Sonntag, 5. Dezember 2010

Meine Erfahrungen mit dem Sextant

Vor ein paar Jahren hatte mir Agnes einen Sextanten geschenkt, einen der besten, die es gibt, einen Freiberger Sextanten nämlich aus deutscher Wertarbeit. Der Sextant ist ein optisches Gerät, mit dem Seefahrer während Jahrhunderten den Winkel zwischen der Sonne und dem Horizont gemessen haben. Zusammen mit der genauen, einer Chronometer-Zeit und ein paar Tabellen ist es mit dem gemessenen Winkel sodann möglich, die genaue Schiffsposition zu ermitteln. Der Sextant ist bzw. war so wichtig, dass Kapitäne und die Führer von Piratenschiffen gleichermassen den Verlust ihres Augenlichts in Kaufe nahmen, wenn sie für die wichtige Positionsbestimmung die Sonne in ihrem Winkelmessgerät suchten. Das hatte sogar Konsequenzen für den Kunstbetrieb: die Seefahrer sind auf den Bildern alter Maler meistens mit einer schwarzen Augenklappe über einem erblindeten Auge zu sehen.

Diese Vorrede ist deshalb so lang geworden, weil es mir ausserordentlich peinlich ist, über meine eigenen Versuche mit dem Sextanten zu berichten: Ich begann erst einmal zu Hause zu üben. Da Zürich weit weg vom Meer liegt, musste ich einen künstlichen Horizont zu Hilfe nehmen. Der Verlust des Auges war hingegen nicht mehr zu fürchten, da bei modernen Sextanten längst sog. Schattengläser vor die Spiegel angebracht sind. Man sieht dann beim Gucken durch das kleine Fernrohr die Sonne als helle Scheibe, als wäre sie hinter einer dünnen Wolkendecke.

Meine Messergebnisse waren durchs Band und trotz x-Wiederholungen verheerend, auch neue Versuche an Meeresküsten und bei Bootsfahrten in der Bretagne führten zu keinen ermutigenden Ergebnissen. In Zürich lag meine Position statt in der Stadt jeweils irgendwo im Luzernischen oder sogar bei Stuttgart – in der Bretagne waren die Differenzen ähnlich krass. Ich kaufte dann einen kleinen Rechner (Celesticomp), da ich mich immer wieder bei banalen Rechenfehlern ertappt hatte. Und liess einmal sogar den Sextanten von einem Spezialisten überprüfen, der das kostbare Gerät abholte und einen Tag später wieder an meiner Haustür ablieferte. Alles nützte nichts. Das ärgste war, dass offenbar nur ich das Problem hatte, wie ich erfuhr, wenn ich erfahrene Sextantisten ins Vertrauen zog.

Die neue Seereise jetzt Richtung Barbados sollte die letzte Gelegenheit sein, die peinliche und unglaubliche Sache in Ordnung zu bringen. Gestern fasste ich zum erstenmal Mut und las nochmals die Bedienungsanleitung des Rechners durch. Ich entdeckte dort zu meiner Überraschung eine Passage, die ich bisher nicht richtig wahrgenommen hatte: In einem Absatz der Anleitung stand, man müsse zwischen zwei Messungen genügend Zeit verstreichen lassen, damit die unterschiedlichen Linien mindestens einen Winkel von 30 Grad ausmachten. Sonst sei die Ungenauigkeit so gross, also ob man mit einem stumpfen Bleistift zwei weite Winkel ziehen würde, deren Striche sich dann total unscharf überschneiden.

Ich liess also zwischen der ersten und der zweiten Messserie vier Stunden verstreichen, gab dann die Daten in den Celesticomp ein, dessen Software noch altmodisch eingebrannt ist in sogenannte Eproms. Und siehe da: Ich erhielt eine Position von 14 Grad und 24 Minuten Nord und 29 Grad 10 Minuten West. Das war genau 20 Meilen von der GPS-Position entfernt. Grosser, nicht endenwollender Applaus der Crew, welche zur Belohnung ein Mittagsbier spendierte.

In Kapitänskreisen sind natürlich 20 Meilen ein lediglich passables Resultat, gewiegte Seefahrer schiessen die Sonne auf 5 Meilen genau auch bei Seegang. Für mich aber sind die 20 Meilen eine unendliche Erleichterung und eine grosse Ermunterung, an mir zu arbeiten, wie man in einer Psychotherapie sagen würde. Höhepunkt wäre, dereinst einmal ganz auf den Rechner verzichten zu können und allein mit den Tabellen und mit Kopfrechnen vorzugehen. Allerdings müsste ich dann noch lernen, beim Addieren und Subtrahieren (behalte 1 und dergleichen) keine Fehler mehr zu machen. Soweit meine Erlebnisse mit dem Sextanten und damit herzliche Grüsse aus den selbstgemessenen N14-20 und W029-10.

3 Kommentare:

  1. Didn't this bring back memories of our Astronomy class at the Kanti (with the same guy who taught geography and geology)??? We had to mathematically figure out those angles and positions for any given location on earth. Were you sleeping through that class, or did I not sit close enough to you?? I sure remember it, but it must have been too much like math for you to like it.
    Keep trying!
    D.

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  2. Ein kleiner Tipp: Wenn eine der beiden Messungen die Mittagsbreite ist,musst Du sehr wenig rechnen und hast Deine Breite auf ein paar wenige Meilen genau! Liebe Gruess, Ruedi

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  3. Hallo Thomas,

    Auch ich habe vor einen Sextanten zu kaufen und mich in dieser alten Kunst zu probieren. Es scheint ja nicht ganz einfach zu sein ;-). Bei wem hast du dein Gerät überprüfen lassen?
    Viel Glück bei deinen weiteren Versuchen.

    Freundliche Grüsse
    Pablo

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