Donnerstag, 23. Dezember 2010
Auf Wiedersehen bei "Pay rates of the Carribean" Ende Januar 2011
Inzwischen hat die Personalabteilung von Miranda die Ueberzeitguthaben ausgerechnet und der Blogger hat einen zweiten Schrecken eingejagt bekommen: Es haben sich soviele Kompensations- Frei- und Ferientage zusammen geläppert wegen der Nachtwachen und der Sonntagsarbeit unterwegs über den Atlantik, dass nun Zwangferien angesagt sind. Wir melden uns wieder Ende Januar 2011 - dann mit einer neuen Staffel unter dem Titel "Pay rates of the Carribean". In der Zwischenzeit gibt es jede Menge Encore-Präsentationen. Klickt auf irgend einen Monat im 2010, und erlebt noch einmal, was wir erlebt haben.
Mittwoch, 22. Dezember 2010
Barbados - Wassertemperatur 29.8 Grad
Wir sind etwas erschöpft und werden uns nun ein paar Tage lang erholen. Nach Weihnachten geht es dann aber los mit den Reparaturen. Wir haben Probleme mit der Batterieladung, weiter spielt der Generator den faulen Hund und liefert nur noch 0.2 amp. Dann haben wir neue Probleme mit dem hydraulisch verstellbaren Ruder: Es lässt sich nur noch nach unten festellen, aber nicht mehr hydraulich hochziehen. Für eine Reparatur müssten wir das Boot auswassern. Mal sehen.
Samstag, 18. Dezember 2010
Passatwolken bringen Regen und Segen
Dass schlechtes Wetter von Osten kommt, ist für uns gewöhnungsbedürftig. Dank diesem Schub mit jeweils stark zunehmenden Winden machen wir Meilen wie noch nie. Wir knacken heute Vormittag die 300er Limite. Auch die Menukarte lässt sehen. Wir haben einen Mahimai gefangen und die Filets gleich in Zitronensaft und und etwas Olivenoel eingelegt. Nach einer Stunde waren die kleienn Stücke mariniert und die Skipperin hat ein geheimes Lager freigegeben, wo Weisswein lagerten. Der perfekte Apéro.
Freitag, 17. Dezember 2010
Bonus-Meilen
Ihr seht, liebe Leserin, lieber Leser: Wir können es kaum mehr erwarten, bis wir ankommen in Barbados. Wir "plangen" auf die Ankunft, wie man auf Schweizerdeutsch sagt, ein Gefühl, das ich als Kind kannte vor Weihnachten. "Er mag fascht nüme plange", sagte dann meine Mutter. Der Begriff beinhaltet viel mehr als das hochdeutsche "Er kann es fast nicht mehr erwarten" Im "plangen" steckt das Gefühl, dass die Zeit unerbittlich langsam fliesst, ohne jede Spur einer kürzer werdenden Dauer. So ist das bei uns. Doch wir kommen gut voran und knacken jetzt dann die 400-to-go-Meilen-Grenze - dank Bonus-Meilen schneller als erwartet.
Mittwoch, 15. Dezember 2010
Sehr geehrter Herr Foerthmann
Wir haben inzwischen das Paddel senkrecht gestellt, was die Steuersignale verbessert hat. Für die Rutschkupplung am Radadapter haben wir einen Murks gemacht. Wir nehmen ganz einfach eine Schraubzwinge, wo die Flügelmütter (oder sind es -muttern?) nicht richtig zupacken wollen. Und siehe da: es geht. Aber das Foto von dieser Gewaltanwendung wollen Sie dann sicher nicht in den Prospekt aufnehmen.
Punkto Steuergenauigkeit reiht sich unsere Ovni nun also wieder in jene 200 Schwesterschiffe ein, die ebenfalls mit Ihrem Windpilot unterwegs sind und auf die Sie gut und gerne stolz sein können.
Ich hoffe, dass ich Sie einen Mausklick weit weg nicht mehr erreichen muss vor unserer Ankunft in Barbados und wünsche Ihnen deshalb schon jetzt schöne Festtage und ein erfolgreiches Neues Jahr.
Mit herzlichem Gruss
Thomas Rüst
SY Miranda II
13-03 Nord und 48-40 West.
Montag, 13. Dezember 2010
der Lohn fürs Handsteuern
Zu dritt steuern wir weiterhin im Rhythmus zwei Stunden auf der Brücke, vier Stunden Pause. Das ist einigermassen erträglich. Nur zu zweit wäre es pickelhart. Der Lohn der Plackerei: Das beste Etmal so far: 133 Seemeilen in 24 Stunden näher am Ziel.
Sonntag, 12. Dezember 2010
999 miles to go
Die Crew im Moment nur halb-happy: Wir haben seit drei Tagen mit Wellen zu kämpfen, die unserer Windsteuerung und somit auch uns zu schaffen machen. Meist müssen wir von Hand steuern oder mindestens dem Zephir helfen, wenn Wellen unter uns durchtosen. Auch sind wir zu weit südlich geraten, haben nun eine Halse gemacht und segeln vom 11. BReitengrad wieder Richtung 13. Breitengrad.
Freitag, 10. Dezember 2010
Der Mond auf Facebook
Noch von einem andern imaginären Facebook-Friend gibt s zu berichten, von Zephir. Unsere Windsteuerung brilliert mit dem Eintrag: "Wann sind wir endlich da? Dieses Steuern ist mir zu blöd." Und ganz so benimmt er sich: Jede Welle ist ihm zuviel, jeder Windstoss für ihn eine Zumutung. Wir haben heute Vormittag alle möglichen Segelstellungen ausprobiert und sind nun beim Schmetterling (beide Segel ausgeklappt) gelandet, das Grosssegel im 4. Reff, nur so geht's, 3. Reff war nicht genug Druck-Verminderung. "Thank God it's Friday" schreibt Zephir nun auf Facebook, hat auch jenste "like" gegeben und von uns den Kommentar: Wart erst bis Sonntag!"
Am Sonntag nämlich gibt's gleich mehrere Feten: Erst feiern wir Kartenwende. Wir drehen die Atlantikkarte auf die andere Hälfte und sehen dann nicht mehr, woher wir kommen (Kapverden), sondern wohin wir segeln, nach Barbados. Wir haben also das Ziel vor Augen. Gleich danach feiern wir 999 MILES TO GO, traditionell mit Champagner und erstmals gibt's dazu eine Paté aus dem Périgord, die Danielle uns mitgegeben hat. Praktisch zeitgleich steigt die dritte Party: Der 993er Meilenstein fällt, wir haben die Hälfte hinter bzw. genau die zweite Hälfte der Seereise vor uns.
Donnerstag, 9. Dezember 2010
Ein gerissenes Steuerkabel
In der Folge nun steuerte Jean-Pierre das Boot mittels Notpinne und ein paar erfindungsreich gelegter Leinen, die die Handarbeit leichter machten. Ich demontierte den Kompass und den Tisch, dann das Piedestal, entfernte Bodenbretter und eine Aluplatte, um an den Ruderquadranten zu kommen. Dann legte ich Behelfsleinen durch die Steuersäule und zog mit ihnen das neue Ersatzkabel gekreuzt durch das Piedestal, ein solches Ersatzkabel hatten wir immer an Bord für genau diesen Fall.
Das tönt nach Easy-Reparatur, hat aber sechs Stunden in Anspruch genommen. Agnes war die zuverlässige Operationsschwester, die immer die genau richtigen Werkzeuge und die Tupfer (für das Gesicht des Chirurgen) bereit hielt. Weil wir ziemlich Wellen hatten, war die Arbeit sehr mühsam und um 16 Uhr, als das neue Kabel zu bester Zufriedenheit steuerte, war ich total erschöpft. Ich wusch die schwarzen Hände mit WD-40; beim Apero dann stiessen nicht wie sonst immer auf die „Frauen und die Pferde" an, sondern sagten zueinander kleinlaut: „A la prochaine merde."
Fazit: Schuld an der Misere ist natürlich der Skipper, der den vorbeugenden Unterhalt vernachlässigt und aus dem ersten Ereignis vor fünf Jahren offensichtlich nichts gelernt hatte. hatte. Das Kabel hatte 7500 Seemeilen in den Sehnen, nach 5000 hätten wir es in einem ruhigen Hafen auswechseln sollen. Die Lehren daraus für alle SkipperInnen, die Radsteuerung haben wäre i nFrageform die folgenden: Wieviel Meilen hat Euer Steuerkabel hinter bzw. noch vor sich? Habt Ihr ein Ersatzkabel an Bord? Wenn ja, wisst Ihr wie installieren (die meisten Kabel gehen übers Kreuz, sonst ist es, wie wenn man beim Auto für eine Rechtskurve nach links drehen müsste)?
Letzte Frage noch: Was passiert auf der „Miranda II", wenn auf unseren letzten 1400 Meilen auch das neue Kabel reisst? Antwort: Für diesen Fall der Fälle haben wir ein altes Kabel mit geflickter Kette an Bord – und dann also wieder sechs Stunden Maloche vor uns
Dienstag, 7. Dezember 2010
Information der Züri-Linie
Nun hat sich die Leitstelle heute Vormittag aber total quergstellt und sich geweigert, den Tram- und Buspassagieren die entsprechende Information über die Spottrackerblokierung durch Fremdbatterien zu melden. Wir sind deshalb gezwungen, unseren Blog für eine solche Meldung zu missbrauchen. Hier ist sie: "Information der Züri-Linie. Batterieprobleme im Bereich Spot Tracker von Miranda II. Wegen zu schwacher Batterien wird die Frequenz der Spotmeldungen in den kommenden Tagen vermindert sowie nachts und ausserhalb der Stosszeiten ganz eingestellt. Wir bitten um Verständnis. (Kkkkriiiiickkk)" Zur Ergänzung noch: Der Spottracker arbeitet nur ausdauernd mit Lithium-Batterien. Alkline-Batterien säuft er in 24 Stunden leer, was selbst unsere bedeutenden Vorräte an AA-Batterien auf eine harte Probe stellt. Im Gegensatz zur VBZ bitten wir nun aber nicht um Ihr Verständnis, sondern fordern Sie auf, Ihrem Unmut freien Lauf lassen. Danke.
Hier noch die Adresse des Spot-Trackers: http://bit.ly/b5feTY.
Montag, 6. Dezember 2010
Im Passatwind
Die Wolken haben nicht immer die gleiche Grösse, manchmal sind sie putzig klein, dann tun sie sich zu dunkelgrauen Gebilden zusammen, dann wieder klafft ein riesiges Wolkenloch über uns. Nachts sind sie nur insofern sichtbar, als sie den Sternenhimmel verhüllen. Wir sind seit Tagen ohne Mond, und entsprechend dunkel ist es während den Wachen.
Dank dem ziemlich beständigen Passatwind kommen wir gut vorwärts und haben das erste Mal wieder über 100 Meilen gemacht in 24 Stunden. Der Meilenzähler zählt von 1987 (Start auf Kapverden) zurück; heute sind wir sozusagen im 17. Jahrhundert, nämlich bei 1628. Am Anfang wusste ich zu den meisten Zahlen noch geschichtsträchtige oder auch nur private Ereignisse – 1986 Perestrojka, 1894 das Geburtsjahr meines Grossvaters, dann die Französische Revolution. Doch je näher wir nun dem Mittelalter kommen, desto weniger Wissen habe ich in petto. Der Geschichtslehrer damals hat uns als Persönlichkeit in seinen Bann gezogen und deshalb verehren wir ihn noch heute. Jahreszahlen und Buchwissen hingegen sind total verloren gegangen.
Sonntag, 5. Dezember 2010
Meine Erfahrungen mit dem Sextant
Diese Vorrede ist deshalb so lang geworden, weil es mir ausserordentlich peinlich ist, über meine eigenen Versuche mit dem Sextanten zu berichten: Ich begann erst einmal zu Hause zu üben. Da Zürich weit weg vom Meer liegt, musste ich einen künstlichen Horizont zu Hilfe nehmen. Der Verlust des Auges war hingegen nicht mehr zu fürchten, da bei modernen Sextanten längst sog. Schattengläser vor die Spiegel angebracht sind. Man sieht dann beim Gucken durch das kleine Fernrohr die Sonne als helle Scheibe, als wäre sie hinter einer dünnen Wolkendecke.
Meine Messergebnisse waren durchs Band und trotz x-Wiederholungen verheerend, auch neue Versuche an Meeresküsten und bei Bootsfahrten in der Bretagne führten zu keinen ermutigenden Ergebnissen. In Zürich lag meine Position statt in der Stadt jeweils irgendwo im Luzernischen oder sogar bei Stuttgart – in der Bretagne waren die Differenzen ähnlich krass. Ich kaufte dann einen kleinen Rechner (Celesticomp), da ich mich immer wieder bei banalen Rechenfehlern ertappt hatte. Und liess einmal sogar den Sextanten von einem Spezialisten überprüfen, der das kostbare Gerät abholte und einen Tag später wieder an meiner Haustür ablieferte. Alles nützte nichts. Das ärgste war, dass offenbar nur ich das Problem hatte, wie ich erfuhr, wenn ich erfahrene Sextantisten ins Vertrauen zog.
Die neue Seereise jetzt Richtung Barbados sollte die letzte Gelegenheit sein, die peinliche und unglaubliche Sache in Ordnung zu bringen. Gestern fasste ich zum erstenmal Mut und las nochmals die Bedienungsanleitung des Rechners durch. Ich entdeckte dort zu meiner Überraschung eine Passage, die ich bisher nicht richtig wahrgenommen hatte: In einem Absatz der Anleitung stand, man müsse zwischen zwei Messungen genügend Zeit verstreichen lassen, damit die unterschiedlichen Linien mindestens einen Winkel von 30 Grad ausmachten. Sonst sei die Ungenauigkeit so gross, also ob man mit einem stumpfen Bleistift zwei weite Winkel ziehen würde, deren Striche sich dann total unscharf überschneiden.
Ich liess also zwischen der ersten und der zweiten Messserie vier Stunden verstreichen, gab dann die Daten in den Celesticomp ein, dessen Software noch altmodisch eingebrannt ist in sogenannte Eproms. Und siehe da: Ich erhielt eine Position von 14 Grad und 24 Minuten Nord und 29 Grad 10 Minuten West. Das war genau 20 Meilen von der GPS-Position entfernt. Grosser, nicht endenwollender Applaus der Crew, welche zur Belohnung ein Mittagsbier spendierte.
In Kapitänskreisen sind natürlich 20 Meilen ein lediglich passables Resultat, gewiegte Seefahrer schiessen die Sonne auf 5 Meilen genau auch bei Seegang. Für mich aber sind die 20 Meilen eine unendliche Erleichterung und eine grosse Ermunterung, an mir zu arbeiten, wie man in einer Psychotherapie sagen würde. Höhepunkt wäre, dereinst einmal ganz auf den Rechner verzichten zu können und allein mit den Tabellen und mit Kopfrechnen vorzugehen. Allerdings müsste ich dann noch lernen, beim Addieren und Subtrahieren (behalte 1 und dergleichen) keine Fehler mehr zu machen. Soweit meine Erlebnisse mit dem Sextanten und damit herzliche Grüsse aus den selbstgemessenen N14-20 und W029-10.
Freitag, 3. Dezember 2010
Advent, Advent...
Der Kalender zeigt allerdings eine für mich total merkwürdige und ungewöhnliche Szene. Im Zentrum des Bildes steht ein Postamt, das sich nicht in einem Gebäude befindet, sondern das als Marktbude mitten auf der Strasse in einem Stadtquartier mit älteren Wohnbauten aufgestellt wurde. Es ist Nacht, die Zimmer aller Wohnungen sind hell erleuchtet. Vor dem Postamt haben sich Kinder versammelt, die bei Engelsbeamtinnen Briefe aufgeben. Die Post wird dann an Himmelsboten, ebenfalls Engel, weiter geleitet, welche vom schneebedeckten Dach der Marktbude aus starten. Sie haben alle schwere schwarze Mappen bei sich, gewinnen aber trotz der Last bei ihrem Flug über die Dächer rasch an Höhe.
Die ganze Szenerie mit diesem nächtlichen Budenpostamt hat etwas leicht Unheimliches. Und ich wusste lange nicht warum. Plötzlich merke ich, was mich innerlich irritiert: Es sind keine Erwachsenen zu sehen in dieser Kinderstadt und man ahnt oder fürchtet, dass sie sich wohl alle in den Wohnungen aufhalten (aufhalten müssen?), in all den Zimmern, für deren helle Beleuchtung es ein Obligatorium zu geben scheint.
Vielleicht hat der Kalender aber auch überhaupt nichts Unheimliches, wenn er nur nicht bei 30 Grad im Schatten betrachtet würde, sondern in einer ganz normalen winterlichen Atmosphäre zu Hause in der vorweihnachtlichen Schweiz in einem gut geheizten und ebenfalls gut ausgeleuchteten Wohnzimmer. Denn unser Problem ist: Wir leben hier auf dem Atlantik ohne alle üblichen gesellschaftlichen Adventsattribute: wir sehen keine TV-Spots, die mit weihnachtlicher Musik untermalt sind; wir gehen nicht an festlichen Auslagen vorbei in der Stadt mit ihrer Lucy; wir haben keine eigenen Geschenkpläne und müssen auch nicht ans Weihnachtsessen des Arbeitgebers.. Es ist einfach unmöglich, hier auf dem 15. Breitengrad irgend etwas Weihnachtliches zu spüren.
Das gleiche gilt für den Winter: Herzlichen Dank allen, die uns Mails geschickt haben mit Nachrichten über Schneeverwehungen, über umgekippte Autos, die Bise und Minustemperaturen. Aber bei aller Empathie will sich einfach kein Mitgefühl einstellen, weil der Winter für uns so schwer vorstellbar ist wie für alle von uns, wenn wir im Juli in der Schweiz im Schwimmbad sind. Sommer und Winter – das kann man nicht nachfühlen, nur selbst erleben. Aber einen Adventskalender zu haben bei 30 Grad ist trotzdem eine schöne Sache.
Donnerstag, 2. Dezember 2010
Das Lotto-System von Diviano
Den Namen des gewinnenden Feldes, so erklärt der Lotteriebetreiber weiter, werde er dann aufrubbeln, eigentlich aufschneiden, denn der Gewinnername versteckt sich unter einem kleines Stück Stoff, das auf das Blatt Papier aufgenäht ist. Und wann findet die Ziehung statt? Antwort: Wenn alle Felder voll sind.
Dieser Hinweis zeigt einmal mehr, dass Lotterieteilnehmer Mitglied einer Solidargemeinschaft sind. Das gilt genau so für das Schweizer Zahlenlotto wie für die kleine Schicksalsgemeinschaft, die bei Diviano auf Namen setzt und der ich nun angehöre. Mir gefällt das System, mal abgesehen von der unabsehbaren Frist bis zur Ziehung. Es liesse sich auch im Internet anwenden mit SMS etc.
Diviano sagt, wahrscheinlich werde am kommenden Tag der Gewinner ermittelt, der übrigens eine Flasche Rum bekommen soll. Später sagt mir mein lokaler Guide, dass Diviano auch Kleinkredite an Kollegen vermittle; er gelte als Kredithai, weil er Schulden unnachsichtig zurückfordere. Das ist bei den Banken nicht anders, denke ich. Und so wäre Diviano, hätte er andere Lebenschancen, wohl Investmentbanker geworden und ich hätte ihm ein strukturiertes Produkt abgekauft.
Mittwoch, 1. Dezember 2010
Ein Zwischenstopp auf den Kapverden
Was will man eigentlich als erstes wissen, wenn man umständehalber (das ist genau das richtige Wort) nachts ankommt und dann am ersten Morgen erwacht und in einer (modernen) Marina um sich guckt? Antwort: Man möchte als erstes wissen, wie spät es ist. Ein Franzose nebenan gibt uns die Zeit. Und nachdem nun die Uhren 1 Stunde zurückgestellt sind, kann das Leben seinen Lauf nehmen: Aha, ein Wachmann patrouillert auf dem Steg. Was das wohl heissen mag? Also ist wohl Vorsicht geboten.
Zuerst muss ich aber jetzt zum Zoll. Und dies generiert die zweite Frage: Wo ist die Einwanderungsbehörde? Die Antwort weiss Adilson. Den 33jährigen habe ich als lokalen Guide angestellt; und er führt mich nun effizient durch drei Behördenbüros und übersetzt die Fragen der Beamten, die meine bescheidene Anwesenheit in ihrem Land so genau nehmen wie ein Schweizer Notar die Verschreibung einer Liegenschaft. Nach dem Behördengang geht’s zum Supermarkt. Adilson hilft mir, die 100 Liter Mineralwasser tragen, der wichtigste Grund unseres Aufenthalts in seinem Land. Dann geht’s weiter zur Tankstelle, um Diesel aufzufüllen, dann zur Bank, um das Portemonnaie aufzufüllen. Adilson kennt sich aus, ist umsichtig - und erzählt sozusagen nebenbei von seinen Geschwistern (fremdarbeitend in Europa), seinem siebenjährigen Sohn und dass er keinen Fernseher hat zu Hause, weil er sich das nicht leisten kann.
Das Leben in Mindelo wird im Atlanic Crossing Guide als Mischung zwischen Portugal und Afrika geschildert. Mehr Afrika, würde ich sagen. So sehe ich zum erstenmal in meinem bald 59jährigen Leben Frauen, die Sachen auf dem Kopf tragen. Eine von ihnen verkauft feine kleine Pizzen für 10 Escudos, das ist umgerechnet 1 Rappen. Die Bäckerin behandelt ihre Strassenkunden mit grösster Aufmerksamkeit, jeder kriegt für den Preis noch eine kleine Serviette zur Pizza. Und ich rechne schnell nach und komme darauf, dass man für 1 Käschüechli am Bahnhofbuffetkiosk in Zürich hier 250 Pizzen und 250 Servietten kriegen würde. Wie machen das solche Gewerblerinnen finanziell, wenn sie 1 Rappen bekommen und davon noch die Zutaten (Mehl, Hefe, Zwiebeln, Tomaten etc) berappen müssen? Ich weiss es nicht, aber ich finde: Man könnte nach der Steuergerechtigkeitsinitiative mal eine Pizzagerechtigkeitsinitiative lancieren. Ich wette, es gäbe ein weltweites Ja und kein Nein wie am letzten Sonntag in der Schweiz.
Dienstag, 30. November 2010
Zick und Zack
Montag, 29. November 2010
1. Quartalsbericht der Miranda AG
Zürich, 28. November. – Das Transport- und Logistikunternehmen Miranda II hat am Montag enttäuschende Zahlen des ersten Quartals (von Samstag zu Samstag) bekannt gegeben . Mit 675 Meilen haben Miranda II die Erwartungen der Analysten /(700 Meilen) klar verfehlt. Die Geschäftsleitung begründet dies mit schlechten Windverhältnissen am Freitag und Samstag. In seinem Ausblick auf das zweite Quartal sagte CEO Bat Ovni: "Wir sind für die kommenden Herausforderungen in einem schwierigen Umfeld gut aufgestellt und erwarten ein befriedigendes Ergebnis." Und Finanzchef Jean-Claude Trichet liess sich mit dem Satz zitieren: "Wir werden die Wetterverhältnisse auch weiterhin im Auge behalten."
Die Börse reagierte enttäuscht. Besonders zu denken gibt, dass auch das zweite Quartal mit 158 Meilen in zwei Tagen (bis Montagmittag) verhalten begonnen hat. Von Analystenseite hiess es, entscheidend für das Jahresergebnis (eine Ankunft um den 20. Dezember) seien das 3. und 4. Quartal, wenn gute Passatwinde erwartet werden. Diese Entwicklung sei aber im Aktienkurs längst eingepreist. Die ZKB bewertet den Titel weiter mit Outperform; das Unternehmen habe Meteoorologie, Segeltrimm und – wechsel im Griff und verfüge über ein Boot mit hervoragenden Leichtwindeigenschaften, um auch schwierige Zeiten zu überstehen. Skeptisch zeigte sich das Analyseteam der Bank Bär: "Segelboote gelten als Geldverbrennungsmaschinen und sind nur für Investoren mit starken Nerven geeignet."
Sonntag, 28. November 2010
A Happy Boat
Freitag, 26. November 2010
Von Möwen und andern Angestellten
Im weiteren Verlauf des Tages kam noch ein Nachfalter auf Besuch. Und ich kann nur sagen, er war genau so lästig wie die Nachtfalter, die man im Schlafzimmer einfängt. Allerdings habe ich grossen Respekt vor diesen Insekten, denen der Schöpfer weite Seereisen (wozu auch?) aufgebürdet hat.
Schliesslich Delfine. Wir sehen sie so oft, dass wir nur noch aus Höflichkeit hingucken, wenn ein Crew-Mitglied "Delfine!" ruft. Wenn sie aber ganz nahe am Boot sind, versuchen wir sie mit hohen Pfeifftönen zu einem Sprung aus dem Wasser zu bewegen. Denn normalerweise ist nicht viel zu sehen, die Sprünge produzieren die Delfine mit einiger Zuverlässigkeit nur in der Delfin-Show, sozusagen als Angestellte. In der Freiheit, wo sie freischaffend arbeiten, lassen sie sich nicht zu Gratis-.Sprüngen verleiten, weil sie wissen, dass dafür nix zu kriegen ist. Ist auch klar. Mal ehrlich: Würden Sie auch nur ein Mail Ihres Chefs beantworten ("Erwarte Feedback. Danke P."), wenn er nicht jener wäre, der Ihnen den Lohn zahlt. Sehen Sie! Die Delfine sind genau so. Das Delfin-Prinzip eben.
Ein Nachtrag noch: Während ich dies schreibe, brummt der elektrische Autopilot aufs schönste. Wir haben aus den zwei kaputten Geräten erfolgreich ein Funktionierendes zusammen gebastelt – und ernten nun den Lohn dafür: beide Hände frei zum Schreiben statt zum Steuern, während die Batterien geladen werden. Später segeln wir dann wieder mit der Windsteuerung weiter, die auch bei den vorherrschenden leichten Winder hervorragend arbeitet. Ohne Lohn, aber mit täglichem Dank.
Donnerstag, 25. November 2010
Happy Thanksgiving
Soviel zum Feiertag des Erntedankfestes. Der Tag hat heute Morgen bei leichten Winden begonnen und einer ruhigen See, gerade richtig, um den elektrischen Autopiloten auseinander zu nehmen und dann festzustellen, dass Rädli aus Plastik, die die volle Kraft übertragen sollten, vermantschte Zähne haben und deshalb das Maschinchen hustete und stotterte. Keine Chance einer Reparatur der Teilchen.
Es ist immer ärgerlich, zu realisieren, dass ein Hersteller (Autohelm) eine Abkürzung genommen und Billigmaterial eingebaut hat, was sich früher oder später dann beim Kunden rächen müsste. Nun überlegen wir uns, ob wir aus den zwei an Bord vorhandenen Geräten eins machen sollen; aus den beiden Geräten zusammen sollten wir nämlich mit etwas Glück neun intakte Plastikrädli zusammen bekommen.
Mittwoch, 24. November 2010
Auf der Welle
Mit der Welt sonst verbunden sind wir auf altmodische Weise: Wir hören Deutsche Welle auf 6075MhZ. Das Radio informiert akkurat über Krisen, Kriege und Gipfeltreffen. Und wenn es nichts zu berichten gibt, dann treten in unserem Boot am Abend Frau Merkel und Herr Westerwelle auf und bekräftigen, betonen und erklären. Niemand kann sagen, was deutsche PolitikerInnen vor 14 Tagen oder irgendwann gesagt haben. Dennoch reden sie dauernd - und die Deutsche Welle bläst die Sprechblasen in die Welt hinaus - als einer der letzten Newssender auf Kurzwelle.
Dienstag, 23. November 2010
Ein gewöhnlicher Segeltag
Montag, 22. November 2010
Richtung Kapverden
Donnerstag, 18. November 2010
Von Bier, Mehl, Rüebli und Pringles
Sonntag, 14. November 2010
Die To-do-Liste
Seit Tagen schiebe ich zum Beispiel die Kontrolle der Anode am Propeller vor mir her. Das ist ein Stück Zink, das korrodiert. Die Korrosion am Billigmetall sorgt dafür, dass die Korrosion nicht am teuren Alu einsetzt und aus dem Boot mit der Zeit ein überdimensioniertes Salatsieb entsteht. Eine wichtige Sache also und allenfalls müsste die zerfressene Anode am Propeller ausgewechselt werden. Dann wären Batterien zu besorgen für einen kleinen, im Fernglas eingebauten Kompass, keine schlechte Sache ein beleuchteter Kompass, wenn man nachts Frachter peilt. Die Batterien haben den Namen „350 Renata“. Seit wann haben Batterien weibliche Vornamen?
Zu meinen Gunsten kann ich sagen, das es auch ein paar durchgestrichene Items gibt auf der Liste: Einen Reffpunkt habe ich versetzt, damit das Segel eine glattere, weniger bauchige Form bekommt, ein Vorschlag von Jean-Pierre. Und dann sind auch die Camping-Gas-Flaschen bereits an Bord, ein Stück pro Woche plus zwei in Reserve. Nieten habe ich auch schon gekauft für allfällige Reparaturen. Nieten tragen ihren Namen („Du Niete!“) völlig zu Unrecht. Die Niete ist eine schlicht geniale Erfindung und der helle Knall einer erfolgreichen – was ? – „Nietung“ ist jedes Mal ein handwerkliches Glücksgefühl.
So gehen die Tage vorbei. Die lange To-do-Liste hat mindestens den Vorteil, dass ich nicht auf der Strandpromenade spazierend die Zeit totschlagen muss wie die vielen Briten und Deutschen, die hier in den Aparthotels Ferien machen. Und noch ein Vorteil hat die To-do-Liste, wie ich von einem erfahrenen Segler unter der Hand vernommen habe: Am Schluss wirft man sie einfach weg und legt los – egal, was durchgestrichen ist und was nicht.
Donnerstag, 11. November 2010
Christbaum
Dienstag, 9. November 2010
Leck
Nach Prüfung der üblichen Verdächtigen – Stopfbuchse, Ventile – einigten wir uns darauf, dass das Leck in der Ankerkiste zu finden sein müsste, dort wo wir vor drei Jahren schon einmal abgedichtet hatten. Um der Sache auf den Grund zu gehen, spritzte ich mit Hochdruck Wasser an die vermuteten Stellen. Vor allem die Kabeleinlässe der Ankerwintsch schienen uns suspekt. Agnes prüfte derweil die Unterwelt der vorderen Kabine auf frische Tropfen, mengenmässig hielt sich das ja alles im Rahmen mit den 30 Litern, aber genau das ist jeweils das Problem: Je kleiner das Leck, desto schwieriger ist es zu entdecken. Doch wir hatten Glück: beim zweiten Anlauf der Spritztour offenbarte sich klar eine Nässe im Alurumpf, die vorher nicht da gewesen war.
Im Bundeshaus wird jeweils die Bundesanwaltschaft beauftragt, die entstandenen Lecks zu stopfen. Auf unserem Boot mussten wir selber Hand anlegen. In mühseliger Arbeit habe ich zunächst die Kabeleinlässe für die Ankerwintsch neu gefasst. Da Agnes als kleinere Person gerade noch knapp in die Ankerkiste hinein steigen konnte, übernahm sie den Job des Dichtens mit Sikaflex 291, dem weltweit absolut besten Mittel, den es für diesen Zweck gibt.
Nun sind wir gespannt, ob wir in der Zukunft eine trockene Bilge haben. Wenn nicht, haben wir wenigstens die dort gelagerten Konserven mit wasserfestem Filzstift angeschrieben. Wasser löst nämlich die Etiquetten ab und unbeschriftete Konservendosen – egal ob mit Erbsli oder mit Schoggicreme gefüllt – sehen dann mitten auf dem Atlantik plötzlich alle gleich aus.
Samstag, 6. November 2010
Kochen und abwaschen
Antwort: Es hat. Am Donnerstagnachmittag gab es für unseren Kurs noch immer einen guten Wind, nix von gegen uns drehend, sondern schön für uns. Noch besser: Die Wellen waren nun noch knapp 2 m, eine Höhe (und Länge), die unsere "Miranda" mit Grazie bewältigt. So hat sich dann die Stimmung an Bord sehr rasch gebessert. Man sass wieder zusammen im Cockpit und verkroch sich nicht sofort nach der Wache in die Koje, damit die Zeit im Schlafe vergehen würde.
Am Abend gab es wieder Tuna, den ich in einer Tomatensauce kochte und mit Teigwaren servierte, vielleicht nicht grad das hochkulinarischste Menu, aber: In der Küche stehen war wegen der Schräglage des Bootes (Krängung) immer noch anspruchvoll. Und wer sich bei solcher Kocherei nicht verkeilt oder wenigstens mit einer Hand festhält beim Hantieren, risikiert immer noch unschöne Verschüttszenen bis hin zu Verbrennungen. Das ärgste war dann der Abwasch. Es gibt unter erschwerten Umständen zwei Methoden: Entweder jedes Stück einzeln ergreifen, abwaschen, abtrocknen und versorgen, was zeitaufwändig ist. Oder dann alles abwaschen und in einem zweiten Becken zum trocknen und versorgen zwischenlagern. Nicht meine Lieblingstätigkeit muss ich sagen. Und manchmal beneide ich Leute, die an Bord eine Geschirrwaschmaschine haben und sich auf ihren Booten wie zu Hause fühlen.
Am Freitag schliesslich konnten wir den Lohn unserer Plackerei ernten: Wir waren fast zu weit weg auf der guten Seite der Ideallinie und konnten nun Kompassgrade verschenken. Wir öffneten die Segel, das Boot hatte nun weniger Schräglage, man hätte geradezu komfortabel abwaschen können. Und so segelten wir, begleitet von einem Sonnenuntergang, in die warme, mondlose Nacht hinein. Kurz vor Mitternacht legten wir im Süden von Lanzarote im Hafen der Marina Rubicon an, gleich neben einer Bar, die noch offen war. Was für ein Glück - das ich allerdings am nächsten Morgen büssen musste.
Thunfisch macht Fehler seines Lebens
Wie soll man in einem solchen Chop als Steuermann das Boot verlangsamen, damit Jean-Pierre die Nylon-Leine mit dem Fisch am andern Ende aufrollen könnte? Ich tat mein möglichstes – und schliesslich war der unglückliche Bonito am Haken und an Bord – geschätzter Barwert gemäss Migros-Fischstand ca 80 Franken.
Am Abend wurden die Tranchen kurz in Olivenöl gebraten, mit Pfeffer und ganz wenig Salz gewürzt und mit Brot serviert – mein bestes Tuna-Sandwich. Zu mehr reichte es nicht, da Kochen während des harten Ritts einigermassen schwierig war – und wohl am Ende auch vergeblich, weil unsere Magennerven schon ziemlich angegriffen waren von diesm Stop and go in den Wellen.
Montag, 1. November 2010
Wetter IV
Sonntag, 31. Oktober 2010
Im Botanischen Garten
Trotz meines laienhaften Interesses sind die Visiten in der grünen Umgebung ein grosser Gewinn. Im Botanischen Garten von Funchal habe ich zum Beispiel zum ersten Mal die Ananas-Pflanze gesehen. Die Frucht selbst, die wir von festlichen Desserts kennen, trohnt in freier Natur in der Mitte einer Rundpflanze, deren lange Blätter um sie herum scharfe Dornen haben. Man muss, um der Ananas habhaft zu werden, also zuerst die Abwehr der sie schützenden Speere überwinden.
Auch den Ingwer (Bild) habe ich persönlich erst jetzt in Funchal kennen gelernt, seine Wurzel schützt vor Seekrankheit und ist sozusagen nebenbei auch eine wunderbare Zutat.
Doch als Pflanze ist der Ingwer trotz seines hohen Gebrauchswerts total bescheiden geblieben. Schliesslich gab es Kurkuma zu sehen, auch so ein Name, der einem nur auf dem Gewürzgestell begegnet und kaum je in Freiheit.
Apropos Freiheit: Am Schluss stellten wir erstaunt fest, dass dem Botanischen Garten ein Gefängnis angegliedert ist. Die Dutzenden von Häftlinge waren alle unter freiem Himmel in ihren Zellen zu besichtigen, ein kleines Guantanamo. Sie waren aus einem völlig absurden und willkürlichen Grund hinter Gitter gekommen, nämlich weil sie ein farbiges Gefieder zur Schau trugen – oder gut singen konnten. Alle sind sie dann zu einer lebenslangen Strafe verurteilt worden und verbüssen sie nun in einer ausbruchssicheren Anlage, die euphemistisch Voliere genannt wird. Wenn es für diese Gefangenen eine Ausschaffunginitiative gäbe, würde ich am 28. November von Herzen mit Ja stimmen.
Freitag, 29. Oktober 2010
Die Inseln im Atlantik
In meiner Ferienlaune in dem hügeligen Paradies nahm mich sofort wunder, wo eigentlich MadeiranerInnen Ferien machen, die ja das ganze Jahr ein Ferienambiente um sich haben? Erstaunliche Antwort: Gleich wie wir – nämlich auf den Kanaren. Und es folgte eine schwärmerische Beschreibung der Canarias mit den schönen Stränden undundund.
Mir kommt das vor, als würden Zermatter in St. Moritz Ferien machen. Anderseits: Zürcher fliegen ja auch nach Berlin wegen der Stadt und der Clubszene dort, welch letztere sie genau so gut im Kreis 5 erleben können – wie die Madeiraner den Strand im nahegelegenen Porto Santo.
Hinter der Vorliebe der Madeiraner (Achtung: Taxifahrer-Verallgemeinerung!) für die Kanaren verbirgt sich aber auch eine Verbundenheit mit den andern Insulanern im Atlantik. Filomena jedenfalls sagte uns, sie fühle sich „dem Kontinent“, also Portugal, weniger verbunden als zum Beispiel den Azoren; und sie wünscht sich eine Union zwischen den autonomen portugiesischen Gebieten der Azoren und Madeira sowie den Kanaren und den Kapverden.
Wie sollte dieses 193. Land der Uno heissen? Mir fiel auf der Heimfahrt ein Name ein, der mir sofort gefiel: The United States of Atlantis.
Mittwoch, 27. Oktober 2010
Bullenstander
Montag, 25. Oktober 2010
Quinta do Lorde
Samstag, 23. Oktober 2010
Apfelmus
Die meisten von uns sind hervorragende Köche, die auch ohne Garthermometer und aufwändige Backofen-Software einen Rehrücken perfekt hinkriegen. Wenn ich jeweils die Bilder meiner Facebook-friends betrachte von ihren kulinarischen Unternehmungen, dann gibt es schlicht kein Rezept, an das sie sich nicht wagen würden. Aber nun Apfelmus...hmmm - wie geht das? Sicher total einfach, aber...weiss das jemand?
Hier mein Handgelenk-mal-Pi-Rezept: Aepfel schälen und stückeln, Zucker und Zimt darüber, in wenig Wasser köcheln (mit einem Schluck Weisswein oder Apfelsaft dazu), abkühlen lassen und fertig. Nein: noch pürieren mit dem Pürierstab, der zu jeder soliden Bordausstattung gehört. Geht alles fast so schnell wie Büchsenöffner suchen, Büchse aufmmachen und später zur Abfalltrennung und zurück zu tigern, um die leere Büchse wieder loszuwerden. Das Stammhirn freut sich. Und Fisch gibts dann morgen wieder.
Freitag, 22. Oktober 2010
33/16
Unsere schwedischen Nachbarn von Lissabon sind fast gleichzeitig mit uns eingetroffen. Sie hatten weniger lange zugewartet in der Flaute und den Motor früher angeworfen. Wir sind deshalb wieder einmal sehr stolz auf unsere Ovni 35, die auch in leichten Winden noch super gut läuft. Die Ankunft haben wir dann mit Margareta und Sune zusammen gefeiert in der Hafenba. Danach gab es an Bord der "Miranda II" den üblichen Chillout-Tag nach einem langen Trip, also Nichtstun, ausser duschen, ein bisschen aufräumen und die Oeffnungszeiten der Hafenbar testen. Morgen wollen wir dann sehen, was die Insel für uns bereit hält.
Mittwoch, 20. Oktober 2010
Nachtwache
Von der Cassiopeia ging es nun weiter zu Orion - mit Schwert, dann zum Schwan, mit seinen Flügelchen und dem kleinen Kopf - da muss einer erst mal drauf kommen, dachte ich. Auch der Grosse Wagen war da, wie immer, dessen Deichsel mir schon als Kind überdimensioniert vorgekommen ist.
Es war nun 20 Uhr geworden und wir vereinbarten, beim Wachwechsel wieder in die Sterne zu gucken. Agnes ging schlafen und ich spintisierte weiter am Thema Sterne. Es gibt ja sonst nichts zu tun auf der Wache, wenn alles gut läuft. Mir kam in den Sinn, ob es wohl mal ein Sternbilder-App fürs iPhone geben würde, mit GPS und Himmelskoordinaten Ich dachte dann, dass eher nein; denn rund um die Sternbilder gibt es keine Moden, keine Aktualität, die Sternbilder entziehen sich dem irdischem Wandel trotz ihrer allnächtlichen Präsenz. Kein König und kein Diktator in Piong Yang hat es je gewagt, in seinem Herrschaftsbereich das Umtaufen der Sternbilder zu verlangen. Und deshalb ist aus dem Orion mit seinem Schwert nie "Unser lieber Führer" geworden. Auch gibt es keinen "Rolex-Stern" und keinen "Fedex-Planeten". Branding, Sponsoring, das alles passt nicht an den Nachthimmel, einer der letzten nicht-kommerzialisieren Räume.
Um Mitternacht kam Agnes wieder aus der Koje ins Cockpit für ihre Wache, doch das neuerliche Sternengucken fiel aus, weil inzwischen der Grosse Regisseur einen weissen Zirrenvorhang vor seine Sternbilder gezogen hatte.
Als ich um 3 Uhr für meine zweite Wache aufwachte, spürte ich an der Bewegung des Bootes, dass wir noch immer guten Wind hatten. Ich kriegte einen Tee und Agnes legte sich wieder schlafen. Um 6 Uhr, am Ende meiner neuen Wache, machte ich einen Logbuch-Eintrag und sah, dass es noch 81 Meilen wären bis zum Ziel in Porto Santo.
Montag, 18. Oktober 2010
Unterwegs
Dienstag, 21. September 2010
Der Blogist macht Ferien bis 15. Oktober.
Die 2. Staffel startet Mitte Oktober - mit erregenden neuen Stories aus dem Leben eines rugged sailors, seiner Equipage und der Welt, so wie sie ist.
Bis dann passiert hier gar nichts. Niemand verpasst also nichts. Allen, die jedoch bereits süchtig sind nach dem Miranda-II-Blog, sei der bequeme Klick ins Archiv empfohlen. Dort gibt's jeden Tag jede Menge Re-Runs.
Sonntag, 19. September 2010
Ein schneller Ritt nach Lissabon
Mit diesem schnellen Ritt hatten wir nicht gerechnet und so trafen wir bereits nach 21 Stunden und viel zu früh am Morgen an der atlantischen Abzweigung Richtung Lissabon ein, am Cabo da Roca. Wir verlangsamten nun das Boot und segelten gerade noch 2 Knoten, weil wir nicht in der Dunkelheit durch kaum sichtbare Fischernetze hindurchpflügen wollten und eine fremde Hafeneinfahrt im Dunkeln ihre Tücken haben kann.
Gegen 7 Uhr wurde es hell und da sahen wir, was wir vorher in der Dunkelheit partout nicht hatten sehen wollen: ein langer Mauer-Wall, an dessen östlichem Ende sich die Einfahrt in den Hafen von Cascais befand. Am Steg angekommen merkten wir, dass wir in der langen Nacht mit den abwechselnden Wachen einen Gewaltshunger zusammengesegelt hatten. Es gab deshalb nun Speck mit Eier, das beste Frühstück ever. Danach hiess es gute Nacht und den Vormittag verschlafen.
Samstag, 18. September 2010
Von Viana do Castelo nach Lissabon
Grosse Etappenorte entlang der portugiesischen Küste sind oft nur einen Katzensprung von grossen Städten entfernt, die mit modernen Zügen erreichbar sind. Von Figueira aus kommt man zum Beispiel in einer wunderschönen Fahrt entlang von Reisfeldern und Bauerngärten nach Coimbra, von Povoa da Varzim aus geht’s mit der Express-S-Bahn nach Porto. Und von Castais ebenfalls per Bahn ins nahegelegene Lissabon. Ueberhaupt fällt auf: Länder wie Portugal und Spanien überraschten uns immer wieder mit ihrer modernen Infrastruktur, nicht nur beim öffentlichen Verkehr, sondern auch bei der Abfalltrennung und Entsorgung. Auch Schulen und öffentlichen Gebäude sind, soweit unsere zufälligen Beobachtungen stichhaltig sind, aufwändig renoviert oder neu. Man könnte sagen, der Abstand der südlichen Länder zu Zürich wird kleiner.
Seglerisch bleibt vor allem in Erinnerung, dass es entgegen allen Voraussagen wenig Wind gegeben hat. Wenn am Cap Finisterre starke Winde angesagt waren, dann reichte es für uns – mit wenigen Ausnahmen - entlang der portugiesischen Küste nur noch für ein laues Lüftchen. Viele Crews machte Nebel zu schaffen, uns nur Nebelhörner, die wie Weltkrieg-II-Sirenen heulen. Die Marinas und Häfen haben alle einen hohen Standard. Wer sich aus Frankreich und England allerings an omnipräsente Bootszubehörläden gewöhnt ist, muss sich hier anders organisieren. Auch Seekarten gibt’s nur in Lissabon. Und wo es vielleicht mal kleine Zubehörläden, sogenannte Chandleries, gibt, sind sie schlecht assortiert. Wer immer etwas braucht, nutzt am besten einen längeren Aufenthalt an einem Etappenort, um in Deutschland oder sonstwo Ersatzteile zu bestellen und liefern zu lassen.
Mittwoch, 15. September 2010
Auf Augenhöhe mit dem Baum
Dies bedeutet, dass man einen Baum von einer oberen Ebene aus betrachtet, also nicht von unten am Stamme steil nach oben starrt. Man befindet sich als Besucher auf diesen oberen Ebenen sozusagen auf Augenhöhe mit dem Baum; auch die Schilder mit den Namen sind so weit oben am Stamm angebracht angebracht, dass man sie nur von der höheren Ebene aus, und nicht von unten her, lesen kann.
Obschon ich von Bäumen – im Gegensatz zu Agnes - nichts verstehe, werde ich den Besuch des Gartens nie vergessen. Denn ich habe zum erstenmal in meinem Leben einen Pfefferbaum geshen. Agnes nahm dessen Früchte in die Hand und zeigte mir die Pfefferkörner. Nun weiss ich, woher im Pfefferland der Pfeffer kommt.
Eine Fahrt mit einem Trolleybus
Die Fahrt führt hinauf und hinunter, einmal landen wir in einem Villenquartier, dann lenkt die Oberleitung, die den Bus auf Kurs hält, das Gefährt an einem Stadion vorbei, rechterhand hohe Wohnhäuser, aus denen allerdings keine Menschenmassen strömen zu den Haltestellen. Unser Trolleybus nimmt nur selten neue Passagiere auf, meist sind wir die einzigen im Bus, sodass mich die Fahrt immer mehr an Trolleybusträume aus der Kindheit erinnert, wenn ich im Bus Nr 104, dem letzten der alten Serie der Verkehrsbetriebe St.Gallen (VBSG), nächtens unterwegs war. Irgendwann wurde ich dann älter und wollte nicht mehr Trolleybuschauffeur werden.
Unsere Fahrt endet am Platz der Republik in Coimbra und dort geschieht, was typisch ist für Trolleybusse: Der Stromabnehmer kommt von seiner Oberleitung ab und der Bus bleibt stehen. Typisch warum? Der Stromabnehmer ist der heikelste Teil des Systems, denn dieses ist einerseits vom Verlauf der Fahrleitung abhängig und hat anderseits ein eigenes Andruckgewicht, welches mit Federn an den beiden „Ruten“, wie die Chauffeure in St. Gallen sie nannten, geregelt wird.
Und da nun ist etwas schief gegangen mit unserem Trolleybus am Platz der Republik und deshalb gibt es das Bild mit den abgehängten Stromabnehmern, die der Chauffeur gerade wieder an die Stromleitung ansetzt.
Und unter den Talaren...
In Coimbra angekommen, steigen wir die engen Treppen und Gassen hoch auf den Hügel der Universität – und siehe da: Zu unserer grossern Ueberraschung sind überall Studenten in Talaren zu sehen. Unter dem wallenden Kleid tragen sie, die Mädchen genau so wie die Jungen, weisse Hemden mit schwarzen Kravatten und passend zum Talar einen schwarzen Anzug, die Mädchen einen schwarzen Jupe mit Jackett. Und dies bei der Affenhitze, die an dem Mittag noch im Schatten vor dem Hauptgebäude durch alle Poren dringt.
Offenbar, so hören wir, ist heute der erste Tag im neuen Semester. Es sei Tradition, dass die Studierenden der höheren Jahrgänge sich mittels Talar von den Neuen abheben wollten, die noch kein Recht auf den Talar erworben hätten, sondern sich dieses Privileg erst ein Jahr lang ersitzen müssten.
Soll man lachen über soviel Ernst? Es gab mal eine Zeit bei uns und anderswo, da kamen Neue an die Unis und nicht einmal die Professoren getrauten sich, den Talar zu tragen, am ersten Tag nicht und auch nicht während des Semesters. Denn damals lachten die Jungen die Alten aus, weil die Jungen partout nicht zur Elite der Alten gehören wollten. Ganz im Gegenteil, sie gedachten, den Eliten an der Uni, allen Eliten der Gesellschaft den Garaus zu machen. Doch dies ist lange her – wie hiess der Slogan noch von damals? „Unter den Talaren, der Muff von 1000 Jahren.“
Sonntag, 12. September 2010
Eine lange Tagesetappe
Alles ging gut, bald wurde es Tag und eine wärmende Sonne stieg immer höher am Himmel. Nur Wind hatten wir keinen und wir mussten motoren. Bei 75 Meilen Distanz und 5 Meilen pro Stunde, so unser Plan, wären wir 15 Stunden unterwegs, würden also um 21 Uhr eintreffen, in Figueira da Foz, wenn es schon praktisch Nacht sein würde. Dazwischen gab es nur Aveiro, aber nur für den Notfall. Denn laut Handbuch hatte es dort keinen Hafen und nur schlechten Ankergrund.
Wir passierten Aveiro am Mittag. Dann erst kam endlich Wind auf, schwächer als erwartet und vor allem nicht zunehmend, wie in der Wetterprognose versprochen. Wir segelten dennoch ganz zufrieden vor uns hin, ein Auge immer auf die Marschtabelle gerichtet. Kurz nach 17 Uhr fiel der Wind in sich zusammen und wir mussten erneut den Motor anwerfen. Eine schöne Strömung hatte uns aber inzwischen einen Super-Vorsprung auf den Zeitplan verschafft. Und das war gut so. Denn im Handbuch hatten wir gelesen, dass uns am Beginn des Flusses Mondego eine Sandbank erwarten würde, auf der die Wellen brechen und Boote in Gefahr bringen könnten. Ein grün-rot-grünes Signal würde uns gar anzeigen, wenn die Einfahrt für grössere Boote verboten war. Bei Absenz des Signals sei die Einfahrt sicher, „mindestens für Boote über 300 t“, hiess es im Buch. Im ärgsten Fall, so sagten wir uns, würden wir halt die Nacht durch direkt nach Lissabon segeln, dann wäre es wieder Morgen und wir könnten bei Tageslicht an dem fremden Ort einlaufen. Aber kurz vor einem Hafen rechtsumkehrt zu machen, ist psychologisch betrachtet nicht ganz einfach.
Unser Plan B erwies sich als unnötig. Als wir mit grossem Vorsprung auf unseren Zeitplan (Vielen Dank, liebe Strömung!) bereits um 19 Uhr an der Mündung des Rio Mondego ankamen, war das Meer ruhig und über der Sandbank hatten wir sichere 7 Meter unter dem Kiel. So tuckerten wir die halbe Meile hoch zur Einfahrt in den hübschen kleinen Hafen von Figueiro da Foz, legten an und ich kriegte ein Bier. - Abgesehen von der Windprognose war heute alles easy-peasy gelaufen. So sollte es immer sein.
Bild: Der Tracker zeichnet unsere Etappen in Echtzeit nach. Link: http://bit.ly/b5feTY
Donnerstag, 9. September 2010
Blog, Blogger, am Bloggersten
Ein Rätsel bleibt die Lesequote in Israel: 11mal wurde der „Miranda-II“-Blog dort angeklickt. Ich habe mein Hirn zermartert, wer das sein könnte – kein Name kommt mir in den Sinn. Und so nehme ich an, es ist der Mossad. Herzlich willkommen, liebe Geheimdienstler.
Der US-Spitzenwert im Bundesstaat Rhode Island hingegen ist klar: Vielen Dank, liebe D., für Deine Treue. Und auch, dass Du mich in der 7gb im Latein hast abschreiben lassen. Ich habe eine Vier im Zeugnis wirklich gebraucht.
Soweit sozusagen die Exoten. Denn meine Home Basis ist ganz eindeutig Zürich. Die Stadt hat einen grossen dicken dunkelorangen Ring in der graphischen Darstellung meines verehrten Publiums. Dankedanke, Ihr Lieben. Schluchtzz.
Woher ich das alles weiss? Antwort: Google-Analytics. Das kleine Tool, das in den Quelltext der Webseite des Blogs hineingepastet werden muss, sagt mir jeden Morgen, total anonymisiert natürlich, wieviele Freunde, Bekannte – oder eben Unbekannte den Blog am Vortag gelesen haben. Und auch, was besonders gut läuft: Einsamer Hit war ein Beitrag über Pinkeln an Bord. Offenbar interessiert Menschliches, allzu Menschliches auch in unseren gehobenen Schichten. Das erklärt wohl, warum Schweizer Newsseiten immer mehr auf Fait divers setzen – schliesslich verwenden auch sie Google Analytics. Schlechte Zahlen hat der Blog an den Wochenenden, wenn alle an der frischen Luft sind. Ganz klar die tote Zeit im Internet.
Die nächste Stufe wäre nun, die Leserzahlen auf die Werbemühle bei Google zu leiten, die es auch gibt.Man muss sich nur registrieren und dann schaltet Google Inserate neben den Blog-Text und mit der Zeit fliessen Hunderte, vielleicht Tausende von Franken auf das eigene Konto. Ihr könnt mich also reich machen, meine Lieben, wenn ihr Euch nur vermehrt! Doch wollen wir das wirklich? Es ist doch eigentlich viel interessanter, einen Leser (eine Leserin?) in Hägendorf zu haben, und zu rätseln, um wen es sich handelt – als Hunderttausende in der ganzen Welt, die man beim besten Willen nie persönlich kennen kann.
Mittwoch, 8. September 2010
Bei Lello in Porto
Wer den Laden betritt, trete in die Vergangenheit ein, steht in den Reiseführern über Lello. Dies stimmt, wenn man darunter versteht, dass Buchläden literarische oder bibliophile Vorlieben ihres Besitzers wiederspiegeln – und nicht einfach die Bestellerliste aufgereiht haben sollen. Und in der Tat: Werke von Hannah Arendt finden sich neben einer neusten Biografie über Salazar, den früheren Diktator Portugals. Gleich neben Salazar ist, ebenfalls in portugiesischer Sprache, der Roman des englischen Schriftstellers David Nicholls („One Day“) aufgelegt. Im Obergeschoss dann sind thematisch geordnet die Sachbücher, eines davon handelt von nichts anderem als der Tomate.
Ein Rätsel bleibt das Angebot auf halber Höhe, zwischen Buchgestellen im Parterre und Galerie. Dort gibt es Glasschränke, hinter denen Hunderte von Büchern eingeschlossen sind. Man müsste eine Leiter hochsteigen, und die Glastüren öffnen, um zu sehen, um welche Titel es sich handelt. Aber es gibt keine Leiter, im ganzen Laden nicht. Sind es bibliophile Kostbarkeiten? Verbotene Literatur (Salazar)? Oder sind die Schränke nur noch Teil einer etwas schrulligen Kulisse wie die grosse Treppe und der kleine Schienenwagen?
Dienstag, 7. September 2010
Bei den Fischern
Entlang des Trottoirs kam ich an mehreren Frauen vorbei, die lautstark frischen Fisch zum Kaufe anpriesen, den sie auf Zweiradkarren in Eis gelagert feil boten. In einem Hafenroman wären sie wohl als „Fischweiber“ apostrophiert würden. Die älteren unter ihnen hatten schwarze, selbst gehäkelte Schleier um den Kopf, um sich vor der prallen Sonne zu schützen. Es gab rege Kundschaft von anderen Frauen, die mit Kindern zu diesem improvisierten Verkaufsort gekommen waren. Männer waren in dem Markttreiben keine zu sehen.
Bei der Tankstelle „Repsol“ angekommen sah ich, wie ein dicker schwarzer Schlauch von der Zapfsäule zur „Maya“ gelegt war, einem roten Fischerboot, dessen Kapitän etwas missmutig in der Führerkabine hockte und einem Mechaniker zuschaute, welcher sich im Motorraum abmühte. Ich genierte mich nun ein bisschen, nur 20 Liter zu benötigen. Doch es war gar niemand da, der die „Maya“ betankt oder mir die Kleinmenge abgezapft hätte. Ich guckte durch die Glastür des kahlen Büros, das mit einem Stahlpult und einem Drehstuhl möbliert war. Neben dem Pult befand sich ein Riesenfauteuil, auf dem der Tankwart sich ausruhen konnte. Und darüber war ein Spiegel, in welchem ich mich selbst etwas blöde hereinschauen sah.
Ich wollte den Missmutigen der „Maya“ nicht behelligen und ging zur „Pierre-André“ hinüber, einem Trawler, an dessen Seitenwand zwei Männer blaue Farbe über eine weisse Grundierung anbrachten. Ich sagte „Diesel“ und machte mit der Hand behelfsmässig einen Tankstutzen nach. Einer der Männer antwortete in bestem Französisch: „Il est allé prendre un pot.“ Das muss man mir nicht zweimal sagen und so trabte ich Richtung Café, das jedoch geschlossen war. Was nun? Ich ging zurück und gerade als ich wieder bei der Tankstelle ankam, stoppte ein alter Ford Escort vor dem Fauteuil-Büro, wie man nur stoppt, wenn man dort arbeitet. Ein Mann mit einer „Repsol“- Mütze stieg aus und begann zu reden, aber nicht mit mir, und auch nicht am Handy, sondern laut und auf mehrere Meter Distanz zu dem übel gelaunten Kapitän der „Maya“. Dann füllte er, ohne ein Wort an mich zu richten, meinen Reservekanister und hielt bei genau 25 Euro inne. Ich gab ihm eine 20er und eine 5er Note und sagte „Obrigado.“
Auf dem Heimweg sah ich, dass die Marktfrauen sich inzwischen alle auf ein Mäuerchen gesetzt hatten und miteinander plauderten. Dabei fiel mir eine einzige junge Frau auf, sie hatte Sternenaugen und gefärbte rote Haarsträhnen. Und sie lachte im Reden und schaute mich kurz an. Ich überlegte im Weitergehen, wie es wäre, wenn ich diese Frau nun heiraten würde. Solche Schicksalswendungen liest man ja in Romanen. Für die junge Frau würde sich wohl nicht viel ändern und sie würde weiterhin am Nachmittag ihren Fisch verkaufen. Ich hingegen müsste morgens um 3 Uhr mit ihrem Vater oder Bruder zum Fischfang auslaufen. Und unser Trawler würde jene Wellen beim Herausfahren verursachen, die uns jetzt, in unserem behaglichen Bootsleben am andern Ende des Hafens, leicht schaukeln in unserer Koje. Am Ende würde ich am Nachmittag auch noch zum Netze-Flicken aufgeboten. Dann dachte ich auch noch, dass man in Zürich über mich reden und lachen, auf jeden Fall den Kopf schütteln würde.
Sonntag, 5. September 2010
Das Dschunken-Segel
Vorteil ist, dass sich das Segel, wenn der Wind zunimmt, mit grösster Leichtigkeit reffen lässt, sagt Alistair, Nachteil, dass es nicht unbedingt ideal ist für Am-Wind-Kurse. Inzwischen ist Alistairs Frau hinzu gekommen. Sie sagt, für sie sei der grösste Vorteil des Junk rigs, dass sie das Segel – wenn sie allein auf Wache sei – mit einer Hand bedienen könne. Jetzt erst sehe ich, dass die Frau nur einen Arm hat, den linken Aermel ihrer blau-karrierten Bluse hat sie in ihren Jeans-Bund gestopft. Sie geht am Stock und sie meint dann, sie planten, im Winter an der Algarve zu bleiben, weil sie wegen ihrer Krankheit immer wieder nach England zurück fliegen müsse. Das Paar ist seit acht Jahren unterwegs mit dem sehr speziellen Segel. Ob das auch die Anzahl Jahre ist, da die Seglerin, allein auf Wache, das Segel so praktisch bedienen kann?
Das Ungeheuer
Das Wesen würde sich, so las ich im „Reeds“, einem unserer Handbücher, knapp unter bzw. an der Wasseroberfläche befinden; weithin sichtbare Seezeichen seien verankert worden, um auf das Ungeheuer aufmerksam machen. Wir segelten kurz vor der eingezeichneten Stelle hinter einer Yacht her, die etwa gleich schnell war wie unser Boot. Irgendwann bemerkten wir, dass deren (und damit auch unser) Kurs infolge Strömung dazu führen würde, dass wir dem Ungeheuter zum Frass vorgeworfen würden. Wir änderten unseren Kurs und segelten auf der westlichen Seite sicher an den gelbschwarzen Seezeichen vorbei, den Wächtern der Seeschlange, welche selbst nirgendwo zu entdecken war. Auch das andere Boot hatte den Kurs geändert und war südöstlich gesegelt. Wo aber war das Ungeheuer, die mehrgliedrige etwas übergewichtige rote Schlange mit dem schmalen Kopf?
In Povoda de Varzim ging ich aufs Internet und schaute bei Wikipedia unter Wellenkraftwerk nach. Dort las ich zu meiner grossen Ueberraschung, dass das Ungeheuer sich gar nicht mehr an der gefürchteten Stelle im Meer befand, sondern selbst einem andern Ungeheuer zum Opfer gefallen war, das den Namen „Finanzkrise“ trägt. Kaum war das Wellenkraftwerk nämlich im Juli 2008 eingeweiht worden, musste es zurück in den Hafen von Leixeos (Bild) geschleppt werden. Die entstandenen Probleme mit Auftriebskörpern konnten rasch gelöst werden, doch im September, als ein neuer Versuch gewagt werden sollte, geriet die Finanzierung ins Stocken: „Babcock & Brown“ befand sich mittlerweile in der Kreditklemme und bekam, wie viele andere Unternehmen auch in jenem crashenden Herbst, kein Geld mehr, Geld, das nötig gewesen wäre, um das Ungeheuer wieder in den Atlantik hinaus zu bugsieren. Dann versiegten die gesamten Geldströme für das Projekt, Assets wurden verkauft und die portugiesischen Joint-venture-Partner stiegen aus.
Heute, drei Jahre nach der Finanzkrise, ist das Wellenkraftwerk von Leixeos nur noch ein stummer Zeuge dafür, dass nicht einmal Seeungeheuer mehr sicher sind vor den modernen Herrschern der Welt und ihren Investmentbanken.
Donnerstag, 2. September 2010
Die Hochzeitsgesellschaft (Teil II)
Aus meinem verehrten Blog-Publikum bin ich mehrfach angefragt worden, ob sich der Plot tatsächlich so entwickelt habe. Seit gestern abend weiss ich die Antwort. Sie lautet: Ja - doch ist alles noch viel dramatischer.
In der Episode von gestern nach 17 Uhr (wir haben hier in Portugal eine Zeitverschiebung und deshalb die Visionierung in einem ersten Anlauf verpasst)...in der Episode also von gestern sahen wir den ehemaligen Bräutigam in jenem Doppelbett, das wir mit den seidenen Kissen bereits kennen, das Bett nämlich im offenen Schlafgemach der Schwester der Braut. Er trägt ein grässliches schwarz-gelb gestreiftes Pyiama, wirkt noch leicht verschlafen, ist aber bereits darin vertieft, ein SMS zu tippen. Die Kamera schwenkt dann vom Mann ins Untergeschoss, wo die Schwester – oder besser gesagt: die Nebenbuhlerin - in einem weissen Bademantel in ihrer super teuren Küche hantiert. Aha, sie macht das Frühstück, denkt man. Und schon ist eine neue Einstellung da: Der Mann ist bereits in Anzug und Krawatte, hat eine Ledermappe unter dem Arm und gibt nun der Frau zum Abschied eine Art Nasenstüber, den ich mir – wäre ich sie – nicht bieten lassen würde.
Aber item: Dass er in leitender Stellung tätig ist, haben wir richtig geraten in unserem ersten Bericht. Denn nun sehen wir ihn an der Arbeit, genauer gesagt mit weissem Helm auf einer Bauselle, einem eben fertig betonierten x-ten Geschoss eines Büroturms. Er hat ein Plandokument in der Hand und diskutiert mit einem Polier (würde ich mal raten), einem Mann jedenfalls in einem gelben, in der Farb-Hierarchie also klar niedrigeren Helm.
Nun wechselt die Einstellung und wir sehen die verlassene Braut, wie sie mit der Mutter telefoniert. „Tu es nicht, Dolores“, sagt die Mutter, wenn ich richtig verstanden habe. Als die Kamera in die Totale geht, sehen wir nicht nur, dass die Verlassene in ihrem grossen Garten vor einer üppigen Blumenrabatte telefoniert hat, sondern auch dass sie hochschwanger ist. Um Fragen aus dem Blog-Publikum zuvor zu kommen: Für mich blieb völlig offen, was Dolores nicht tun soll. Für eine Abtreibung ist es jedenfalls zu spät. Geht es um Scheidung? Oder will sie das Kind weggeben - Stichwort Babyklappe?
Die letzte Einstellung bringt uns wieder zurück auf die Hochhaus-Plattform. Dort ist aus der Diskussion von vorhin ein handfester Streit geworden. Unser Weisshelm gestikuliert aufgeregt mit dem Plandokument, in der Hitze des Gefechts fällt es ihm aus der Hand. Und wie er danach greifen will, schiebt ein Wind es am Boden ein bisschen hinter ihn. Er tut einen Schritt rückwärts, sich zur Seite bückend, um es aufzuheben, und touchiert dabei die offenbar nicht richtig montierte Holzbrüstung am Rand des Geschosses. Jetzt zeigt die Kamera entsetzte, weit aufgerissene Augen des Poliers. In der nächsten Einstellung blicken wir bzw. die Kamera, senkrecht nach unten, wo Menschen zusammen laufen und ein unregelmässiges Oval bilden. Man sieht nichts genaues in der Mitte des Ovals, weiss aber trotzdem, was passiert ist.
Mittwoch, 1. September 2010
Klo-Geschichten
Ich näherte mich dem Klo deshalb mit dem allergrösstem Respekt, getrieben auch von der Furcht, das Ding am Ende noch ganz zu ruinieren, statt es zu reparieren. Und dann gute Nacht! Agnes hatte derweil schon mal ein Service Kit gefunden, von welchem ich keine Ahnung mehr hatte. Es enthielt das „Seal housing assembly 29044-2000“ für WCs der Marke Japsco, weltweit der Goldstandard der Bord-Toiletten.
Ein im Kit enthaltenes Manual riet zu folgendem Vorgehen:
1.Unscrew the seal housing assembly, using a 18mm spanner and remove the entire piston rod assembly from the toilet.
2. Wrap some tape around the piston rod. Grip the piston rod through tape, unscrew the handle and remove bumper washer.
3.Slide the old seal assembly off the piston rod. Wrap one turn of tape around the thread at the top of the piston rod to protect the new seal and slide the new seal assembly onto the piston rod.
Hier eine Zwischenbemerkung: Das ist ein wirklich guter Ratschlag, das Gewinde zu ummanteln mit Tape, sonst ist man nach der Reparatur wieder gleich weit wie vorher, weil man die neue Dichtung schon beim Einsetzen am Gewinde kaputt gescheuert hat.
4.Slide the whole assembly back into the pump cylinder.
Und so geschah es: Nach einer Stunde Werweissen über die Einzelteile des 29044-2000er Kits und zehn Minuten Zusammensetzen bzw. Auswechseln des Seal assembly atmete ich auf. Alles wieder fertig montiert.
Nun blieb noch ein letzter Punkt, der Test der Anlage. Frage: Wie probiert man eine eben reparierte Toilette aus, ohne im Fall einer missgelungenen Reparatur erneut mit unschönen Vorkomnissen rechnen zu müssen. Für dieses Problem gibt eine einfache Lösung: Man kauft eine Dose Katzenfutter, das Fleisch hat die gleiche Konsistenz wie der mutmassliche Rohrinhalt, ist aber angenehmer im Handling. Gesagt getan. Und grosses Aufatmen: Spülung gut – Pumpe dicht.
Ah ja noch etwas: Den Rest des Katzenfutters bekommt jetzt der Hund unserer Holländer von nebenan.
Dienstag, 31. August 2010
Die Kerzen der Hl. Luzia
Wir sind zuerst in eine Beiz gegangen und haben dann erst nach einer halben Stunde und frisch gestärkt den „Templo“ in Angriff genommen.
Wie in vielen andern Kirchen kann man auch hier, und nun komme ich zum eigentlichen Thema, Kerzen anzünden.. Das ist eine schöne Sache. Die bereits brennenden Kerzen laden jeweils gerade zu ein, auch einen Obolus zu entrichten und mit seiner Kerze einen Wunsch in eigener Sache zu verbinden oder wenigstens an jemanden zu denken.
In der Sacre Coeur von Viana do Castelo nun erwartete uns eine Überraschung, ein, man kann es nicht anders sagen, erstaunliches Kerzensystem, eines, das punkto Effizienz und Technik alles Bekannte schlägt. Bei den Kerzen in der Kirche auf dem Hügel oben handelt sich nämlich nicht um Kerzen aus Wachs und einem Docht, sondern um elektrische Lampen, die mittels Einwerfens von Geldstücken in einen Schlitz angezündet, besser gesagt: eingeschaltet werden. Die „Lampadias" verbreiten dann einen durchaus kerzenhaften Schein, sodass ich den Trick zunächst gar nicht bemerkte. Das geniale ist, dass man mit einem 50-Cent-Stück auf einen Schlag vier Kerzen anzünden kann, mit einem Euro sogar acht. In andern Kirchen gibt es eine solche Economy of scale nicht, man muss jede Kerze einzeln zum Brennen bringen.
Warum diese technische Lösung für etwas, wo Technik doch die Gedanken stören muss an die Fürbitte? Wie erklären sich die merkwürdigen Mengen-Tarife (1 Kerze für 10 Cents, 8 Kerzen für 1 Euro - ein negativer Discount)? Wollte die katholische Kirche mit den Elektro-Kerzen nur mit der Zeit gehen? Hat also ein frommer Technik-Freak die Einrichtung des Systems innerkirchlich durchgesetzt? Was denkt die Kirche punkto Fürbitte über das unvermeidliche harte Abschalten der Kerzen statt des langsamen Niederbrennens? Fürchtet man hoch über der Stadt eine Brandgefahr – oder nur die Möglichkeit des Kerzenbetrugs? Fragen über Fragen.