tragen. Eine von ihnen verkauft feine kleine Pizzen für 10 Escudos, das ist umgerechnet 1 Rappen. Die Bäckerin behandelt ihre Strassenkunden mit grösster Aufmerksamkeit, jeder kriegt für den Preis noch eine kleine Serviette zur Pizza. Und ich rechne schnell nach und komme darauf, dass man für 1 Käschüechli am Bahnhofbuffetkiosk in Zürich hier 250 Pizzen und 250 Servietten kriegen würde. Wie machen das solche Gewerblerinnen finanziell, wenn sie 1 Rappen bekommen und davon noch die Zutaten (Mehl, Hefe, Zwiebeln, Tomaten etc) berappen müssen? Ich weiss es nicht, aber ich finde: Man könnte nach der Steuergerechtigkeitsinitiative mal eine Pizzagerechtigkeitsinitiative lancieren. Ich wette, es gäbe ein weltweites Ja und kein Nein wie am letzten Sonntag in der Schweiz.

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